Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Michaela Hauser (ATP architekten ingenieure)
Einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen sehen die Pandemie als Chance für unsere Baukultur. Können Sie dem zustimmen?
Die Krise löst sicherlich neue Denkanstöße aus und schafft neue Perspektiven. Baukultur ist für mich auch ein Spiegel der Gesellschaft. Ob die Krise so eingreifend ist, dass sie sich nachhaltig auf unsere Gesellschaft auswirkt, mag ich nicht beurteilen. Wohnräume werden sicherlich eine neue Bedeutung erhalten. Öffentlicher Raum spielt in Zeiten von Corona fast gar keine Rolle, das wird sich aber wieder zurückentwickeln, was ich mir sehr wünsche. Vor allem Kulturelles kann man nicht ausschließlich digitalisieren, es muss wieder an Präsenz gewinnen. Nachhaltig sehe ich keine Veränderung unserer Baukultur.
Für unser Tagesgeschäft sehe ich die Folgen eher kritisch und weniger als eine Chance. Denn, wenn es wirtschaftlich eng wird, reduzieren sich auch die Spielräume. Die Chance besteht meines Erachtens lediglich darin, Prozesse und Nutzungskonzepte neu zu überdenken. Ob die Gedanken dann am Ende des Tages auch zum Positiven genutzt werden, mag ich bezweifeln.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Hotelbranche generell entwickeln? Wird es mehr kleinere Hotels geben?
Ich bin davon überzeugt, dass sich der wahnsinnige Hotelboom der letzten Jahre reduzieren wird. Es wird sicherlich auch weiterhin Hotelneubauten geben, aber eben nicht mehr in dem großen Maßstab wie das in den letzten Jahren der Fall war. Man konnte sich nur wundern, wo und in welchen Lagen überall Hotels errichtet wurden. Das lag unter anderem auch daran, dass Wohngebäude an vielen Orten in Städten nicht genehmigungsfähig sind, wegen des Lärms bzw. aus städtebaulichen oder baurechtlichen Gründen. Dort, wo Wohnen also nicht zugelassen wurde, konnte stattdessen ein Hotel geplant werden. Aber auch solche Projekte werden weniger werden. Ob es nun unbedingt eine Tendenz zu kleineren Hotels geben wird, kann ich nicht beurteilen. Ich bin allerdings davon überzeugt, – und hier bin ich anderer Meinung als vielleicht viele andere – dass wir in einem Jahr privat wieder genauso viel reisen werden wie vorher. Ich kann es mir anders nicht vorstellen. Was ja nicht heißt, dass ich – schon allein aus ökologischen Gründen und der Umwelt zuliebe – nicht einen Rückgang der Reiserei befürworten würde.
Bislang wurden in den Hotels die Gemeinschaftsräume wie die Lobby oder der Barbereich groß gehalten, die Gästezimmer hingegen eher überschaubar. Könnte es nun möglicherweise zu einer Umkehr kommen, also hin zu großen Zimmern mit beispielsweise eigenen Gyms und dafür kleinere Gemeinschaftsräume?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Also, wenn man reist und in Hotels übernachtet, dann möchte man auch in Bars und Restaurants gehen können, statt sich in größeren Räumen in einer fremden Umgebung zu isolieren. Dann stellt sich die Frage, ob man nicht lieber ganz auf die Reise verzichtet oder sie zumindest verkürzt. Hotels und ihre Bar- und Restaurantbereiche verlieren auch nach Corona nicht an Attraktivität, sie bleiben auch weiterhin geschätzte Ort der Geselligkeit und des Austausches. Ich sitze doch viel lieber auf Abstand in einer Bar oder in einem Restaurant, als allein in meinem Zimmer. Ich hoffe, dass wir ausreichend soziale Wesen sind und die neue Situation der Abstandswahrung hinbekommen, ohne gänzlich auf das Gesellige zu verzichten.
Die Krise zeigt Grenzen der Globalisierung auf und steigert die Wertschätzung des Regionalen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Ich bin guter Dinge, dass es wieder mehr Produktion in Deutschland geben wird. Man hat die Vorteile der Globalisierung erfahren, damit aber auch ihre Grenzen und Risiken. Ich hoffe sehr, dass durch die Krise das Bewusstsein für das Lokale wieder gestärkt wird und das lokal produzierende Gewerbe davon profitiert. Ich denke dabei auch an viele unserer Kunden, Mittelständler mit guten Ideen. Ein starker Mittelstand bringt auch für uns Architekten neue Kundschaft. In Hinblick auf diese Entwicklung bin ich sehr zuversichtlich.
Ich glaube, dass auch der Konsument wieder bedachter mit Produkten und Ressourcen umgeht und damit auch unsere lokale Wirtschaft und Produktion wieder verstärkt eine Chance auf Wachstum hat. Ich würde mir wünschen, dass gewerblich und im Industriebau auch wieder mehr investiert wird, nicht ausschließlich Großkonzerne, sondern eben auch Mittelständler, die mutig sind und gute Ideen haben.
Lesen Sie das vollständige Interview mit Michaela Hauser auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.
Über Michaela Hauser
In München geboren, wurde Michaela Hauser nach kurzem Mathematikstudium an der Hochschule München zur Architektin ausgebildet. Mit sechs Jahren Erfahrung in verschiedenen Architekturbüros ging Frau Hauser zu Bothe Richter Teherani (BRT) nach Hamburg. 2011 gründete sie als geschäftsführende Gesellschafterin gemeinsam mit Kai Richter ein Studio in Hamburg. 2013 kehrte sie nach München zurück und übernahm beim Integralen Planer ATP architekten ingenieure (München) den Bereich Architektur mit Verantwortung für damals 28 Architekten und Architektinnen. Seit 2016 ist Frau Hauser Geschäftsführerin. (www.atp.ag)