Blog Interior Scholarship

Es werde Dunkel – Christian Kellner, Stipendiat 2021/2022

Blog Interior Scholarship
April 2022
Blogger: Christian Kellner

Technische Universität Wien
Studiengang Architektur

Es werde Dunkel
Wir Menschen nehmen dunklen Raum anders wahr als hellen. Je dunkler ein Raum ist, desto stärker öffnet er sich für andere Ebenen der Sinneswahrnehmung, etwa Gehör, Geruch oder Haptik. Wenn die Sicht- und Raumgrenze sich ins Dunkel verschiebt und auflöst, wird die eigene Verortung im Raum zunehmend unscharf. All das führt zu einer Verstärkung der eigenen körperlichen Wahrnehmung. Infolgedessen sprechen uns dunkle Räume in unserem atmosphärischen Empfinden in besonderer Art und Weise an.

Ein dunkler Raum hat eine unbestimmbare Tiefe und eine eigene Dimension, die jedoch bei hellem Zustand nicht seiner tatsächlichen Größe und Ausdehnung entspricht. Im Hellen wird das Dazwischen, die Leere selbst, meist nicht wahrgenommen, im Dunklen hingegen schon. Eher langsam und tastend bewegen wir uns im Raum aufgrund der Dichte und Undurchschaubarkeit des Dunkels. Die Objekte darin sind in ihrem Abstand zueinander nur schwer einzuschätzen und tauchen erst nach einer langsamen Gewöhnung der Augen aus der Dunkelheit auf. Wenn man dabei einzelne, schwach erhellte Objekte oder kleine Lichtöffnungen erblickt, erhalten diese für einen dadurch eine erhöhte Bedeutung.

Vor allem in vielen Kult- und Kirchenräumen wurde dies oft ausgenutzt, um sakrale Stimmungen zu erzeugen. Auch in der Malerei ist ein solcher Umgang, beispielsweise bei dem Künstler Rembrandt, bekannt. Er arbeitete oft mit einer in Dunkelheit getauchten Grundstimmung und der Nutzung besonders differenzierter Helligkeitswerte. Auch in der InnenArchitektur kann damit gearbeitet werden. So habe ich vor ein paar Jahren den von John Pawson in eine Galerie umgestalteten Berliner Bunker besucht. Dabei spielt er bewusst mit der Dunkelheit, sodass man sich beim Betreten zunächst in einem komplett dunklen Raum wiederfindet, wodurch die eigene Wahrnehmung vollständig resettet wird. In den anschließenden Ausstellungsräumen werden lediglich die Exponate leicht beleuchtet, womit eine ganz besondere Aura um die Kunst erzeugt wird.

Besonders hervorgehoben werden kann die Bedeutung der Dunkelheit am Beispiel der traditionellen japanischen Architektur. Im Buch “Lob des Schattens” beschreibt Jun’Ichiro Tanizaki, dass Japan eine vielschichtige Ästhetik entwickelt hat, um Tageslicht zu filtern und Schatten als eine wichtige Qualität zu begreifen. Durch auskragende, niedrige Dächer, große Raumtiefen sowie durch Papierwände entsteht in den Innenräumen eine starke Verdunkelung. Damit ergibt sich laut Tanizaki ein nuanciertes Spiel von Schatten und Licht, von matten und schimmernden Materialien, und von Akzenten durch leuchtende Farben und glänzend lackierten Oberflächen. Durch das gefiltert einfallende Licht entstehen im Innern sehr weiche, subtile Helligkeitsübergänge, wodurch der Raum auch ohne tatsächliche räumliche Trennungen eine Gliederung erfährt. Mit der dunklen Grundstimmung bekommen auch Stofflichkeit, Oberflächen und Farben ein detaillierteres, feineres Wirkungsspektrum. Der Umgang mit dem Dunkeln schafft dadurch eine starke atmosphärische Gesamtsituation.

Daraus können wir mitnehmen, dass Schatten und Licht für die InnenArchitektur so wesentlich sind wie Form und Material. Es muss nicht immer um gute Sehbedingungen für bestimmte Tätigkeiten gehen, sondern es kann auch die strukturelle und atmosphärische Rolle von Dunkelheit in den Vordergrund unserer Gestaltung rücken. Licht tritt immer im Wechselspiel mit Schatten auf und wird als Komplementär zur Dunkelheit wahrgenommen. Daher kommt es in der InnenArchitektur gleichzeitig auf einen gekonnten Umgang mit Dunkelheit und auf dessen Verhältnis zu Licht an.

Die Dunkelheit kann in der InnenArchitektur bewusst auf vielfältige Art und Weise eingesetzt werden. Sie kann die Körperhaftigkeit der InnenArchitektur plastisch deutlicher herausbilden, etwas in Szene setzen oder darüber hinaus durch einen differenzierten Einsatz von Licht und Dunkelheit eine gute Gliederung und Strukturierung von Raum ermöglichen. Auch bietet sie sich als Führungselement für die Durchwegung durch den Raum an. Die Art und Behandlung von Dunkelheit in Verbindung mit der Stofflichkeit kann für die Erzeugung von bestimmten Raumstimmungen oder eines Raumcharakters genutzt werden. Man kann das Dunkle folglich als eine Qualität begreifen, die es zu nutzen gilt. Denn generell erlaubt es die Anpassungsfähigkeit der Augen auch mit weniger Licht zu arbeiten.

Die Natur bietet uns mit dem täglichen Tag und Nacht Rhythmus, sowie den Jahreszeiten, eine breite Hell-Dunkel-Vielfalt. Zahlreiche Innenräume erleben wir heutzutage jedoch ganz anders. Meist findet man eine konstante und beinahe grelle Beleuchtung über Stunden hinweg vor. Dies führt zu Monotonie, Ermüdung und Lebensunlust. Deshalb plädiere ich für den Einsatz von weniger Licht und einem bewussten Umgang mit Dunkelheit.
 

Interior Scholarship – das AIT-Stipendium der Sto-Stiftung

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