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SERIEN EIN WOCHENENDE IN ... •  WEEKEND IN ...
              ATHOS                                                                                                  Foto: Marian Wilhelm, München











               Oliver Herwig ist vier Tage durch die letzte Männerbastion Europas gewandert: die orthodoxe Mönchsrepublik am heiligen Berg Athos.
               Oliver Herwig hiked for four days through Europe’s last male bastion: the orthodox monastic state on the Holy Mountain, Athos.





































               Illustration: Irmela Schautz, www.irmela-schautz.de












               Am heiligen Berg Athos ist das orthodoxe Klosterleben allgegenwärtig, außer Katzen hat kein weibliches Lebewesen zutritt. • On Athos Holy Mountain, orthodox monastic life is omnipresent; except for cats, no female being has access.


               Der Architekturjournalist Oliver Herwig ist am östlichen Finger der P  ilgern ist angesagt in einer Welt der Billigflieger. Seit Hape Kerkling mal weg war,
                                                                                boomt die Inspirations- und Selbstfindungsindustrie. Da geht es zur Einkehr ins
               griechischen Halb insel Chalkidiki in eine andere Welt getaucht. Als  Kloster, oder man wandert sich die Seele aus dem Leib, um endlich wieder etwas zu
               einer von zehn nicht orthodoxen Männern, denen der Zutritt zur  spüren: Muskelkater und Blasen an den Füßen inklusive. Wie aber fühlt sich das am
               autonomen Mönchsrepublik um den heiligen Berg Athos pro Tag  heiligen Berg Athos an, ist man als Ungläubiger unter lauter Orthodoxen?
               ge währt wird, ist er durch die wilde Natur von Kloster zu Kloster
               ge wandert. Außer auf das reiche bauhistorische Erbe der insgesamt  Tag 1: Reise in eine unbekannte Welt
               20 Kloster anlagen – die älteste 963 n. Chr gegründet, die jüngste
               1765 – ist Herwig dabei auf wichtige Erkenntnisse gestoßen.   Unter Deck ist es stickig. 200 Männer, Rumänen, Bulgaren, Serben und Russen, neh-
                                                                             men die Fähre von Ouranoupoli nach Dafni, dem Hafen der Mönchsrepublik Athos.
               On the eastern “leg” of the Greek Chalkidikí peninsula, the archi-  Jedes Jahr besuchen 130.000 Pilger die autonome Region. Die Stimmung schwankt zwi-
               tecture  journalist  Oliver  Herwig  immersed  himself  in  a  different  schen  ausgelassen  und  angespannt,  wie  früher  an  Weihnachten,  kurz  bevor  das
               world. As one of ten non-Orthodox men who are allowed access  Glöckchen klingelte. Schnell wird klar: Das Sagen haben hier Priester, schwarz geklei-
               every  day  to  the  autonomous  monastic  state  on  Athos  Holy  det und mit langen Bärten. Sie scharen ihre Schäflein um sich. Einer winkt uns heran,
               Mountain, he hiked through wild nature from monastery to mona-  ein Mann mittleren Alters mit listigen Augen und einem dunklen Bart, in dem die
               stery. Beside the rich historic architectural heritage of the total of 20  ersten grauen Haare sprießen. „Aus Deutschland?“, fragt er. Aber es ist mehr eine
               monastic  complexes  –  the  oldest  founded  in  963  AD,  the  most  Feststellung. „Ich war einige Jahre in Essen, doch nun ist der Athos mein Zuhause.“
               recent in 1765 – Herwig gained essential knowledge.           Während wir so reden, nähern sich ihm Pilger ehrfürchtig, neigen das Haupt. Er streckt
                                                                             die  Hand  aus,  Hochwürden  wendet  sich  ihnen  zu  und  entlässt  uns  mit  einem



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