Page 138 - AIT0616_E-Paper
P. 138
BAR HOTEL RESTAURANT • BAR HOTEL RESTAURANT THEORIE • THEORY
schied sich die junge Bauherrschaft für die ebenfalls jungen und ambitionierten Architekten Buchner Bründler aus
Basel. Zusammen erkannten sie die Chance, das Hotel zu seinen Wurzeln zurückzuführen und ihm gleichzeitig eine
Perspektive für die Zukunft zu geben. Dies geschah in fünf Bauetappen (vier davon mit Buchner Bründler) zwischen
2006 und 2015 – mit der Wiederherstellung von großzügigen Grundrissen und Panoramafenstern und einem zum Haus
passenden Möbeldesign. So erhielt das Viersterne-Superior-Hotel, das bei der bernischen Denkmalpflege als „erhal-
tenswert“ figuriert, Schritt für Schritt seine räumliche Dramaturgie und zeitlose Ästhetik zurück. Elegante und zeitlose
Wohnräume für Gäste mit hohen Wohn ansprüchen schaffen, lautete 2008 die an Buchner Bründler Architekten
gestellte Aufgabe beim Umbau von vier Suiten. Sie gingen sie mit neuen Raumproportionen und der Verschiebung
des Wohnraums nach Süden an, auch mit von zwei Seiten begehbaren Bädern und einer hohen Qualität der
Foto: zvg Materialien. Edles Ulmen- und Nuss baum holz sowie Klassiker des Möbeldesigns − Gerrit Rietveld, Norman Cherner,
Konstantin Crcic und Antonio Citterio − vermitteln dem Gast das gute Gefühl, umsorgt und aufgehoben zu sein.
1990: Umbau-Pläne mit Holzfassade • Plans with wooden façade
In vier Etappen mit Buchner Bründler Architekten in eine neue Moderne
2006: Panoramafenster mit Buchner Bründler • Panoramic windows
Das Hallenbad aus dem Jahr 1972 mit seiner klaren Geometrie und dem natürlichen Licht galt als Referenz für den
Um- und Erweiterungsbau. Die ursprüngliche Größe des Bassins von 8 auf 16 Meter konnte beibehalten werden.
Sichtbeton, Fichtenholz und ein dunkelgrüner Terrazzo-Boden vermitteln nun eine räumliche und materielle Groß -
zügigkeit. Ein Kontrast zum weiten, lichtdurchfluteten Hallenbad bildet der Sauna- und Bädertrakt mit seinen vier
Heißluftbädern. Dieser Raum wurde neu geschaffen und dem Berg abgerungen. Als Inspirationsquelle diente den
Architekten eine kristalline Höhle: Trutzig und steinern das Gehäuse, „behaglich-grottig“ das Innere, das, je weiter
man sich nach innen bewegt, farbiger und edler wird. Mehreckig geformte Betonzellen, die mit farbigem Glasmosaik
ausgekleidet sind, schaffen ein neues Raumkontinuum. Die zwei noch folgenden Umbauten von 2013 und 2015 wur-
Foto: Mark Niedergang Buchner Bründler schlugen den Rückbau des 1974 erstellten Erker-Anbaus im Erdgeschoss vor, um dem Mutterhaus
den in enger Zusammenarbeit mit dem Heimatschutz realisiert. Beide Umbauten tangierten die historische Fassade.
von 1931 seine räumliche Dramaturgie zurückzugeben: frontaler Eingang in der Mitte, flankierend auf beiden Seiten
Speisesaal und Halle. Der Heimatschutz begrüßte diesen Vorschlag, worauf er realisiert wurde. Eine weitere Heraus-
forderung dieses Umbaus bestand darin, dass das Haus wieder stärker als einheitlicher Komplex verstanden wird.
2008: Neue Suiten im Gartenflügel • New suites in the garden wing
Eines der dafür gewählten Mittel sind die wiederaufgenommenen Panoramafenster. Für die Gestaltung der Halle 2013
schlugen Buchner Bründler Architekten die Wiederaufnahme alter Strukturen vor – so zum Beispiel der Säulen und
Kassettendecke in neuer Materialisierung. Durch die Bereinigung der Deckenhöhe konnte sowohl in der Halle als
auch im Speisesaal Raumhöhe gewonnen werden, womit der Auftritt des Hotels an Großzügigkeit und Eleganz
gewinnt. Für einen optimalen Zusammenhalt der Räume wurde ein sich über die gesamte Fläche des Erdgeschosses
erstreckendes Fischgratparkett in Eiche gewählt. Vintage-Leuchten und -Möbel ergänzen die zeitgemäße Einrichtung.
