Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Peter Schäfer (Gensler Architekten)
Der Arbeitsmarkt befand sich schon vor Corona in einem radikalen Wandel. Viele sprechen von einem Ende der Sonderkonjunktur Büro. Wie stark wird sich Ihrer Meinung nach die Bürowelt langfristig verändern?
Es wird eine grundlegende Veränderung in der Bürowelt geben, die weit über die Krise hinausgeht. Selbst wenn ein Impfstoff gegen den Virus gefunden wurde, möchten viele Mitarbeiter nicht mehr so weiterarbeiten wie bisher. Die positiven Erfahrungen des Home-Office haben zu neuen Erkenntnissen und auch Anforderungen geführt. Ich denke, das Arbeiten von Zuhause wird ein grundlegender Bestandteil der neuen Arbeitswelt werden. Daraus resultierend könnten sich Büros verkleinern bzw. Büroflächen reduzieren, da das Individuelle Arbeiten verstärkt im Home-Office stattfinden wird.
Dennoch bleibt das Büro als Stützpunkt für die Zusammenarbeit der Mitarbeiter, für kreative Teamarbeit und als soziale Komponente ein sehr wichtiger Bestandteil der Arbeitswelt. Dieses Zusammenkommen und persönliche Treffen vermissen viele heute so sehr. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass alle Mitarbeiter gleichzeitig ins Büro zurückkehren, wir schlagen unseren Kunden derzeit eine stufenweise Rückführung vor. Wenn also nur ein gewisser Prozentsatz der Mitarbeiter abwechselnd zurück ins Büro kommen, bedingt dies eine Flächenreduzierung. Für Mitarbeiter mit kleinen Kindern oder diejenigen, die eine weite Anreisen haben, macht es keinen Sinn mehr, fünf Tage die Woche ins Büro zu fahren.
Sie haben wochenlang positive Erfahrungen mit dem Arbeiten von Zuhause gemacht und möchten auch zukünftig daran festhalten, was unter anderem auch der Umwelt und der Familie gut tut.
Ich denke, wir sind uns alle bewusst, dass sich die Arbeitswelt sehr stark verändern wird. Wir befinden uns an einer Wegegablung, die in Bezug auf die Arbeitswelt wesentlich weitgreifender als die derzeitige Virussituation ist. Ich hoffe, dass wir aus der Situation lernen und die richtigen Entscheidungen in Bezug auf Nachhaltigkeits- und menschliche Aspekte treffen.
Wie sieht konkret das Büro der Zukunft aus? Was sind die unverzichtbaren Kriterien und Erfolgsfaktoren?
Ein sehr wichtiges Element ist die Digitalisierung und die Anwendung und Integration der richtigen Werkzeuge und Programme. Die richtige Nutzung der Technik ist ein elementarer Bestandteil der neuen Arbeitswelt. Vielleicht wird bald ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz oder Büro wie ein Hotel buchen, um sich mit Kollegen in der gemieteten Bürofläche auszutauschen. Ich denke, dass uns die digitale Welt auch in der Gestaltung sehr stark behilflich sein kann.
In der Architektur wird es einen Wandel der Materialität geben. Wir sollten die Erkenntnisse aus anderen Bautypologien, zum Beispiel aus dem Gesundheitswesen oder Gastgewerbe, in die Bürowelt übertragen. Sei es die Anwendung neuer Materialien oder Technologien. Mittel- bis langfristig wird es eine stärkere Verschmelzung verschiedener Bautypologien geben.
Wenn das Home-Office Teil des neuen Büros wird, werden wir uns als Arbeitsplatzexperten sicher verstärkt auch die Wohnungen anschauen. Die Frage, die sich für uns stellt ist, wie können wir unseren Kunden helfen, dass auch das Zuhause ein effektiver Arbeitsplatz wird.
Grundsätzlich kann man sagen, dass sich die Arbeitswelten der Zukunft den neuen Techniken anpassen und umgekehrt. Es gibt gute Gründe, warum der Arbeitsplatz in der Vergangenheit so aussah wie er aussah. Es sind Gründe, die oft auf die zur Verfügung stehenden und verwendeten Technik und Geräte zurückzuführen sind. Wenn sich nun die Arbeitsweisen und die Arbeitsmaterialien wandeln, müssen wir offen für Veränderungen im Büro sein. Wir müssen mit dem Wandel der Zeit gehen und annehmen, was die Technik bietet, damit wir sie auch effektiv und richtig nutzen können. Es entstehen derzeit sehr interessante Bürogebäude, die durch künstliche Intelligenz täglich dazulernen, ihre Bewohner kennen, sie miteinander verbinden und ihnen Arbeitsprozesse abnehmen. Solche schlauen Gebäude bieten nicht nur dem Bewohner einen Service und Komfort, sondern steuern auch zu einer positiveren Umweltbilanz bei.
Sind die Arbeitswelten und der Wohlfühlfaktor der Mitarbeiter Teil der Unternehmensstrategie und der Unternehmensphilosophie geworden?
Nun hat aber jedes Unternehmen eine andere Philosophie und man hat innerhalb der Mitarbeiterschaft auch völlig unterschiedliche Nutzertypen.
Internationale Unternehmen haben eine ganz andere Herangehensweise und Unternehmenskultur als mittelständische Unternehmen im europäischen Raum mit ihrer nationalen Kultur. Je nach Unternehmen müssen wir die Konzepte individuell anpassen. Natürlich versuchen wir, den eher national arbeitenden Unternehmen ein wenig von den Internationalen Trends und Erfahrungen beizubringen. Den internationalen Unternehmen hingegen müssen wir immer wieder erklären, dass der deutsche Markt sehr speziell ist und es hier strenge Vorschriften gibt; was dann aber letztlich auch honoriert und respektiert wird und zu einer hohen Arbeitsplatzqualität führt. Unsere Kollegen in USA und UK sprechen in der ersten Stufe der Rückkehr ins Büro von einer Reduktion von circa fünfzig Prozent der Mitarbeiter, was schon eine sehr starke Veränderung bedeutet. Wenn wir uns unsere Standardlayouts in Deutschland anschauen, müssen wir nicht so extreme Einschnitte machen, da kommen wir schon mit ca. dreißig Prozent hin. Das rührt daher, dass wir in Deutschland schon immer ein offeneres Arbeitsumfeld hatten, in dem jeder Mitarbeiter einen privaten Bereich und eine großzügige Fläche zur Verfügung hat. In Deutschland ist es schon immer ein etwas anderes Arbeiten gewesen.
Lesen Sie das vollständige Interview mit Peter Schäfer auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.
Über Peter Schäfer
Mit über 18 Jahren Erfahrung als Architekt und Designer bringt Peter Schäfer Leidenschaft zum Design, Engagement und kulturelle Sensibilität in Projekte ein. Von der Konzeptphase bis zur Realisierung hat er mit Gensler in Europa, den USA und in China Arbeitswelten entwickelt.
Als ausgebildeter Architekt und erfahrener Designer hat er sich auf die Entwurfsphase an Büroprojekten spezialisiert und ein gutes Verständnis für den Kunden entwickelt, die er sich bei komplexen, oft großen Projekten in Architektur und im Innenausbau angeeignet hat. Mit umfangreicher Erfahrung in Europa konzentriert sich Peter Schäfer derzeit auf den deutschen Markt, hilft das Münchner Büro aufzubauen und arbeitet mit globalen und regionalen Kunden Arbeitsplatzkonzepte zu entwickeln und verbessern. (www.gensler.com)