Eine Frage an… “Die Architektur im Buch. Das Buch in der Architektur”

Wir haben internationale Architekt*innen gefragt, welches Buch sie in ihrer architektonischen Entwicklung oder auch ihrem Schaffen am meisten geprägt hat. Welches Architekturbuch hat sie nachhaltig beeindruckt und inspiriert sie noch heute? Welche Bücher stehen griffbereit im Büro zur Hand und bilden einen wichtigen Bestandteil des Entwurfsprozesses? Oder auch welche Bücher den Anstoß dazu gegeben haben, Architektur zu studieren? Das Ergebnis sind persönliche Notizen und sehr unterschiedliche Buchempfehlungen, die ganz klar widerspiegeln, wie wichtig Bücher in der Architektur sind.

Mels Crouwel (Benthem Crouwel) empfiehlt ›Megastructure, Urban Futures of the Recent Past< von Reyner Banham und ›Structures Serving the Unpredictable< von Yona Friedman
»In the book, you will find a variety of solutions, both real and visionary or utopian, for the problems of capacity and densification on the planet. Through this book, I became familiar with the work of Yona Friedman. Although he hardly built anything in his life, he presented optimistic solutions for structures that can be added to existing cities in the form of extra layers above the already built fabric of the city.«

Martin Bez (bez+kock architekten) empfiehlt ›Luigi Snozzi; Costruzioni e Progetti – Buildings and Projects 1958-1993
»Der Tessiner Architekt Luigi Snozzi ist für mich vom Beginn meines Studiums bis zum heutigen Tag stets eine wichtige Referenz gewesen. Sein umfassendes Werk aus klar formulierten Gedanken, ikonografischen Häusern und radikalen städtebaulichen Konzepten lässt sich in der vor 30 Jahren erschienenen Monographie ›Luigi Snozzi. Costruzioni e progetti?—?Buildings and projects‹ eindrucksvoll nachvollziehen. Ein wunderbares Buch, das in der täglichen Aus­einandersetzung mit Architektur in Theorie und Praxis immer wieder Orientierung und Anregung gibt.«

Christian Ambos (Franz?&?Sue) empfiehlt ›Die Poetik eines Mauervorsprungs‹ von Jan Turnovsky
»Mit dem Buch ›Die Poetik eines Mauervorsprungs‹ verbindet mich eine persönliche Beziehung: Jan Turnovsky, Autor des Buches, war auch Professor für Wohnbau in meiner Studienzeit an der TU Wien. In diesem Buch macht er den Gegensatz zwischen ›Kunst‹-Architektur und evolutionärem Bauen deutlich und erläutert dies griffig anhand eines kleinen Details?—?einem Mauervorsprung im ›Haus Wittgenstein‹ in Wien, das vom Philosophen Ludwig Wittgenstein in den 1920er-Jahren entworfen wurde.«

Ushi Tamborriello (ushitamborriello Innenarchitektur Szenenbild) empfiehlt ›Lob des Schattens?/ In Praise of Shadows‹ von Jun-ichiro Tanizaki
»›Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.‹ Zitat aus Tanizakis ›Lob des Schattens‹. Eine Offenbarung für mich.«

Justin Cooke (Architecture Co-op) empfiehlt ›Architecture without Architects‹ von Bernard Rudofsky
»My copy of this I have had since I started practice. I bought it second hand for about 2 Euro and it is a well worn much loved copy?—?like a well used cook book. Vernacular architecture has a rooted, timeless and environmentally responsive quality. The black and white photographs in this tiny book are pro­foundly atmospheric. They invite me into a different place, time and way of thinking. Buildings become part of the landscape, made of materials of the land, designed in response to the specific qualities and conditions of the environment. They provide me inspiration to look closely, immerse myself fully and try to understand deeply the places and people I work for.«

Jo Taillieu (jo taillieu architecten) empfiehlt ›Juliaan Lampens 1950-1991
»Starting my studies in 1990 and discovering this book together with the exhibtion on Juliaan Lampens in 1992 was a milestone for me. Juliaan Lampens is remarkable in the way he produces architecture. He stands for a very personal and direct approch, stripped of all conventions, where the detail is of the same importance as the totality. Building without compromise but with attention to people.«

