Lauritz Bohne | TU Delft, NL-Delft Catalina Dumitru | University of Architecture and Urbanism ION MINCU, RO-Bucharest Marie Jõgi | Estonian Academy of Arts, EE-Tallinn Eff Libilbéhéty | Gerrit Rietveld Academie, NL-Amsterdam
Während der Jurysitzung am 31. Juli 2020 im AIT-ArchitekturSalon Hamburg bewerteten und diskutierten Sabine Keggenhoff (KEGGENHOFF | PARTNER, DE-Arnsberg-Neheim), Dorothee Maier (meierei Innenarchitektur | Design, DE-München), Hanna Moosbauer (Stipendiatin des Interior Scholarship 2011/12, AT-Linz), Ralf Pasel (Pasel Künzel Architects, CODE | Construction + Design, Technische Universität Berlin, DE-Berlin), Peter Cheret (Mitglied des Stiftungsrats der Sto-Stiftung, Cheret Bozic Architekten BDA DWB und Universität Stuttgart, DE-Stuttgart) sowie Uwe Koos (Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Sto-Stiftung, DE-Stühlingen) sowohl die Qualität der eingereichten Studienarbeiten als auch die kreativen Entwürfe zur diesjährigen Stegreifaufgabe, die zum sechsten Mal ein Kriterium der Bewerbung darstellte.
In diesem Jahr sollten die Studierenden sich mit dem Thema Haben oder Sein? – Die neuen Räume der Sharing Community auseinandersetzen: In vielen visionären Ansätzen zum gesellschaftlichen Zusammenleben löst das Teilen die Vorstellung des Besitzens ab.
In Börsen wird getauscht oder geliehen, in Coworking Spaces finden sich Peer-to-Peer Arbeitsplätze wieder, die Welt lernt man als Couchsurfer kennen, die Gartenkooperative versorgt einen mit Bio-Gemüse. Dabei waren sie aufgefordert, einen Raum unter Beachtung folgender Fragestellungen zu entwerfen: Welche neuen öffentlichen Orte entstehen dadurch? Welchen Bedürfnissen müssen diese neuen Orte gerecht werden? Inwieweit verschiebt sich das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Raum? Wie wirkt sich das auf unseren Umgang mit dem Innen-Raum aus? Nach einem Verfahren aus drei Runden und ausgiebiger Diskussion entschied sich die Jury einstimmig für die GewinnerInnen, die vor allem durch eine eigene Haltung und kreative Denkweise herausstachen. Das zur Verfügung stehende Preisgeld von 24.000 Euro wurde auf vier Studierende aus Deutschland, der Schweiz und Estland aufgeteilt, die sich nun über einen monatlichen Zuschuss von je 500 Euro freuen dürfen. Finanziert werden die Stipendien von der Sto-Stiftung, die die „Ausbildung der jungen Generation […] als eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft“ versteht und den Gewinnern ein Jahr lang ein sorgenfreies Studieren ermöglichen möchte. Aus diesem Grund unterstützt die Sto-Stiftung junge Menschen in ihrer akademischen Ausbildung. Als übergeordneten Zweck greift sie das Leitmotiv „Bewusst bauen“ der Sto SE & Co. KGaA auf und hat sich weltweite Technologieführerschaft in der Branche für eine menschliche und nachhaltige Gestaltung gebauter Lebensräume zum Ziel gesetzt. „In diesem Jahr wurde das AIT-Stipendium der Sto Stiftung zum zehnten Mal in Folge ausgelobt. Trotz allgemein sensibler Umstände zu Zeiten der Pandemie gab es auch diesmal wieder eine überaus rege Beteiligung. Die Jury hatte insgesamt 66 Bewerbungen zu beurteilen, davon über die Hälfte aus dem europäischen Ausland kommend und von Studierenden mit 25 Nationalitäten europaweit eingereicht. Auch dieses Mal zeigten die eingereichten Portfolios eine außerordentliche Vielfalt an Positionen auf, nicht zuletzt geprägt durch die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in der Lehre der Innenarchitektur. Ein ganz wesentlicher Teil der Bewerbung war die Lösung der Stegreifaufgabe – ganz besonders dort, wo die Studierenden die Chance nutzten, gängige Konventionen in Frage zu stellen, sich selbst und andere zu überraschen und zu eigenständigen Lösungsansätzen zu gelangen. Im Namen der Sto Stiftung und auch im Namen der Jury bedanke ich mich bei allen BewerberInnen und gratulieren den vier StipendiatInnen von ganzem Herzen.“ Professor Peter Cheret, Stiftungsrat Architektur Sto Stiftung
Juryurteil Ich habe (Raum) also bin ich?
