Trend Customizing – Leitartikel im Newsletter
In den letzten Jahren zeichnet sich der Trend „Customizing“ immer mehr ab. Der Wunsch nach Individualität und besserer Anpassung eines Serienproduktes an eigene Bedürfnisse wird immer stärker. Der Mensch ist von Natur aus einzigartig – ebenso sein Denken, sein Handeln und sein Stil. Und da in den Industrieländern die meisten unserer Bedürfnisse mehr als ausreichend abgedeckt sind, entsteht der Wunsch nach noch mehr Selbstverwirklichung. Individualität war immer schon gefragt, konnte aber bislang gerade im Bereich Design, Architektur und Interior vor allem mit einem hohen planerischen und technischen Aufwand umgesetzt werden. Auch die Kosten waren für solche Sonderlösungen, im Verhältnis zum „Standard“, weitaus höher. Durch die Industrialisierung Mitte des letzten Jahrhunderts konnten erstmals Produkte, Möbel und Design maschinell in grösseren Stückzahlen produziert werden, und so für mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Designklassiker entstanden durch Entwürfe, die eine Grosszahl von Kunden erreichten und deren Geschmack und Bedürfnissen entsprachen. Bereits in den letzten Jahrzehnten ging der Trend zu einem individuellerem Design.
Regalsysteme, Betten oder Leuchten wurden im Baukastenprinzip entwickelt. So konnte man sich, mit den vom Hersteller vorgegebenen Komponenten, das eigene Wunschprodukt zusammenstellen. Auch in der Architektur und Innenarchitektur wurden immer öfters vorgefertigte Bauteile individuell zusammengefügt, um so ein „customized“ Design zu erhalten.
Die Industrialisierung der Individualisierung
Die grosse Innovation liegt darin, dass der Endkunde heute nicht mehr nur vorgefertigte Komponenten zur Verfügung hat, sondern sein ganz eigenes, individuelles Design sowie Farbe und Form dem Hersteller übermittelt und so ein absolut einzigartiges Produkt erhält.
Ob Stühle, Sofas oder textile Wand- und Fensterdekoration – der Kunde hat heute fast unbegrenzte Möglichkeiten, für seine eigenen Bedürfnisse zu planen und zu gestalten. Durch Fertigungsmöglichkeiten wie CNC gesteuerte Lasercutter und 3D-Drucker, können heute jegliche Formen und Dekore „on demand“ gefertigt werden. Es findet sozusagen gerade die Industrialisierung der Individualisierung statt. „Customized“ wird sich auch weiterhin zunehmend entwickeln, ist es doch ein Indiz für eine gewisse Eleganz und Stilbewusstsein. Mit einem personalisierten Möbel, dem selbst entworfenen Stuhl oder dem Dekostoff mit eingewebtem Namen hebt man sich gerne vom Massenkonsum ab. So zeigt sich Selbstverwirklichung heute.
Individualität in vielen Bereichen
Nicht nur in der Mode zeigt sich der starke Individual-Trend. Gerade im Bereich Innenraum-Textilien können „customized“ Entwürfe gut umgesetzt werden. Stoffe werden mit individuell entworfenen Mustern gewebt und bedruckt, Lasercuts nach den Vorlagen des Kunden geschnitten. Sogar das eigene Porträt lässt sich in Dekostoffe einweben.
Farbverläufe in Teppichen werden nach Kundenwunsch ausgeführt und natürlich sind Logos, Wappen und Initialen individuell auch in Bahnenware einfügbar. Bilder und Fotokunst erleben ebenfalls einen starken Auftrieb was Individualisierung angeht. Eigene Fotos, Motive oder Illustrationen können im Onlineshop hochgeladen werden und kommen als fertiges Kunstwerk in Galerie-Qualität nach Hause. Ebenso wie Dekokissen, die mit handgeletterten Sprüchen bedruckt werden. Auch Textiltapeten werden problemlos auf die Wandgrösse und sogar ohne Rapport zurecht geschnitten. (Wall & Deco) Der Trend geht immer mehr zur Anpassung des eigentlichen Serienproduktes an die Bedürfnisse des Kunden. Planer und Entwerfer haben durch die, mittlerweile fast unbegrenzten Möglichkeiten einer Individualisierung, mehr den je die Aufgabe, mit dem Kunden die optimale Lösung zu erarbeiten. Je mehr Gestaltung möglich ist, desto schwieriger wird es für Designer und Kunden, ein langlebiges und wirtschaftliches Produkt zu kreieren. Architekten und Innenarchitekten müssen in Zukunft nicht nur ein perfektes Konzept erarbeiten, sondern sich auch mehr mit den Fertigungsprozessen beschäftigen, um zu wissen, in welchen Bereichen und mit welchen Materialien und Techniken ein individuelles Kundendesign möglich ist und vor allem Sinn macht.
Klassik oder Individualismus?
Natürlich stellt sich bei so viel Individualität auch die Frage der Nachhaltigkeit. Ist ein Produkt, welches so speziell auf den Kundenwunsch gefertigt wird, auch in vielen Jahren noch gültig? Während ein klassisches Design mehrere Generationen überdauern kann, ist unsicher, ob der selbst designte Stuhl auch noch die eigenen Kinder erfreut.
Oder ist bereits nach einem Umzug das einst individuell gefertigte Möbel nicht mehr einsetzbar oder die individualisierten Stoffe nach einem Trendwechsel nicht mehr passend? “Customized” Produkte sind oft keine Klassiker, die Generationen überdauern, sondern eventuell schneller ausgetauscht werden. Bei der Wahl der Materialien, aus denen individualisierte Produkte gefertigt werden, sollten daher möglichst nachwachsende Rohstoffe gewählt werden. Gerade Textilien bringen gute Vorraussetzungen mit: sie können vielseitig auf Kundenwunsch gefertigt werden und aus natürlichen Materialien bestehen. Eine weitere Folge der zunehmenden Individualisierung könnte eine extreme Reduzierung vom ortsansässigen Einzelhandel werden. Da meist nur an einem Firmenstandort gefertigt wird, wären auch immer mehr und längere Transportwege die Folge. Der Trend Customizing birgt viele neue Möglichkeiten – vielleicht auch eine neue Art mit dem Umgang von Designs.
Autorin:
Christina Harmsen
HARMSEN INNENARCHITEKTUR & ALL-ABOUT-DESIGN.DE THE INTERIOR BLOG