Merle Zadeh (Studio Zadeh) empfiehlt ›Testify! The consequences of Architecture‹ von Lukas Feireiss
»Was kann Architektur? Oder besser, was soll Architektur eigentlich leisten? Dieses Buch untersucht, wie Architektur und räumliche Interventionen auf das soziale Miteinander und die Gemeinschaft wirken. Das Buch berührt mich immer wieder, weil es zeigt, welche positive Wirkung auch schon kleinere räumliche Eingriffe auf den Menschen und dessen soziales Umfeld haben können und wie Architektur immer im Zusammenspiel mit den zukünftigen Nutzer*innen und weiteren gesellschaftlichen Akteur*innen zu sehen ist. Es bestärkt mich darin, den Menschen und sein Erleben konsequent ins Zentrum aller meiner Überlegungen und meines Schaffens zu stellen.«

Wolf dPrix (Coop Himmelb(l)au) empfiehlt ›Brancusi und die Idee der Plastik‹ von Ponuts Hulten und ›Bosch‹ von Wilhelm Franger
»Architekturbücher sind prinzipiell langweilig. Daher suche ich meine Inspiration lieber in Büchern über Brancusi und Hieronymus Bosch. Brancusi wegen der intensiven Formen, Bosch wegen seiner surrealen Bildwelten. Aber am meisten beeindruckt hat mich der Roman Moby-Dick von Hermann Melville, in dem auch die beste Beschreibung, was Architektur sein sollte, zu lesen ist: ›Ich wollte der Wind hätte einen Körper.‹«

Tatiana Bilbao (Tatiana Bilbao Estudio) empfiehlt ›Patriarchy and Accumulation on a World Scale: Women in the International Division of Labour‹ von Maria Mies
»This book is striking and enlightenging in its revision of world history focused on the ›production of life‹ and the struggles against its exploitation. It has sparked a much-needed reflection on the urgency of building a society that puts the notion of care at the center of our way of living.«

Roman Delugan (Delugan Meissl Associated Architects) empfiehlt ›The Function of Form‹ von Farshid Moussavi
»Das Buch ›The Function of Form‹ von Farshid ­Moussavi liegt immer griffbereit auf meinem Schreibtisch. Ich blättere fast wöchentlich darin und es inspiriert mich jedes Mal wieder. Für neue Konzeptionen und spezielle Bauaufgaben ist es jedenfalls mein wichtigstes Nachschlagewerk.«

Dong Gong (Vector Architects) empfiehlt ›The Thinking Hand: Existential and Embodied Wisdom in Architecture< von Juhani Pallasmaa
»Hand is still an irreplaceable part of my design thinking mechanism. It is a medium not only about representing, but also about sensing, contemplating and expressing.«

Stefan Behnisch (Behnisch Architekten) empfiehlt ›Blueprints for Modern Living: History and Legacy of the Case Study Houses<
»Das besondere Architekturbuch für mich ist sicherlich das 1989 erschienene Buch über die Case-Study-­Houses von Elizabeth Smith. Mitte der 1980er-Jahre lebte ich in Los Angeles, machte ein Praktikum bei Steve Woolley, einem ehemaligen Partner von Craig Ellwood. Ich arbeitete im Büro damals an Umbauten des Art Center College of Design in Pasadena. Dies alles eröffnete mir den Blick auf [einige Größen der damaligen Zeit], welche die California Modern prägten. Es gab hier einiges zu sehen, zu erkunden. Viele der Häuser waren Mitte der 1980er-Jahre noch im Original zu besichtigen, die Erstbewohner lebten noch dort. Das Programm der Case-Study-Houses war ein einmaliges, besonderes Konzept zur Förderung des modernen Wohnungsbaus, natürlich à la California Modern, meist Einfamilienhäuser, einige Appartementbauten. Und natürlich verdankt dieses Programm einen guten Teil seiner Popularität den herausragenden Fotografien von Julius Shulman –und er wurde auch im Gegenzug durch diese Fotografien berühmt. Man wünschte sich, man könnte heute mit vergleichbaren Handelnden ein ähnliches Programm zu den heutigen Themen in der Architektur auflegen. Das könnte auch heute und bei uns zu herausragenden Ergebnissen führen.«

Die Buchempfehlungen waren Teil der Ausstellung “Die Architektur im Buch. Das Buch in der Architektur”, die bis zum 16. August 2023 im AIT-ArchitekturSalon in Hamburg zu sehen war. > mehr

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