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Dr. Oliver Herwig
Freier Journalist und Autor in München 1999 Stipendiat Internationales Journalistenprogramm Großbritannien und Gastredakteur bei wallpaper* 2000 Karl-Theodor-Vogel-
Preis für herausragende Technik-Publizistik 2002 Stipendiat VCCA – Virginia Center for the Creative Arts, USA 2007 Stipendiat LKV – Lademoen Artists’ Workshop in NO-
Trondheim 2009 COR-Journalistenpreis Wohnen und Design seit 2007 Designtheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und der Kunstuniversität Linz
Kloster Simonos Petras (1) Kloster-Rangfolge 13, 13. Jahrhundert Kloster Osios Grigorios (2) Kloster-Rangfolge 17, 14. Jahrhundert
Ratschlag: „Ihr solltet orthodox werden!“ Wir gehen an einer Enklave, die Traditionen bewahren will. Busch - ab, direkt ans Ufer. Eine Bucht öffnet sich. „Romantisch,
die frische Luft. Die griechische Flagge flattert im Fahr t - werk und Olivenbäume ziehen backbord vorbei, dunkel- fast feminin“, meint Raoul. Feminin? „Na ja, im
wind. Möwen segeln überm Kielwasser. Das war ein grün bis auf verkohlte Flecken, an denen vor zwei, drei Gegensatz zu dem majestätischen Simonos Petras mit
hohes Tier, flüstert uns Georgios zu. Georgios ist unser Jahren ein Waldbrand tobte, erklärt Georgios. Ab und an seinen mindestens zehn Stock wer ken auf jeden Fall.“
griechischer Bergführer, ihm haben wir das Diamoni trion taucht ein Kloster auf, das sich als Glaubens festung ent- Häuser und Neben gebäude haben sich im Kloster Osios
zu verdanken, die Einreiseerlaubnis. Es gibt nur zehn puppt, mit Wehrtürmen und hohen Mauern. Das Ganze Grigoriosu wie ein Schichtkuchen um einen zentralen
Visa für Ungläubige wie uns. Pro Tag. Wir, das sind fühlt sich an wie eine Reise in die Ver gangenheit. Hof gelegt. Neben der ochsenblutrot gestrichenen Kirche
Raoul, der in Berlin als Anwalt arbeitet, Bob, ein schotti- St. Nicholas liegen der Speisesaal mit seinen reichen
scher Psychoanalytiker aus Lesbos, Ex-Lehman-Banker Auf der Suche nach Erleuchtung Fres ken und die Küche. Das Abendmahl im Blechnapf
James, Bergfex Georgios und ich. Uns verbindet ein Ziel. be steht aus Haferbrei, Weißbrot und pechschwarzen
In den nächsten 96 Stunden wollen wir drei Klöster am Als uns die zweite Fähre nach über zwei Stunden aus- Oliven. Der Koch hat auf Salz und Ge würze verzichtet,
Fuße des heiligen Berges erwandern und in die Welt der spuckt, thront Simonos Petras (1), das keilige Kloster des nicht aber auf Geschmack. Die Oliven sind die wohl
Orthodoxie eintauchen. 96 Stunden. Länger darf sich Felsen Simons, 200 Meter über uns. Fremd. Tibetisch. besten, die wir je gegessen haben. Die Pilger sitzen dicht
kein Nichtorthodoxer am Athos aufhalten. „And don’t Ein spätmittelalterlicher Wolken kratzer. Im 13. Jahr hun - an dicht. Es gibt Wasser und Rotwein. Während des
forget your Diamonitrion“, schärft uns Georgios ein, dert der Legende nach durch Simon den Athoniten ge - Abendmahls herrscht Schwei gen, während ein Mönch
„otherwise you’ll have to sleep outside.“ Wir lachen. gründet und 1364 durch den serbischen Despoten Jovan aus der Bibel vorliest. Sein Singsang füllt den Raum und
„Seriously, they won’t let you in.“ Rund 2.000 Mönche Ugljesa erweitert, belegt es in der Hierarchie des Athos vermischt sich mit dem Ge klapper von Be steck. Die
leben in 20 Klöstern und zahllose Einsiedeleien im den dreizehnten Rang. Ge wertet wird natürlich nach Pilger essen hastig, jeden Moment kann das Abendessen
Schutz des heiligen Berges, der mit seinen 2.033 Metern Grün dungs datum. Alter hat hier noch einen Wert. Auf vorbei sein. Denn wenn sich der Abt erhebt, müssen
die äußerste Spitze der Landzunge beherrscht. Athos, halber Höhe zweigt der Weg ab zum Kloster Osios auch wir gehen. Die Unter kunft erinnert an eine Jugend -
das ist eben eine Welt der Regeln und Gebote: Bedecke Grigorios (2), unserem heutigen Etappenziel. Ein her berge. Sechs Betten für fünf Wan derer. „Pure luxury“,
die Arme beim Gottesdienst. Schlage nicht ein Bein Brunnen plätschert, und das Wasser schmeckt köstlich. sagt Bob, wahrscheinlich ironisch. Die Dusche ist eiskalt,
übers andere. Schweige beim Abendessen. Und mache Auf einem Saumpfad über den Klippen geht es zu einer und die teilen wir uns mit gefühlt 80 anderen Pilgern.
kein katholisches Kreuz zeichen. Das wichtigste Gebot der schönsten Anlagen der Republik, zum Kloster des Dafür entschädigt die Aussicht von einem der Balkone.
aber ist das Avaton von 1060, das Frauen-Verbot am heiligen Gregor, das den siebzehnten Rang einnimmt. Es Diese gleißende Wär me. Wir stehen auf einer hölzernen
heiligen Berg. Alle Eigen heiten der Mönchsrepublik sind geht gut voran, auch wenn wir nun in voller Nach - Veranda und blicken ins Licht. Vier Stockwerke unter uns
in der Verfassung Griechenlands verankert und im Ver - mittagshitze marschieren. Die Luft riecht nach Kräutern das Mittelmeer, eine Landschaft aus flüssigem Blei, in die
tag von Schengen abgesegnet. Sogar die Europäische und Wild blumen. Knapp zweieinhalb Stunden später sich gerade eine reife Apfel sine senkt, die Sonne. Es ist
Union respektiert diesen Status quo. Zum Athos gibt es sehen wir zum ersten Mal das Kloster vor uns. Ein warm hier. Und windstill. Wir reißen die Augen auf und
keinen Landweg. Das würde auch gar nicht passen zu OIivenhain empfängt die Gäste. Dann geht es steil berg- schauen. Und schauen. Schöner könnte es auch auf
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