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Till Lenecke                                                 Till Schröder
                                                                             Foto: Philip Sawicki, Münster 2018

                                     1972 in Hamburg geboren  2011-2017 Studium Kommunikationsdesign  1989 geboren seit 2010 Bachelorstudium Germanistik und Philosophie,
                                     an der FH Aachen und Studium Illustration an der FH Münster seit 2017  Masterstudium Kulturpoetik der Literatur und Medien an der Uni versität
                                     selbstständiger Illustrator und Lehrbeauftragter an der MSA in Münster  Münster seit 2015 Freier Redakteur, Deutscher Architektur Verlag




                Samstag: Kirchen, Kunst und Hanse

                r 09:00  Uhr  –  Besonders am  Wochenende hat man in Münster nicht  viel Spaß am
                Autofahren. Die enorme Präsenz an Fahrrädern, für die die Stadt bekannt ist, ist also eher
                pragmatischer Natur als ein romantischer Tick der westfälischen Bevölkerung. Egal, ob
                man mit dem Pkw oder den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, ist es also zu empfehlen,
                sich an der Radstation am Hautbahnhof (1) erst mal ein Leihrad zuzulegen. Falls für die
                Entscheidung doch die Romantik verantwortlich sein sollte, steht dort auch ein Tan dem
                zur Wahl. Es bietet sich an, von hier zunächst in die Altstadt zu fahren und sein Rad in der
                Nähe des Prinzipalmarkts (2) abzustellen. Neben dem Historischen Rat haus (3), in dem
                der  Westfälische Frieden und somit das Ende des Dreißigjährigen Krieges  verhandelt
                wurde, kann hier eine abwechslungsreiche Auswahl von Münsters zahlreichen Kirchen –
                von der gotischen Liebfrauen- bis zur barocken Dominikaner kirche – besichtigt werden.
                Die meiste Beachtung gebührt dabei der Lambertikirche (4), an der Fürst bischof Franz
                von  Waldeck im 16. Jahrhundert Münsters größenwahnsinnige  Wie der täu fer in
                Eisenkäfigen aufhängen ließ, und natürlich dem bischöflichen St.-Paulus-Dom (5).
                r 11:00 Uhr – Auf dem Domplatz ist samstags Markt und so ergibt sich eine gute Gelegen-
                heit für ein spätes Frühstück oder frühes Mittagessen. Erbsensuppe, Reibeplätzchen und
                holländischer Kibbeling (gewürfelter Fisch in Bierteig) sind nur drei der etlichen hier frisch
                zu bereiteten Gerichte, die authentisch an Stehtischen oder Bierbänken genossen werden.
                Sollte man eine Mahlzeit außerhalb des Markttrubels bevorzugen, geht es in den um -
                liegenden Gasthäusern komfortabler, aber nicht weniger zünftig zu. Beim Kleinen Kie -  LWL-Museum (8) 2013 von • by Staab Architekten
                penkerl (6) oder bei Pinkus Müller (7) gilt es, die feine Auswahl aus der westfäli schen
                Traditionsküche oder bei Letzterem die hauseigene Biermarke Pinkus zu probieren.  Historisches Rathaus (3) Wiederaufbau 1958 von • by Heinrich Benteler, Heinrich Bartmann, Edmund Scharf
                r 14:00 Uhr – Auch wenn  es zunächst  etwas  gedauert  hat,  ist  der  alteingesessenen
                Münsteraner Bevölkerung moderne Kunst nicht fremd. Seit 1977 finden hier alle zehn
                Jahre die international beachteten Skulptur.Projekte statt, über die die Einheimischen
                nach anfänglichem Vandalismus und unverhohlenem Spott heute nur noch mit Stolz und
                Kennermiene sprechen. Inzwischen haben sich aus jedem Jahrzehnt einige Skulp turen
                angesammelt, die auch nach den Ausstellungstagen im öffentlichen Raum verbleiben
                durften und vielerorts besichtigt werden können. Wer weder nur Skulpturen noch aus-
                schließlich moderne Kunst sehen möchte, ist im LWL-Museum für Kunst und Kultur (8)
                gut aufgehoben, dessen epochenübergreifende Sammlung seit 2014 in einem Neubau
                von Volker Staab untergebracht ist.
                r 18:00 Uhr – Am frühen Abend bietet es sich an, ins Hansaviertel zu radeln. Neben
                einem sich stetig verdichtenden Netz an Cafés und kleinen Restaurants an Wolbecker
                Straße und Hansaring ist vor allem der ehemalige Güterhafen zum Standort verschieden-
                ster Gastronomien geworden. Auch wenn sich die meisten Lokale auf der Nord seite des
                Hafenbeckens angesiedelt haben, lohnt sich auch ein Besuch am gegenüberliegenden
                Ufer, um sich die  Söbbeke-Hafenkäserei (9) anzusehen, einen Neubau des Archi -
                tekturbüros Hartig Meyer Wömpner, eröffnet 2016. Ein paar Meter weiter setzt sich das
                soziale Projekt B-Side (10) dafür ein, dass die Gentrifizierung des Stadtteils die Lebens -
                qualität und kulturelle Diversität nicht allzu sehr einschränkt. Im ehemaligen Hill-
                Speicher bietet die Initiative außerdem Räume für Arbeitsgemein schaften aus dem
                Kreativsektor und organisiert diverse Aktionen, um diese zu erhalten.
                r 21:00 Uhr – Im Umfeld des Hafens kann man getrost den gesamten Abend verbringen.
                Der Hot Jazz Club (11) bietet Konzerte internationaler Jazz-, Blues- und Soulgrößen, am
                Hansaring reihen sich einige Bars aneinander und bei entsprechender Motivation können
                am Hawerkamp (12) bis in den nächsten Mittag einige alternative Musikclubs be sucht
                werden. Für die anschließende Übernachtung ist der Nordstern (13) im Kreuz viertel zu
                empfehlen, bei dem noch bis 3 Uhr nachts sowohl eingecheckt als auch das – so sagt
                man – beste Grillhähnchen der Stadt bestellt werden kann. Wer es vornehmer mag, kann
                sich auch für ein Zimmer im Designhotel Mauritzhof (14) (Entwurf: kresings architektur)
                entscheiden, kommt dann auf dem Nachhauseweg allerdings nicht noch einmal an der
                Lam berti kirche vorbei, von der nachts Münsters Türmerin halbstündig in ihr Horn bläst.


                                                                                                                             AIT 7/8.2018  •  031
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