Page 137 - AIT0616_E-Paper
P. 137
Franziska Richard Entwurf • Design Buchner Bründler, CH-Basel/ HMS Architekten, CH-Spiez
Bauherr • Client Familie Richard, CH-Adelboden
1968 geboren 1989–1992 Hotelfachschule Thun HF, Diplom 1994–1998 Journalistikstudium in Zürich, Diplom HF Standort • Location Parkhotel Bellevue, CH-Adelboden
1998–2007 Freie Journalistin u. a. für Hochparterre, Schweizer Hotel Journal 1998–2007 Co-Direk torin Parkhotel Fertigstellung • Completion 2015
Bellevue+Spa, Adelboden 2009-2012 Studium der Übersetzung, Zürich seit 2009 Inhaberin Richard Texte Fotos • Photos zvg, Mark Niedergang, Andrea Diglas, Ruedi Walti
Entwurf für Adelboden war ebenfalls bedingungslos modern. Dies stieß im Dorf auf Unverständnis. Die 98-jährige
Adelbodnerin Vreni Oesterle erinnert sich: „Man war schockiert. Das neue Bellevue war ein Fremdkörper in der
Landschaft. Niemand fand das schön und niemand konnte den abrupten Wechsel vom gemütlichen Holzhaus zu
diesem Steinklotz verstehen.“ Trotz der Entrüstung der lokalen Bevölkerung gelang es dem Hotel, ein Publikum für
diese neue Modernität zu finden. Schließlich genügte das Hotel auch materiell höchsten Komfortansprüchen. Wie
alte Prospekte zeigen, spielte man mit dieser neuen Ästhetik und dem Lebensgefühl der neuen Zeit. Die „Luftigkeit
des Hotels“ wurde auch in der Werbung betont. Hansueli Bohren, ein Neffe der Hotelgründerin Elisabeth Richard-
Bohren, meint: „Der Bau galt als etwas ganz Besonderes, als sehr ex-klusiv.“ Exklusiv war das Bellevue in der Tat.
Denn das vom Bundesrat nach dem Ersten Weltkrieg erlassene Hotel bau verbot – es hatte bis nach dem Zweiten Welt-
krieg Gültigkeit und diente dem Schutz der bestehenden, darnie der liegenden Hotellerie – machte den Bau von neuen
Hotels unmöglich, was auch erklärt, weshalb die Hotelbauten dieses Stils so rar sind. Das Parkhotel Bellevue erhielt Fotos: zvg
als Ersatzbau eine Baubewilligung. In Adelboden war und blieb es das einzige Hotel im Stil der klassischen Moderne.
1901: Hotel Bellevue als Holzbau • A wooden construction
Die klassische Moderne progressiv weiterbauen
Eine bedeutende Person für die Architekturgeschichte des Bellevue war Beat Richard (1931–2001), der jüngere Sohn
1931: Neubau von Urfer & Stähli • New building by Urfer & Stähli
der seit 1935 verwitweten Elisabeth Richard-Bohren. Fasziniert von der neuen Architektursprache – er studierte
einige Semester Architektur an der ETH Zürich – lag ihm viel daran, die progressive Bauweise im elterlichen Hause
wei terzuführen. Einfluss nahm der architekturaffine und vielseitig begabte junge Mann bereits 1958 – beim damals
noch von seiner Mutter realisierten Erweiterungsbau in Südwestlage, wo ein neues Restaurant mit Veranda entstand.
