Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Jurek M. Slapa (SOP Architekten) – AIT | AIT-Dialog

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Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Jurek M. Slapa (SOP Architekten)

Viele beobachten einen Wertewandel in der Gesellschaft. Können Sie diesen bejahen und wie wirkt dieser sich womöglich auf das Interesse oder Verständnis für Architektur aus? Und wie auf Ihre mittel- und langfristige Auftragslage bei sop Architekten? Schließlich wollen auch Architekten Geld sehen und das könnte fehlen.

Durch die Pandemie werden uns Verhaltensweisen aufgezwungen, die wir als soziale Wesen nicht gewohnt sind. Der Stillstand und die Isolation haben alte Lebensgewohnheiten und Werte über Nacht in Frage gestellt. Plötzlich war der Mensch gezwungen, sich mit sich selbst zu befassen und seine eigenen und die Bedürfnisse seines Partners oder seiner Familie neu zu entdecken. Menschen in Städten steigen aufs Fahrrad und joggen in den städtischen Parks. Dieses Momentum wird sicherlich Einfluss auf die zukünftige Stadtentwicklung haben, Grünflächen und Fahrradwege werden zunehmen.

Was die Gesellschaft meiner Meinung nach aber viel deutlicher trifft, sind die wirtschaftlichen Folgen, die aus der Krise resultieren und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich weiter verstärken werden. Denn die Auswirkungen der weltweiten Rezession treffen vor allem die Ärmsten, da brauchen Sie nur mal einen Blick auf die aktuelle Lage in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu werfen. Aber auch in Deutschland werden Städte und Kommunen, Unternehmen und Projektentwickler weniger finanziellen Spielraum für Investitionen haben und das wird sich natürlich auch auf den Bauund Immobiliensektor auswirken.

Krisen erreichen die Baubranche immer verspätet. Bestehende Verträge laufen und Projekte müssen fertiggestellt werden. Zudem war die Auftragslage jahrelang ungebrochen hoch, so dass wir uns teils vor Anfragen kaum retten konnten. Aber erste Vorzeichen einer Krise machen sich bemerkbar. Manche Aufträge werden verschoben, Vertragsabschlüsse kommen schleppender zustande. Das wird das grundsätzliche Interesse an Architektur nicht verändern, aber sicher gehen wir einer Zeit entgegen, in der wir uns beispielsweise wieder verstärkt mit Bestandsarchitektur und Revitalisierungen beschäftigen werden oder endlich und ernsthaft mit günstigem Wohnraum. Wir Architekten wurden in den letzten Jahren sehr verwöhnt, teilweise sind dabei die Maßstäbe verloren gegangen. Die Krise wird uns zum Umdenken zwingen und uns wieder zurück zu dem ewig geltenden Leitsatz führen: form follows function. Gute Architektur folgt einer guten Funktion – und nicht umgekehrt.

 

Corona löst keine Trends aus, es beschleunigt längst vorhandene. Um welche Trends handelt es sich konkret?

Corona beschleunigt die digitale Revolution und den gesellschaftlichen Wandel, der damit einhergeht. Die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz werden unsere Arbeits- und Lebensweisen stärker verändern, als es die Auswirkungen der industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert getan haben. Deutschland hat hier lange in einem Dornröschenschlaf gelegen. Der Ausbruch der Pandemie hat nun zahlreiche Unternehmen und Bildungsinstitutionen quasi über Nacht in das neue Zeitalter katapultiert. Und plötzlich haben viele Firmen bemerkt, dass es ja doch gar nicht so schwer ist mit dem Home-Office und den Videokonferenzen. Das gilt genauso für uns und unsere Branche.

