Upcoming Architects Facing New Conditions – Interview mit Max Otto Zitzelsberger
Upcoming Architects nehmen Stellung, wie sie den Herausforderungen des globalen Wandels begegnen und wie sie ihre Position als Ideengeber, Neuschöpfer und Qualitätssetzer behaupten. Lesen Sie dazu hier das Gespräch mit Jun.-Prof. und Architekt Max Otto Zitzelsberger.
„Und dann haben wir das Dilemma: wenn wir bauen, beteiligen wir uns immer an einem Gentrifizierungsprozess. Wir beteiligen uns daran, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht, weil wir mit unseren Gebäuden Gegenden aufwerten und damit ganz klar forcieren, dass die Ärmeren dort verdrängt werden.“ Max Otto Zitzelsberger
GROHE: Würden Sie dem Titel dieser Interview-Reihe „Upcoming Architects Facing New Conditions“ zustimmen?
Jun.-Prof. Max O. Zitzelsberger: Dem stimme ich zu. Mein ehemaliger Chef, Florian Nagler würde sicherlich sagen, dass in jeder neuen Architekt*innen-Generation andere Bedingungen gelten, mit denen man sich auseinandersetzten muss. Die vorletzte Generation der Vorarlberger Architekt*innen beispielsweise hat damit angefangen, den Baustoff Holz zu ihrem zentralen Thema zu machen und beschritt damit neue Wege. An dieser Stelle kann man auch Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle nennen, die in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit protestierend aus der dortigen Kammer ausgetreten sind, weil ihnen die Ansprüche und Vorstellungen zum Thema guten Bauens nicht genügt haben. Es galt sich stets von der vorhergegangenen Generation abzugrenzen und das ist erst einmal ein ganz natürlicher Prozess. Da gibt es sicherlich unzählige weitere Beispiele.
Mit welchen neuen Konditionen sehen Sie sich konfrontiert?
Wir müssen uns mehr mit dem Bestand auseinandersetzen. Stichwort Einfamilienhaus: Darf man eigentlich sinnvollerweise noch neue Einfamilienhäuser bauen? Die nächste Fragestellung ist: Wie gehen wir mit den Baumaterialien um? Wir können natürlich im Moment noch mit vielen Dingen bauen, aber was ist verantwortungsbewusst? Und dann haben wir das Dilemma – das ist für mich die wichtigste Erkenntnis – wenn wir bauen, beteiligen wir uns immer an einem Gentrifizierungsprozess. Wir beteiligen uns daran, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht, weil wir mit unseren Gebäuden Gegenden aufwerten und damit ganz klar forcieren, dass die Ärmeren dort verdrängt werden. Darum suche ich immer wieder Bauaufgaben, wie die „Erkläranlage“, wo es beispielsweise um Inklusion geht, wo es um Holzbau geht, wo es um Bauen im Bestand geht. Dieses Projekt war einmalig und in jedem Fall eine sinnvolle, nachhaltige und gesellschaftlich relevante Bauaufgabe. Das Dilemma meiner Generation ist allerdings, dass wir nicht immer so genau sagen können, was eine sinnvolle Bauaufgabe ist.
Nehmen wir an, jemand kommt zu mir und sagt, er möchte eine neue Villa mit Swimmingpool. Da muss man sich schon fragen: Mag ich das in meinem Portfolio haben? Natürlich ist es nicht immer leicht zu klären, ab wann etwas Luxus ist. Im Falle der Villa stellt sich die Frage nicht. Es gibt aber so viele Projekte, die ein gewisses Maß an Luxus haben und wo man fragen muss: „Brauchst du das unbedingt? Könnte man nicht eigentlich mit weniger auskommen?“ Bauherr*innen neigen gerne dazu, vor allem, wenn das Budget stimmt, zu viel zu machen.
Es zeigt sich immer wieder: Letzten Endes prägen Bauherr*innen und Investor*innen allein die Bauprojekte unserer Zeit. Muss hier ein Umdenken stattfinden?
Ich glaube, wir sitzen alle in einem Boot. Darum mag ich auch keine Vorverurteilungen. Ich würde sagen, wir haben alle unseren Anteil dran! Wir als Architekt*innen können Einfluss nehmen und Dinge wie den Umbau statt dem Neubau, ein „Weniger ist Mehr“ statt einem „Mehr ist Geil “und kreislaufeffiziente Konstruktionen statt Verbundbaustoffe forcieren, weil wir kompetent sind und überzeugen können. Aber es ist eben auch schwierig. Was Sinn macht, ist gar nicht immer so leicht zu beantworten. Ich glaube, genau das ist unsere Herausforderung, dass wir Antworten finden müssen, obwohl nicht klar ist, wie die im besten Falle aussehen könnten. Die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten wurden zunehmend unklar und stellen einen vor das Problem, dass, egal wie entschieden wird, immer wieder neue Probleme generiert werden. Dieses Dilemma ist ein Phänomen unserer Zeit.
Bürophilosophie
“Ich baue wenig, lasse mir viel Zeit und versuche nach Möglichkeit einen gesellschaftlichen Mehrwert mit den Projekten zu erreichen. Meine Arbeit wird geprägt vom Banalen, vom Opulenten, vom Widerspruch. Ich versuche das Alte neu und das Gewohnte ungewohnt zu denken. Was „Architektur“ ist weiß ich nicht. Gutes Bauen kann im Moment nur unkonventionell sein.”
Über Jun.-Prof. Max Otto Zitzelsberger
Jun.- Prof. Max Otto Zitzelsberger (*1983), Architekt BDA, schloss 2009 sein Diplom an der Technischen Universität (TU) München ab. 2009 bis 2010 arbeitete er als freier Mitarbeiter in verschiedenen Architekturbüros in Deutschland und in der Schweiz. Im Anschluss war er bis 2017 im akademischen Rat der TU München, am Lehrstuhl von Prof. Florian Nagler „Entwerfen und Konstruieren“, tätig. Seit 2011 leitet und betreut er eigene Projekte, für die er bereits Preise und Auszeichnungen, wie den Weißenhof-Architektur-Förderpreis gewann. 2017 wurde er in den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) und in den Arbeitskreis Junge Architektinnen und Architekten (AKJAA) aufgenommen. Im Jahr 2019 erhielt er zusätzlich für seine Arbeit ein Stipendium der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom. Seit 2019 ist Max Otto Zitzelsberger als Juniorprofessor für Tektonik im Holzbau an der TU Kaiserslautern tätig.
www.maxottozitzelsberger.de
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