1969 realisierte Beat Richard den Bau des Scotch Clubs 69, eines ausgesuchten Bar- und Abendlokals, und die
Neugestaltung des Gartens, den er mit spielerischen Betonelementen versah. 1971 – nach dem Tod seiner Mutter 1970
− schied Beat Richard aus dem Familienbetrieb aus. Das Hotel ging an seinen älteren Bruder Hans-Rudolf Richard
(1928−2007) über, der dieses mit seiner Frau Julia bis 1995 erfolgreich führte. „Das Hotel ist ein Cha mä leon“, pflegen
Architekturhistoriker zu sagen. Keine Bauaufgabe passe sich so schnell dem herrschenden Zeitgeist an, und dies
nicht immer nur zu deren Vorteil. Nicht anders war es im Parkhotel Bellevue. Rustikalität lautete das neue
Schlagwort und Erfolgsmodell des Tourismus, möglicherweise vergleichbar mit dem heute angesagten „Alpen
Chic“. Die von Hans-Rudolf Richard und seiner Frau Julia zwischen 1974 und 1991 realisierten Umbauten orientierten
sich – als Antwort auf den herrschenden Zeitgeschmack – an einem rustikal angelehnten Stil. Im zuvor lichtdurch-
1930er Jahre: Komfortzimmer im Prospekt • comfort room in the brochure
fluteten Restaurant von 1958 verschwanden die großen Fensterpartien. Viel Holz kam rein, den Gästen gefiel das.
Dies ermunterte das Paar, 1983 den Zimmeranbau Gartenflügel zu realisieren. Dieser musste auch den damaligen
örtlichen Auflagen entsprechen: Satteldach und eine Fassade mit dominierendem Holzanteil. Der Anbau mit 15 kom-
plett unterschiedlich gestalteten Zimmern war aus kommerzieller Sicht der erfolgreichste Bau in der Geschichte des
Hotels. Architektonisch hat er allerdings seine Spuren hinterlassen − wie auch die Veränderung der Eingangssituation
im Jahr 1974. Für das strenge Auge harte Prüfungen, ganz abgesehen davon, dass diese postmo dernen Eingriffe das
Herz von Beat Richard bluten ließen.
Anpassung an den Vorgängerbau? Nicht mit der Denkmalpflege!
1990 stand die Renovierung sämtlicher Südzimmer im Haupthaus an. Hans-Rudolf Richard, mittlerweile 63-jährig,
schwebte die Veränderung des Bellevue-Gesichts vor, um dieses dem 1931 abgebrannten Vorgängerbau von 1901 anzu-
passen: mit Ecktürmen und einer kompletten Holzverschalung. Ein Architekturbüro begann zu zeichnen. Die schon fast
1983: Zimmeranbau Gartenflügel • Garden wing with additional rooms
groteske Darstellung hatte allerdings wenig Gemeinsamkeit mit den viel schlichteren Zeichnungen und Vorstellungen
von Hans-Rudolf Richard. Gleichwohl gelangte die Zeichnung zur kantonalen Denkmalpflege und zum Heimatschutz,
die an diesem Vorschlag – wen wundert’s – keinen Gefallen fanden. Sie argumentierten, dass Neues nicht in der Art
vergangener Epochen nachgebaut werden soll und darf. Schon gar nicht, wenn hinter der historisierenden Maske ein
bauhistorisch wertvolles Gebäude verschwindet. Die Einwände der Denkmalschützer vermochten Hans-Rudolf
Richard zu überzeugen: Er ließ den Umgestaltungsplan der Fassade von 1990 fallen. Möglicherweise haben auch die
heftigen Einwände seines Bruders Beat zu diesem Umdenken geführt. Jedenfalls hat der 2007 verstorbene Seniorchef
seinen Nachkommen ein architektonisches Bijou vermacht. Die „Fassadendebatte“ von 1990 ging natürlich nicht
ungehört und spurlos an der dritten Generation vorbei: an Andreas, Franziska, Bernhard und Hans-Richard und
Annemarie Stähli-Richard (Jahrgänge zwischen 1967 und 1974). Die Sensibilität für den Wert der bauhistorisch rele-
vanten Bausubstanz wuchs zusehends bei den Geschwistern, zumal sie sich teilweise in ihren angestammten Berufen
mit dieser Thematik auseinandersetzen. Für den anstehenden Restaurant-, Bar- und Zimmerumbau von 2006 ent -
AIT 6.2016 • 137