Ausgabe 4.2023



BÜRO UND VERWALTUNG

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

bis vor nicht allzu langer Zeit trieb es jeder Innen-/Architektin und jedem Innen-/Architekten den Angstschweiß auf die Stirn, wenn die Bauherrschaft ankündigte, den Möbelbestand in den soeben fertiggestellten Büro-Neubau integrieren zu wollen. Was in erster Linie pekuniäre Gründe hatte, musste nicht immer dazu dienen, den engagierten Entwurf innenarchitektonisch zu unterstützen. Die Zeiten ändern sich – und das ist gut so!

Re-use steht heute für das Wiederverwenden von Möbeln, Materialien und Oberflächen und wird nicht nur zunehmend salonfähig, sondern ist bitter notwendig. Die Baubranche muss sich den Vorwurf gefallen lassen, verschwenderisch mit in aufwendigen und umweltbelastenden Verfahren hergestellten Baustoffen und Komponenten umzugehen. Die Antwort darauf ist nicht nur Reduce, sondern auch Recycle und eben – Re-use. Wir haben im hessischen Ober-Ramstadt ein beeindruckendes Beispiel gefunden, bei dem die Planerinnen von POINT. Architektur den Kommunikationsbereich im Verwaltungsgebäude eines Farbenherstellers mit bereits vorhandenen Möbeln und online erstandenen Restmaterialien ausstatteten. RE_FRAME haben sie ihr Modulbaukasten-System genannt und verraten ihr Erfolgsrezept.

Überhaupt sucht man in dieser Ausgabe zum Thema Büro und Verwaltung vergeblich seriös-repräsentativ ausgestattete Büroräume mit Chefsesseln, Designklassikern und Leder-Fauteuils. Unabhängig von der reinen Bürofläche – wir zeigen Beispiele von 170 bis 40.000 Quadratmetern – allen gemein ist eine gelungene Mischung aus verspielter Lässigkeit und charmantem Rohbaucharme, die nicht im Entferntesten an staubtrockene Bürotätigkeiten erinnert. Vielmehr werden flexible, übertrag- und erweiterbare Konzepte angedacht, die sich intelligent und weitsichtig auf die stetig verändernde Bürolandschaft einstellen.

Den Wandel mitplanen und weiterbauen anstatt abzureißen, muss die Devise sein. Denn dass frei gewordene Verwaltungsgebäude durchaus der Stadt und der Gesellschaft – auch nach ihrer ursprünglichen Nutzung – dienen können, zeigen Lorena Stephan und Sylvia Brüstle in ihrer Masterarbeit „Allianz für die Jugend“ eindrucksvoll auf.

Auch eine alte Tabakfabrik in Linz, vom Altmeister der Moderne Peter Behrens in den 1930er-Jahren entworfen, bietet nach einer Sanierung die perfekte Kulisse für Kreativarbeitsplätze.

Umso mehr freuen wir uns, dass die Büroszenarien, die Dominik Reding in seinem köstlichen Essay „Lieben Sie diesen Staat?“ beschreibt, immer seltener werden. Auch das ist gut so!

Mit besten Grüßen
Petra Stephan, Dipl.-Ing.
Chefredakteurin
Architektin


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