Aber auch die negativen Folgen der Digitalisierung verstärken sich mit den neuen Regeln, die uns die Pandemie aufzwängt. Menschen ziehen sich zurück, kommunizieren verstärkt im virtuellen Raum und die soziale Interaktion nimmt ab. Vereinsamung, Egoismen und die Anfälligkeit für krude Theorien und Populismus sind die Folge. Auch der Wandel unseres Konsumverhaltens und damit der Wandel der Innenstädte wird durch Corona weiter vorangetrieben. Der klassische Einzelhandel stirbt noch schneller aus, zahlreiche Shopping-Center und Geschäfte in den Einkaufsstraßen stehen leer. Ein Umdenken findet hier bereits statt, wie die leeren Flächen anders genutzt werden können. Und natürlich gab der abrupte Stillstand ganzer Industriezweige, der Einbruch der Tourismusbranche und des Flugverkehrs der weltweiten Klimabewegung und Fridays for Future innerhalb kürzester Zeit Recht, welche positiven Auswirkungen eine entschleunigte Weltwirtschaft auf die Umwelt hat. Auch, wenn die Aufmerksamkeit hierfür durch Corona abgelöst wurde, das Bewusstsein für den Klimawandel hat zugenommen und wird auch die Architektur stark beeinflussen.

 

Wie sieht das Büro der Zukunft aus? Welche Anforderungen muss es nach Corona neu und mehr erfüllen?

Wir müssen uns auch in der Büroarchitektur mit Hygienekonzepten beschäftigen. Denn hier teilen viele Menschen über viele Stunden den gleichen Ort, Tag für Tag. Smarte Technologie wird Büros kontaktloser machen. Das automatische Öffnung von Türen und das smarte Bedienen von Fahrstühlen ohne Knöpfe berühren zu müssen, was wir schon aus Krankenhäusern kennen, aber auch automatische Lichtsteuerung, verbesserte Lüftungskonzepte oder der verstärkte Einsatz von Materialien mit antibakteriellen Oberflächen werden eine Rolle spielen.

Sicherlich wird es kein Zurück zu Einzelbüros in Zellenstruktur geben, aber große Flächen werden zunehmend in Zonen unterteilt, in denen sich kleinere Gruppen oder Teams aufhalten. Unterschiedliche Zonen, die einerseits Rückzug und konzentriertes Arbeiten für die einzelnen Beschäftigten ermöglichen, andererseits Kontaktflächen, in denen Austausch untereinander, aber auch mit Externen stattfindet, und variabel bespielbare und multifunktionale Flächen werden sich weiter durchsetzen. Räume, die auf Knopfdruck oder mit einfachen Umbaumaßnehmen vergrößert oder verkleinert und für Besprechungen oder mobile Arbeitsplätze genutzt werden können, garantieren die flexible Nutzung von Büroflächen und helfen mir als Unternehmer auf jede Situation entsprechend reagieren zu können. Und bei Bedarf auch Flächen schnell und unkompliziert untervermieten zu können.

Außenbereiche gewinnen an Bedeutung, genauso wie eine perfekt laufende IT-Infrastruktur. Wenn Geschäftstermine zunehmend im virtuellen Raum stattfinden, was nutzt mir dann ein repräsentativ gestalteter Besprechungsraum, wenn die IT nicht funktioniert?

 

Lesen Sie das vollständige Interview mit Jurek M. Slapa auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.

 

Über Jurek M. Slapa

geboren 1942 in Königshütte (Polen), studierte Architektur an der TU Krakau und der RWTH Aachen. Er war rund 20 Jahre für das Büro HPP Architekten in Düsseldorf tätig, wo er für einige Jahre die Wettbewerbsabteilung leitete. 1987 war er Mitgründer des Architekturbüros JSK Düsseldorf, in dem er bis 2010 gemeinsam mit Zbigniew Pszczulny und Helmut Oberholz Gesellschafter war. 2010 trennte sich das Büro von der JSK Gruppe und arbeitet seither unter slapa oberholz pszczulny, sop Architekten zusammen. Zu den bedeutsamsten Referenzen aus Salzas bald 50-jähriger Schaffenszeit zählen der Flughafen Frankfurt Airport Terminal 2 und der Düsseldorf Airport 2000plus, die Hafenspitze im Düsseldorfer Medienhafen, das Hochhaus Gap 15 oder das Stilwerk Düsseldorf.  (www.sop-architketen.de)

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