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Entwurf • Design burkhalter sumi architekten, CH-Zürich
                Bauherr • Client Hess Investment AG, CH-Amriswil
                Standort • Location Morgartenstrasse 5a, 8004 CH-Zürich
                Nutzfläche • Floor space 2.200 m  2
                Fotos • Photos Heinz Unger, CH-Zürich
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                Dezente Elemente aus Messing und Holz unterstreichen ... • Unobtrusive brass and wood elements emphasize ...  ... die konservierten Wand- und Deckenmalerien. • ... the preserved wall- and ceiling painting.



                von • by Anna Katharina Göb
                N   ur wenige Gehminuten vom Zürcher Hauptbahnhof entfernt versteckt sich dieses  schwand die Schönheit der Jugendstilhalle unter monochromen Farbanstrichen für eine
                                                                              Autogarage und wich damit, durch die aufwendige Einziehung zusätzlicher Ebenen sowie
                    wahre Goldstück an architektonischer Geschichte. Wo bis vor wenigen Jahren noch
                ein unscheinbares blau-weißes Vordach auf den Zugang zu der im Hinterhof gelegenen,  eines Schwerlastaufzuges, der Funktionalität der aufkeimenden Automobilzeit. Noch bis
                ehemaligen Stadthalle und späteren Autogarage verwies, lädt nun ein goldfarbenes Tor  2017 konnten hier Autos geparkt, gemietet und repariert werden. Doch auch diese Ära
                in den Hauptsitz von Schweiz Tourismus ein. Seit Juli 2019 fördert die Marketingorgani-  ging aufgrund der Diskrepanz zwischen Kosten und Nutzen zu Ende.
                sation aus ihrem hier neu verorteten Hauptquartier die Nachfrage der Schweiz als Reise-
                und Kongressland im In- und Ausland. Dass der neue Standort mit einer so vielseitigen  Vergangenheit und Zukunft erhalten ein neues gemeinsames Dach
                und für die Stadt bedeutsamen Geschichte aufwarten kann, macht ihn zu einem idealen
                Ausgangspunkt für die Interaktion der landesgeförderten Öffentlichkeitsarbeit. Aus die-  Angelehnt an den berühmten, landesprägenden Gotthardtunnel stellt der neue goldfar-
                sem Grund legten die verantwortlichen Architekten von burkhalter sumi architekten ge-  bene, tunnelförmige Zugang auf den ersten Blick die offensichtlichste Änderung innerhalb
                meinsam mit den Innenarchitekten von Büronauten großen Wert auf die Restauration  der jüngsten Umnutzung der Halle dar. Im Inneren sind die Veränderungen nicht weniger
                der erhaltungswürdigen Substanz sowie deren Untermalung mit exklusiven und regio-  spektakulär. Den Architekten war es ein besonderes Anliegen, vor allem das ursprüngli-
                naltypischen Elementen, wie der ausladenden und innerhalb des Gebäudes sehr präsen-  che Raumgefühl des Saals vom Bo den bis zur Decke erneut spürbar zu machen. Dafür
                ten, geschwungenen Rampenanlage als Synonym für die berühmte Serpentinenstraße  wurden zwei Deckenfelder unter den sanierten Oberlichtern geöffnet, die so in der Form
                Tremola. Auch weitere bekannte Passstraßen- und Bergnamen sowie regionale Seen fin-  von Atrien eine Belichtung des Gebäudeinneren via Tageslicht bis ins Erdgeschoss ermög-
                den hier in Kombination mit ihren jeweiligen Höhenangaben einen Platz – als Bezeich-  lichen und zugleich die filigranen, genieteten Stahlfachwerke der denkmalgeschützten
                nung der einzelnen Büro- und Meetingräume. Auf diese Weise werden auf über 800 Qua-  Deckenkonstruktion wieder zur Geltung bringen. Die oberste Garagendecke wurde vor
                dratmetern Fläche auf jeweils drei Etagen die einstigen Gebäudenutzungen beziehungs-  dem ehemaligen Bühnenbogen und entlang der Ostfassade längsseitig zurückgeschnit-
                reich und elegant zusammengeführt, um die neue, dritte Epoche einzuleiten.  ten, um den Übergang von der Wand zur gevouteten Decke freizulegen. Auf diese Weise
                                                                              wird auch der Raum auf der ursprünglichen, längsseitigen Galerie wieder erlebbar und
                Eine Stadthalle wird zum repräsentativen Aushängeschild       mit zusätzlichen Blickbeziehungen sowie einem spannungsreichen Spiel aus unter-
                                                                              schiedlichen Raumhöhen ergänzt. Neben der raumeinnehmenden Rampenanlage dient
                Durch den gewagten Entwurf des Architekten Oscar Brennwald, die Stadthalle im Jahr  ein dreiseitig verglaster Aufzug der neuen Erschließung von drei Etagen mit mannigfalti-
                1906 über eine Länge von 40 Metern und eine Breite von 20 Metern stützenfrei zu errich-  ger, offener Bürofläche und eingestellten Boxen für Rückzugsmöglichkeiten und Privat-
                ten, punktete sie bereits in ihrem ersten Leben mit beeindruckender Architektur. Die im-  sphäre. Die konservierten Decken- und Wandmalereien, die erst wieder im Laufe der Sa-
                posanten Räu me waren mit Boxkämpfen und Tanzveranstaltungen, Firmenanlässen und  nierung zum Vorschein kamen, ergänzen das Bild der beeindruckenden Anmutung der
                Essensausgaben der Heilsarmee sowie unterschiedlichen Messen und Kundgebungen 40  einstigen Hallenpracht. In Kombination mit den freigelegten Lisenen und den neu geöff-
                Jahre lang Teil des gesellschaftlichen Lebens in Zürich. Gerade durch die Möglichkeit  neten Fenstern, die auf einer Gebäudeseite bislang nur angedeutet waren, entstehen
                einer großflächigen Bestuhlung – im Erdgeschoss und auf der umlaufenden Galerie – war  helle, prächtige Innenräume. Die ursprünglichen Rundbogenfenster werden durch neue
                das zweigiebelige Gebäude als Veranstaltungsort für bis zu 1.400 Personen besonders at-  Kastenfenster geschützt. Zur Erfüllung der aktuellen energetischen Anforderungen wurde
                traktiv. Doch die zunehmende Errichtung konkurrierender Hallen und Kongresshäuser  die Fassade von außen gedämmt und mit dunkelgrauem Kratzputz versehen. Damit be-
                führte in den 1940er Jahren dazu, dass die Stadthalle nicht mehr lukrativ war. So ver-  ginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Halle mit vielen Gesichtern.

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