Eine Frage an… über Nachhaltige Architektur
Upcoming Architects Facing New Conditions
Upcoming Architects nehmen Stellung, wie sie den Herausforderungen des globalen Wandels begegnen und wie sie ihre Position als Ideengeber, Neuschöpfer und Qualitätssetzer behaupten. In den Interviews mit zahlreichen jungen Architekturbüros wurde das Thema Nachhaltigkeit immer wieder thematisiert. Wie kann nachhaltiges Bauen gelingen?
Wie muss nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen Ihrer Meinung nach aussehen?
“Ressourcenschonend zu handeln, beginnt mit einem Bewusstsein für die Dinge und ihre Lebensdauer, und genau dieses Bewusstsein versuchen wir ständig weiterzuentwickeln und weiterzutragen. Uns muss klar sein, dass wir mit unserem Handeln auch noch Jahre später Folgen auslösen können. Dieses Wissen auch an unsere Bauherren weiterzugeben, ist Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung.”
Matthias Alder und Alessandro Nunzi, ALDER CLAVOUT NUNZI ARCHITEKTEN
Was sind für Sie die absolut wesentlichen Kriterien für einen nachhaltigen Wohnungsbau?
“Ein Kriterium ist für mich (und das kann nicht jedes Haus im gleichen Maße erfüllen), dass ein Wohnhaus nicht ausschließlich individuelle Räume bietet. Es geht mir da um Bedürfnisse, die ich nur außerhalb meiner Wohnungstür befriedigen kann. Das beginnt bei einer vernünftigen primären Struktur, die langfristig angelegt ist und über Generationen hinweg Umgestaltung und Umnutzung zulässt. In Wirklichkeit bauen wir, was unsere Grundrisse angeht, relativ einfache Häuser. Wir haben meistens sehr einfache Systeme, die Flexibilität und Partizipation in den Fokus stellen.”
Markus Zilker, einszueinsarchitektur
Wie kann nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen gelingen?
“Wir müssen bestehende Gebäudestrukturen besser nutzen. Leerstand muss vielleicht sogar in rechtlicher Hinsicht aktiviert werden können, um weiterer Bodenversieglung vorzubeugen. Was die Baumaterialien selbst anbelangt, ist es schwer eine Verallgemeinerung vorzunehmen. Wenn man zum Beispiel auf den Werkstoff Holz schaut, kann man nicht sagen: Das ist grundlegend eine gute Sache, denn auch beim Holzbau wird sich noch zeigen müssen, wie langlebig die heute gebauten Strukturen sind, wenn wir alles mit Kunststofffolien abkleben. Unabhängig vom Baustoff muss es stets um die Langlebigkeit gehen! Wir versuchen, das richtige Material in minimal möglichem Aufwand am richtigen Ort einzusetzen.”
Christine Horner und Christoph Hinterreitner, SOLID architecture
Was ist für Sie nachhaltige Architektur?
“Wir glauben, es gibt viele Aspekte der Nachhaltigkeit, die schwer zu quantifizieren sind. Im Endeffekt geht es um eine Effizienz im Einsatz von Mitteln, darum, welche Rohstoffe ich ein- und welche Schadstoffe freisetzte. Zentral für eine Bewertung ist die Frage nach der Lebensdauer und der sozialen Komponente. Möglicherweise darf ein Gebäude, das der Gesellschaft im Allgemeinen dient und da einfach große Dienste leistet, ein bisschen unsauberer sein als ein Einfamilienhaus, das den Hedonismus eines Einzelnen befriedigt. Bei dem Begriff der Nachhaltigkeit müsste grundsätzlich viel stärker der gesellschaftliche Aspekt in den Fokus rücken, um letztlich die Frage zu verhandeln: Wie wollen wir leben? Was brauchen wir überhaupt dazu als Gesellschaft?”
Sebastian Kofink und Simon Jüttner, Kofink Schels Architekten
Nachhaltigkeit befürworten alle – sich deshalb auf Mehrkosten einlassen, wollen allerdings die wenigsten. Wie sind Ihre Erfahrungen?
“Klar, das ist noch häufig so. Bisher galt beispielsweise: ‘Ein Holzbau ist ungefähr zehn Prozent teurer als ein Massivbau.’ In der Vergangenheit wurde sich auf Grund dessen – neben anderen Vorbehalten gegenüber Leichtbauweisen – oft für den Massivbau entschieden. Das hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Natürlich wird das Umdenken teilweise auch schon durch Vorgaben von Seiten der Politik gefördert. Aber es gibt durchaus auch Bauherren, die vorneweggehen und mehr machen wollen als unbedingt nötig ist. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass Umweltfolgekosten zukünftig auch wirtschaftlich eingepreist werden. Nachhaltigkeit ist also kein reiner Idealismus, sondern einfach eine strategisch kluge Sache.”
Nils Nolting, Cityförster architecture + urbanism
Nachhaltigkeit befürworten alle, wollen aber oft nicht dafür zahlen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
“Den Begriff Nachhaltigkeit nutzen wir eher selten, sondern suchen Lösungen, die angemessen und einfach sind. Nachhaltigkeit entsteht bei dieser Herangehensweise fast schon von selbst. Zudem ist dies meist auch im Sinne der privaten Bauherren und Bauherrinnen, die in der Regel überrascht sind, wie teuer das Bauen inzwischen geworden ist. Im Prinzip ist jeder Quadratmeter, den man nicht baut, der nachhaltigste. Deswegen ist es uns ein besonderes Anliegen, die Gebäude und Grundrisse so zu konzipieren, dass sie auf die wirklichen Bedürfnisse zugeschnitten sind und nicht ausufern. Wir denken außerdem über die Erstnutzung hinaus und integrieren Möglichkeiten der Um- oder Andersnutzung bereits in das Projekt. Zu diesem Thema haben wir vor einiger Zeit ein exemplarisches Einfamilienhaus entwickelt, das mehrere Nutzungsszenarien ohne Umbau ermöglicht, es ist ein „Haus der sieben Leben“. Mehrfachnutzungen und resiliente Grundrisse sehen wir als enorm wichtige Aspekte nachhaltiger Gebäude. Die Bauherren erkennen mittlerweile den Mehrwert in dieser Art von Planung.”
Prof. Sonja Nagel, Prof. Björn Martenson und Jan Theissen, Amunt Architekten
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Bauherren von Nachhaltigkeit absehen, sobald diese Mehrkosten auslöst?
“Wir versuchen immer von Anbeginn Nachhaltigkeitsaspekte mitzudenken, bieten also nicht die Option ‚Normal plus X‘ an. Nachhaltigkeit ist ja nicht nur auf das Thema Material und Bauweise gemünzt, sondern genauso auf die Art und Weise, wie Räume organisiert werden und nutzbar sind. Alle unsere Projekte standen und stehen unter einem extrem hohen Kostendruck, und trotzdem haben wir es bisher über das Thema Materialisierung und einen maßvollen Umgang mit der Ressource Raum geschafft, zu nachhaltigen Lösungen zu kommen.”
Fabian Onneken und Jan Keinath, KO/OK Architektur
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