Newcomer

Stipendiaten-Blog: Nina Kaul

 

Interior Scholarship – das AIT-Stipendium der Sto-Stiftung

Blogbeitrag März 2018

Es ist Ende März, ich sitze im Flugzeug von Ahmedabad über Dubai nach Hamburg. Im Frachtraum befinden sich 29kg Heimat, unglaubliche Eindrücke, Erinnerungen, ein Moskitonetz, eine Prise Zimt und einige Fundstücke, die mich die letzten fünf Monate begleitet oder gefunden haben. Meine Indienreise ist hiermit zu Ende. Die Zeit scheint in Indien schneller zu vergehen, besonders, wenn man Vollzeit arbeitet und in jeder freien Sekunde verreist. Ich bin sehr dankbar, dass mein Praktikum mir dazu die Möglichkeit gegeben hat.

Meine erste Reise führte mich nach Kerala in Südindien. Die Reise startete in Kovalam, es ging nach Varkalla an den Strand wo ich mein erstes Weihnachten fern von zuhause verbracht habe. Hier wurde auch Weihnachten zelebriert, allerdings mit viel Lametta und Kitsch. Danach ging es mit dem Zug nach Kollam, von wo ich mit einem Boot durch die Backwater bis nach Alappuzha gefahren bin. Anschließend begab ich mich auf eine lange Busreise hoch hinaus in die Berge von Munnar. Das erste Mal angenehme Temperaturen, frische Höhenluft und etwas Natur und Raum zum Atmen für mich. Hier habe ich die Flora und Fauna der Teeplantagen und Gewürzgärten erkundet und bin anschließend noch höher hinaus in den Nationalpark gewandert. Hier findet man gigantische Elefantenfußabdrücke, Stachelschweinstacheln und eine fantastische Aussicht mit frischem Wind um die Nase. Im Kontrast dazu und zum Abschluss meiner Reise verbrachte ich Silvester im Trubel von Cochin.

Im Januar ging es für einen Kurztrip mit dem Nachtbus nach Bhuj und von dort aus mit dem Motorrad in die Salzwüste von Kutch. Rann of Kutch ist ein zeitweise überfluteter Salzsumpf zwischen Indien und Pakistan, der im Winter zu einer Salzwüste austrocknet. In den kleinen Dörfern ringsherum werden traditionelle Handarbeiten verkauft.

Ende Januar reiste ich über Kota, (von hier stammt der in Indiens Architektur häufig verwendete Kotta Stein) nach Bundi in Rajasthan. Eine Stadt dessen Architektur von einem blauen Pigment durchzogen ist. Am Hang eines Hügels befindet sich Garh Palace mit zahlreichen Freskenmalereien des 17. bis 19. Jahrhunderts mit Themen aus der Mythologie sowie der Geschichte der Stadt und des Lebens am Hofe. Einige Bilder sind interessante Darstellungen der Architektur in Grundriss und Ansicht zugleich.

Im Februar besuchte ich Chandigarh, eine Planstadt die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts nach den Plänen von Le Corbusier errichtet wurde. Die Stadt unterscheidet sich stark von dem Rest von Indien den ich bis dato kennen gelernt habe. Sie ist streng in Sektoren aufgeteilt, sauber und in dem geordneten Verkehr begegnen mir kaum Menschen. Ich besichtige, den Kapitol Komplex mit dem Justizpalast und der „offenen Hand“ Skulptur sowie die Art Gallery. Corbusier beschäftigt sich in seiner Architektur mit den dortigen Klimabedingungen. Der Tower of Shadow lässt er als eine Art Studie der Sonne errichten. Er schirmt die Sonne von allen Seiten und Tageszeiten ab, lässt aber dennoch genug Licht und Wärme ins Gebäude dringen, um eine offene Architektur in einem warmen Land generieren zu können. Diese ganze Stadt scheint sehr unwirklich, fast unheimlich, eher wie eine Zeitreise in die fünfziger Jahre.

Nächstes Reiseziel auf meiner Reiseliste war Indiens Hauptstart Delhi und anschließend das Taj Mahal in Agra. Ja es ist umwerfend, besonders aus der Ferne.

Zu guter Letzt ging es für mich an einen ganz besonderen Ort namens Varanasi, eine der ältesten Städte Indiens und der heiligsten Stadt des Hinduismus. Für die Hindus gilt es als Ritual sich im Ganges zu waschen, um sich von den Sünden zu befreien und nach ihrem Tod am Ufer verbrannt zu werden, damit die Asche in den Fluss gestreut werden kann.

Nach all den Moscheen, Tempeln, Stepwells und indischen Privathäusern, die ich besichtigen durfte, gab es ein ganz besonderes architektonisches Highlight direkt in Ahmedabad: Balkrishna Doshi gewinnt als erster Inder den Pritzker Preis für sein Lebenswerk. Der 90-jährige Architekt hat eng mit Le Corbusier und Louis Kahn zusammengearbeitet und ist für seinen sozialen Wohnungsbau bekannt.

Die Arbeit im 11. Stock von Mondeal Square bei Blocher Partners ist nach einigen Wochen zum Alltag geworden. Mit der Unterstützung von Chai und Reshma sowie der persischen Windhündin werden hier Malls, Privatresidenzen, Bürogebäude und Resorts im großen Stil geplant. Das alles passiert in enger Zusammenarbeit mit dem Partnerbüro in Stuttgart. Ich durfte bei einem Playschool Projekt das Interior Konzept ausarbeiten, einen Empfangstresen für das Goethe Institut in Kolkata entwerfen, einen Retail Store auf kleinstem Raum planen, Möbel, Material und Farbe für Privathäuser auswählen und Präsentationen für Kunden erstellen und präsentieren. Da moderne Wörter oder Fachtermini in Indien meist nur auf Englisch existieren, konnte ich auch Diskussionen oder Verhandlungen auf Hindi einigermaßen ihre Kernaussage abgewinnen. Größtenteils wurde im Büro aber sowieso Englisch gesprochen.

Der Abschied von meinen Kollegen, die zu engen Freunden geworden sind und all den Menschen die mich durch meinen wilden Alltag begleitet haben, fällt mir sehr schwer. Die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, die mir dort begegnet ist hat mich rund um die Uhr umsorgt. Ich habe mich kein einziges Mal alleine oder unwohl als allein reisende Frau in Indien gefühlt. Danke an die ganzen Familien, Freunde und Bekannte, bei denen ich unbekannterweise so herzlich aufgenommen wurde, um meine Reise durch Indien zu bestreiten. Ich habe noch nicht alles von Indien erkundet, die Menschen und den täglichen Wahnsinn auf den Straßen zu sehr ins Herz geschlossen – ich werde definitiv wiederkommen. Vielleicht um zu reisen, vielleicht um zu arbeiten oder um ein Thema für meine Master Thesis zu finden.

Zurück in Deutschland geht es auch gleich mit dem neuen Semester meines Masterstudiums an der Burg Giebichenstein los. Zum Auftakt und Warmup erarbeiten wir Variationen von Wandgestaltung, die ich mithilfe von Wandabwicklungen und Collagen visualisiere. Ziel des Semesters wird es sein ein Hotelzimmer im Airport Hotel bei Leipzig zu entwerfen.

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