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit privatem Eigentum und dem (Innen-)Raum passiert in dieser Arbeit auf eine spielerische, theoretische und grafische Weise, die Lust auf mehr macht.
Der Stegreif-Entwurf „my-room“, als Plädoyer für das Recht auf privaten Raum und die Rolle der Innenarchitektur, die Lauritz jedem einzelnen Nutzer zuschreibt, zeigt seinen kritischen Standpunkt. Die Einreichung besticht durch eine vielseitige Auseinandersetzung mit Raum, Kunst und Material in unterschiedlichen Maßstäben – von Möbeln bis hin zu flexiblen Raumkonfigurationen und der präzisen Wegeführung. Neben der klassischen Innenarchitektur für ein neues Küchenkonzept zeigt das Projekt für den japanischen Pavillon die Lust auf Experiment; auf den performativen, künstlerischen Aspekt der Innenarchitektur. Der Besucher des Pavillons steigt zum Ausstellungsraum auf und erlebt so den inszenierten Raum auf eine besondere Art und Weise. Der Bezug zu architekturtheoretischen Referenzen und Orten, das Spiel mit Größenverhältnissen und die Umsetzung bis hin zum 1:1 Modell zeigen eine intensive Beschäftigung mit dem Thema.
University of Architecture and Urbanism ION MINCU, RO-Bukarest
Juryurteil
Die Projekte von Catalina Dumitru zeichnen sich besonders durch ihre konzeptionelle Schärfe und einen enormen Reichtum an Suggestionskraft aus. Die vielseitigen Arbeiten sind durchgehend auf höchstem Niveau und schaffen den Sprung, räumliches Denken mit charaktervollen Sphären zu vereinen.
Mit ihren Entwürfen gelingt es Catalina Dumitru, eine eigenständige und aussagekräftige Position zu beziehen, die sie in die Lage versetzt, programmatische Komplexität und unterschiedlichste Maßstäblichkeiten scheinbar spielerisch zu neuen Welten zu komponieren. Ihre gestalterischen Fähigkeiten sind dabei abwechslungsreich, überraschen durch Neues und zeugen von großer Experimentierfreudigkeit. Die Darstellungen der Entwürfe sind sehr individuell auf die spezifischen Entwurfsansätze abgestimmt und belegen eindrucksvoll das Talent und die Fähigkeiten von Catalina Dumitru. Wir dürfen uns in Zukunft auf weitere Arbeiten von Ihr freuen!
Juryurteil
„Let’s do something together“ – Eine Sharing Community bringt nicht nur das Teilen von Raum, Zeit und Zeug mit sich, sie kann auch Freude teilen! Marie Jõgi besticht mit ihrem spielerischen Experiment der Matratzen-Community.
Die profanen Bettmatratzen einer WG werden durch die Mitbewohner zu einem Kartenhaus gestapelt, umfunktioniert und generieren als Flexspace ein echtes Happening. Geschichtet und gekippt kreieren sie damit einen neuen Innenraum, der die Mitbewohner in ungewohnte und amüsante Beziehungen zueinander setzt. Mit dem simplen „Readymade“ der Matratze schafft sie die echte Interaktion von Raum und Mensch, im besten Sinne der Innenarchitektur!
Juryurteil
Die Gesamtpräsentation von Eff und damit verbunden das bisher erarbeitete studentische Portfolio ist von Beginn an bis zum Ende hin eine Besonderheit, zu der wir als Jury ausdrücklich gratulieren.
Die erkennbare gestalterische wie auch konzeptionelle innenarchitektonische Leistung macht große Freude und inspiriert. Sie deutet auf einen „eigenen kreativen Kopf“ hin; einen Kopf, der hinterfragt, abseits des Gewohnten, einen Kopf, der Mut, Individualität, Offenheit und Experimentierfreude im und für den Raum aufzeigt. Genau diese Eigenschaften gilt es zu fördern, genau hier setzt die Unterstützung ein, um zukünftig gestalterische Freiräume zu schaffen. Herzlichen Glückwunsch!