Viele Jahre lang war das Internet hauptsächlich ein 2D-Katalog mit Hyperlinks, und jetzt beginnt es endlich interessant zu werden, mit dem Potenzial für 3D-Erlebnisse. Eines ist sicher: Es wird die Art und Weise verändern, wie wir arbeiten, einkaufen und leben. Wie können aber wir als InnenArchitekt*innen eine Rolle dabei spielen?
Dafür darf man sich zunächst das Bigger Picture ansehen. Die ganze Welt ist in einem tiefgreifenden Wandel von der realen zur digitalen Wirtschaft, und dies hat sich seit der globalen Pandemie drastisch beschleunigt. Ob es uns gefällt oder nicht, Covid-19 hat eine große Veränderung mit sich gebracht. Einige der Pioniere unter den Branchen, die als erste Metaversen mit aufbauen, sind Gaming, Mode, Hollywood und Krypto. Auch wir InnenArchitekt*innen sollten uns diese Chance nicht entgehen lassen, endlich teilzuhaben an dem digitalen Wandel, wenn sich das Internet in die Dreidimensionalität verschiebt.
Digitale Gegenstände sind bereits ein riesiger Markt, der durch die Anwendung der Blockchain-Technologie mit NFTs (Non-fungible Tokens) ermöglicht wurde, wodurch sie einen echten, dauerhaften Wert besitzen können. “Non-fungible” bedeutet, dass sie einzigartig sind und nicht ersetzt werden können. Der Wert von NFTs besteht also darin, dass sie ein digitales Objekt als einzigartig bestätigen und sich somit in einer digitalen Welt von Unbegrenztheit eine nachweisbare Begrenzung herstellen lässt. Und diese digitale Kreation kann alles sein, auch digitale InnenArchitektur.
Ein weiterer Trend besteht darin, in virtuelle Grundstücke und Immobilien in diesen Welten zu investieren. Diese sind im Laufe dieses Jahres im Preis bereits stark angestiegen. Ein Stück virtuelles Land in Decentraland wurde kürzlich für rund vier Millionen Dollar verkauft. In diesen virtuellen Welten können Menschen ihre NFT-Kunstsammlungen ausstellen, mit Freunden herumlaufen, Gebäude besichtigen und an Veranstaltungen teilnehmen. Für viele mag dies wie ein Scherz klingen, und die Welten mögen verfrühte Versionen wie das frühe Internet sein, aber es ist definitiv ein spannender Bereich für Designer, um ihre Fähigkeiten der physischen Welt zu nutzen und in die virtuelle Welt zu übertragen.
Darüber hinaus schafft das Metaverse die Möglichkeit eines anderen Geschäftsmodells als das des/der gewöhnlichen InnenArchitekten/InnenArchitektin, nämlich vom Berater zum Creator. Der Beruf des/der InnenArchitekten/InnenArchitektin hat sich immer mehr vom “Baumeister” zum/zur Projektmanager/Projektmanagerin hin verschoben und wird demnach wie andere von Fachleuten erbrachte Dienstleistungen nach Stundensatz oder nach Projekt bezahlt, was eine gewisse Begrenztheit mit sich bringt. Anstatt einzelne Dienstleistungen anzubieten, könnten InnenArchitekt*innen das Geschäftsmodell neu erfinden und Produkte/Dienstleistungen anbieten, die skalierbar sind, Lösungen, die wiederverwendet werden können und einer deutlich größeren Anzahl von Nutzern zu Gute kommen, nicht nur einem Kunden.
Das Metaverse benötigt nämlich umfangreiche Inhalte, die noch nicht existieren. Es braucht Erlebnisse wie virtuelle Museen, virtuelle Konzerte, virtuelle Schulen, virtuelle Konferenzen und vieles mehr, im Grunde genommen alles, was Sie sich vorstellen können. Für InnenArchitekt*innen ist das Metaverse ein Neuland voller Möglichkeiten und eine Utopia ohne die Zwänge der physischen Welt. Keine physikalischen Gesetze, keine Baugesetze, keine Materialkosten … InnenArchitekt*innen können einzigartige Entwürfe erstellen, sowie digitale Objekte wie Gebäude, Möbel, Skulpturen, Texturen und diese mehrfach verkaufen. Während Architektur ein relativ lokales Geschäft ist, können sie diese digitalen Produkte/Dienstleistungen auf der ganzen Welt anbieten und damit ganz andere Kunden ansprechen als die aus ihrer Region. Und damit bleiben die meisten Entwürfe eben nicht nur auf dem Papier oder in der Schublade.
Die Technologie schreitet voran. Das Metaverse ist eine neue Spielwiese, an der sich InnenArchitekt*innen gemeinsam mit anderen Akteuren beteiligen können. InnenArchitekt*innen können mit ihrer Kompetenz als Brücke zwischen der physischen und der virtuellen Welt fungieren. Im Metaverse wird es viele interessante Anwendungen und Möglichkeiten geben, man muss nur kreativ und mutig sein, um die Ressourcen zu nutzen und seine Erfahrungen in diesen neuen Bereich mit einzubringen.
Die Wahrheit ist nämlich, dass wir alle im Metaverse 1.0 leben. Auch wenn die meisten Menschen nicht wissen, was das Metaverse ist oder bedeutet. Die Anfänge existieren bereits seit längerer Zeit mit den sozialen Netzwerken, Videospielen, Film und Fernsehen. In den letzten zwanzig Jahren haben wir immer mehr Zeit in der digitalen Welt verbracht. Der Durchschnittsmensch zieht das ‘Metaverse’ inzwischen der physischen Welt vor. Klingt unpopulär, klingt unangenehm, es ist aber die statistische Wahrheit. Wir verbringen mehr Zeit in den sozialen Medien, wir verbringen mehr Stunden mit Videospielen, wir verbringen mehr Stunden mit dem Konsum von Fernsehen, Netflix usw. Das Metaverse ist vielleicht noch nicht völlig immersiv, ja, man spürt es noch nicht auf der Haut. Aber man verlässt immer noch die physische Realität, um in eine andere Neue zu treten. Irgendwie leben wir schon heute, ohne das voll entwickelte Metaverse, darin.
Das Metaverse wird also nicht kommen, sondern es ist schon da. Das Metaverse entfaltet sich und entwickelt sich, jetzt. Ob man es will oder nicht. Das Einzige, was wir kontrollieren können, ist, wie es sich entfalten wird, wie es aussehen wird, wie es sich anfühlen wird… Und die Frage sollte lauten: Wie wollen wir als InnenArchitekt*innen eine wichtige Rolle dabei spielen? Nicht ob.
Interior Scholarship – das AIT-Stipendium der Sto-Stiftung