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Text von • by Christian Schittich
                D   amals konnte man eine Produktentwicklung noch viel hemdsärmliger angehen,
                    heute schaut jeder Designer vor allem darauf, keinen Fehler zu machen“, erinnert
                sich der Gestalter Herbert W. Richter. Es ist das Ende der 1960er-Jahre, als der LS 990
                entsteht. Um sich bewusst zu machen, welch revolutionäres Gestaltungskonzept dem
                neuen  Programm  zugrunde  liegt,  muss  man  sich  vor  Augen  führen,  wie  ein  Licht -
                schalter damals üblicherweise aussieht: Der eigentliche Kippschalter ist kaum breiter
                als ein Finger und die große Blende außen herum dient vor allem dem Zweck, die
                Wand beziehungsweise  Tapete  vor der Hand des Nutzers  zu schützen. Doch der
                Hersteller Jung wollte einen flächigen Schalter und Herbert W. Richter hat ihn auf idea -
                le Weise umgesetzt. Inspiriert von der Philosophie des Bauhauses, die eine schnörkel-
                lose, am Gebrauchswert orientierte Gestaltung verlangt und auf elementare Formen
                setzt, re du ziert er das Design auf das absolut Wesentliche. Gleichzeitig greift er auf eine
                geo metrische Grundform zurück: das klassische Quadrat.

                Von der Bauhaus-Philosophie inspiriert

                „Im Prinzip hat sich die Form fast  von selbst ergeben“, meint dazu der Gestalter
                bescheiden. „Ich habe die Tech niker gefragt, wie groß die Flächen maximal sein könn -
                ten und aus dem größtmög lichen Stichmaß von 71 mal 71 Millimetern innen und dem
                Überdeckungsmaß von 81 mal 81 Millimetern ergab sich das Design: eine Schal ter -  Von Hand geschliffen: der LS 990 aus Messing • Polished by hand: LS 990 made of brass
                größe von 70 mal 70 Milli metern mit fünf Millimetern Rahmen außen herum.“ Mit der
                Ästhetik seiner reduzierten Form, der großen Bedienerfreundlichkeit durch die ebenen
                                                                              Für den flächenbündigen Wandeinbau: Modell LS Zero • For flush wall mounting: LS Zero model
                Flächen und seinem klaren Aufbau erfüllt das neue Programm nicht nur alle
                Ansprüche einer modernen Innenraumgestaltung, sondern wird zum Maßstab für die
                weitere Entwicklung von Lichtschaltern schlechthin. Heute, nach 50 Jahren, erfreut
                sich der LS 990 einer noch immer steigenden Beliebtheit bei Architekten und Innen -
                architekten und ist das umsatzstärkste Programm des Herstellers Jung, das mittler-
                weile in unzähligen Varianten und verschiedenen Materialien verfügbar ist. Gleich -
                zeitig handelt es sich beim LS 990 um den langlebigsten und erfolgreichsten Flächen -
                schalter der Branche. Denn mit seiner elementaren Form ist er ebenso zeitlos wie
                anpassungsfähig und integriert sich in jedes Architekturkonzept. Ob die damaligen
                Geschäftsführer und die Gestalter wohl geahnt haben, wie aktuell das Programm ein
                halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung noch ist?

                A  t the time, product development could still be seen more casually while, today, every
                   designer is above all careful not to make a mistake”, designer Herbert W. Richter
                remembers. It is the end of the 1960s when the LS 990 was developed. To become aware
                of the revolutionary design concept on which the new range was based, one has to
                remember what a light switch usually looked like then: The actual toggle switch was
                hardly wider than a finger and the large panel around it served above all the purpose of
                protecting the wall or the wallpaper around it from the user’s hand. But the manufacturer
                Jung wanted a flat switch and Herbert W. Richter designed it in an ideal way. Inspired by
                the philosophy of the Bauhaus which demands a design without frills oriented on the
                                                                              In 63 Le-Corbusier-Farben: Serie LS 990 Les Couleurs • In 63 Le Corbusier colours: LS 990 Les Couleurs series
                practical value and focuses on elementary forms, he reduced the design to what is abso-
                lutely essential. At the same time, he relied on a basic geometric form: the classic square.

                Inspired by Bauhaus philosophy

                “The form basically suggested itself”, the designer modestly explains. “I asked the
                technicians how large the areas could maximally be and the design resulted from the
                largest possible inside micrometre of 71 by 71 millimetres and the coverage of 81 by
                81 millimetres: A switch size of 70 by 70 millimetres with a five-millimetre frame
                around it.” With the aesthetics of its minimalist form, its high user-friendliness thanks
                to the flat surfaces and its clear construction, the new programme not only met all
                the requirements of modern interior design but also became the parameter for the
                further development of light switches as such. Today, 50 years later, the LS 990 enjoys
                increasing popularity among architects and interior designers and is the bestselling
                range of the manufacturer Jung which meanwhile is available in numerous variants
                and different materials. At the same time, the LS 990 is the most durable and most
                successful flat switch in the sector. This is because with its elementary form it is as
                timeless as it is adaptable and can be integrated in any architectural concept.
                Whether the managing director and the designers at the time had any idea how up-
                to-date the programme would still be half a century after it was developed?



                                                                                                                             AIT 1/2.2018  •  029
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