Auf Auktionen und bei Vintage-Händlern fand das Hotel charmante Möbelklassiker von Finn Juhl, Hans J. Wegner,
Gio Ponti und Eero Saarinen. Diese Stücke beseelen die neuen Räume und spiegeln die lange Tradition des Hauses
Foto: Mark Niedergang Letzter Bauabschnitt: 21 Frontzimmer mit HMS Architekten
und das Bewusstsein für Qualität und Geschichte wider.
Die Sanierung der 21 Südzimmer 2015 mit HMS Architekten erwies sich als einer der komplexesten Umbauten des
2009: Umbau Hallenbad von 1972 • Conversion of the indoor pool
Hotels. Schließlich ging es darum, dem Bedürfnis des Gastes nach mehr Raum und mehr Aussicht nachzukommen,
ohne dabei das harmonische Erscheinungsbild des Hotels von außen zu verletzen. Im Rahmen des Umbaus wurden
nachträglich eingebaute Zwischenwände entfernt und die originale achtteilige Raumstruktur der 1930er-Jahre wieder
hergestellt. Die neuen großzügigen Einheiten bestehen aus je zwei ursprünglichen Zimmerrastern, die durch die
räumliche Differenzierung in Wohn- und Schlafbereich erlebbar werden. Die Einrichtung der neuen „Classic“-
Südzimmer, die den Bergblick in Szene setzen, orientiert sich konsequenterweise an der Raumgestaltung des 2013
umgebauten Erdgeschosses. Das Fischgratparkett erinnert an die Entstehungszeit des Hotels, Kelim-Teppiche sorgen
für Behag lichkeit, und bei Schränken und Stauvorrichtungen griffen die Planer auf das Jonc-Geflecht zurück, das
Foto: Mark Niedergang und charmante Mid-Century-Möbelklassiker von Carlo Mollino und Charlotte Perriand lassen die Herzen der desig-
man von Bistrostühlen her kennt. Nussbaum- und Eichenholz sowie schwarzer Marmor setzen materiell die Akzente,
naffinen Gäste höherschlagen. Je mehr Aussicht ein Hotelzimmer bietet, desto besser lässt es sich verkaufen. Auf
dieses betriebliche Argument, das Panorama erlebnis für den Gast zu intensivieren, ging der in den Umbau
involvierte Heimatschutz ein. Er zeigte sich offen und gesprächsbereit für den Einbau zusätzlicher Fenster an den
2009: Umbau Thermen- und Saunatrakt • Conversion of the thermal baths
beiden Außenseiten. Allerdings fand der erste Vorschlag der Architekten, Vollverglasungen ohne Rahmen und
Sprossen zu realisieren, keinen Gefallen. Die neuen Fenster sollten sich in ihrer Art an den bestehenden orientieren,
argumentierte der Heimatschutz. Altes Bildmaterial förderte denn auch zutage, dass die Originalfassade von 1931
nicht nur Sprossen, sondern auch querliegenden Oberlichtfenster (Kämpfer) hatte – ein Argument, das Bauherrschaft
und Architekten gleichermaßen überzeugte. In einer ebenfalls intensiven und konstruktiven Auseinandersetzung
fanden Bauherrschaft, Architekten und Heimatschutz auch hinsichtlich der neuen Fenstereinteilung zu einer für alle
Parteien befriedigenden Lösung. Wenn auch der Heimatschutz seinen Vorschlag präferierte, der darin bestand, das
neu eingesetzte Fenster an den beiden Gebäudeseiten stärker von der Ecke abrücken zu lassen (damit die
Foto: Mark Niedergang setzten Version zufrieden, zumal sie der neuen Grundrissstruktur besser gerecht wird und auch ästhetisch
Ecksituation besser gefasst ist), zeigte sie sich mit der von den Architekten vorgeschlagenen und schließlich umge-
überzeugt. Eine Auffrischung erfuhr auch der Westtrakt Gartenflügel. Mit der dunkleren Farbe und den voll verglas-
ten Fenstern ordnet sich dieser zurückversetzte Bau nun klar dem Hauptgebäude unter.
138 • AIT 6.2016