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In der Mitte der Gesellschaft Der enorme Einfluss, den Kochs Engage -
ment auf die künstlerischen Entwick -
lungen seiner Zeit hatte, spiegelt sich in
3. der Liste der Gratulanten wider, die dem Verleger zum 25-jährigen Verlagsjubiläum 1913 in Widmungsblättern ihren Dank
aussprechen. Mit Peter Behrens, Fritz Schumacher, Henry van de Velde, Josef Hoffmann, Otto Wagner, Hendrik P. Berlage
und Charles R. Mackintosh befindet sich unter den 250 Absendern die gestalterische Elite der Epoche. Mit den
„Handbüchern neuzeitlicher Wohnungskultur“ etabliert Koch zur gleichen Zeit eine außergewöhnliche Buchreihe. Jeder
Band widmet sich der Gestaltung einer individuellen Raumeinheit – vom „Herrenzimmer“ über „Empfangs- und Wohn -
räume“ bis zum „Schlafzimmer“. Die Veröffentlichungen sind am Geschmack des gebildeten Bürgertums orientiert. Koch
und seine Veröffentlichungen, allen voran die „Deutsche Kunst und Dekoration“, etablieren sich endgültig in der Mitte der Gesellschaft.
Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 halbiert sich die Zahl der Abonnenten. Anders als das Kaiser -
reich überleben Kochs Periodika aber die nächsten vier Jahre unbeschadet. Doch die Welt ist 1918 eine andere geworden. Es gibt drängen-
dere Probleme als „Das vornehm-bürgerliche Heim“ (Bild), so ein Titel aus dem Verlagsprogramm von 1917. Das Bauhaus, 1919 von Walter
Gropius in Weimar gegründet, wird sich der sozialen Herausforderungen der Zukunft annehmen. War Alexander Koch um 1900 noch ein
führender Vertreter moderner Ideen, so haben sich seine Ziele mittlerweile erfüllt. Die einstige Avantgardestellung hat sich in den Jahren
von 1910 bis 1920 in einen bürgerlichen Konservatismus verwandelt. Den neuen Entwicklungen kann Koch also gelassen begegnen.
Der Kunstfreund Das Bild, das sich den Zeit - der seit dem Ersten Weltkrieg von Koch außerordentlich protegiert wurde. Der 1883
geborene Architekt entwickelte sich in der Folge nicht nur zu einem der prominentesten
genossen in den 1920er-Jahren
von der aktuellen Architektur - und produktivsten Villenarchitekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern
entwicklung zeigte, war weit vielfältiger, als es unser auf Expressionismus, Bauhaus und bewies zum Beispiel mit der filigranen Leichtbaugestaltung des Zeppelin-Interieurs dur-
De Stijl verengter Blick heute wahrhaben will. In der Konkurrenz mit Heimatschutz und chaus auch avantgardistische Qualitäten. Die Schwierigkeit, den Architekten stilistisch
Historismus war das Neue Bauen keinesfalls so erfolgreich, wie durch die spätere zu verorten, ließ die Breuhaus-Rezeption nach seinem Tod 1960 nahezu versiegen.
Rezeption vermittelt. Je weniger die avantgardistischen Strömungen tatsächlich zum Heute wird das Darmstädter Haus jedoch zu den herausragenden Privatbauten jener
Zuge kamen, desto lauter verkündeten die „Kampf - Epoche gezählt. Hier zeigte Koch seine umfangreiche
blätter“ der Bewegung schon einmal den „Sieg des Kunst sammlung und entwickelte ein reges gesell schaft -
Neuen Bauens“. Der größte Auftraggeber jener Jahre aber liches Leben. Dank der aufwendigen Monografie „Das
blieb das konservative Bürgertum. Hier herrschte nicht Haus eines Kunstfreundes“ von 1926 können wir uns
nur ein gediegener Qualitätsanspruch, sondern auch das noch heute einen lebhaften Eindruck von Kochs ge -
monetäre Vermögen zu dessen Realisierung. Mit der diegenem Interieur und seiner außerordentlichen Sam -
„Innen-Dekoration“ zielte Alexander Koch klar auf diese mel leiden schaft machen. Kochs Stilideal einer ge -
prestigebewusste und zahlungskräftige Klientel. So do - mäßigten Mo derne findet sich auch in der „Innen-
minieren Architekten wie Emanuel von Seidl, Bruno Paul Dekoration“ wieder. Die publizierten Projekte lassen aber
und Paul Schultze-Naumburg mit ihren zwischen Bieder - neueste gestalterische Aufgabenbereiche wie die Ein -
meier und Klassizismus angesiedelten Interieurs das richtung von Schiffen oder Flugzeugen und die Ge -
Heft. Doch auch das großbürgerliche Publikum konnte in staltung von Film architekturen nicht außer Acht. Zudem
den frühen 1920er-Jahren den inflationsbedingten Abonnentenschwund nicht auffan- ist die Auswahl international. Neben Dokumentationen aus Österreich, Italien und
gen. Ein un bekannter „amerikanischer Kunstfreund“ rettete durch die Bezahlung divers- England berichtet die `Innen-Dekoration´ regelmäßig aus Amerika und
er Abonnements für öffentliche Einrichtungen in dieser Zeit den Verlag, der sich erst mit Japan. Natürlich verschließt sich Koch nicht gegenüber einer dezi-
dierten Moderne wie dem Stuttgarter Weißenhof, dem er die gesamte
der Währungsreform 1923 wieder erholte. Die rasante finanzielle Genesung der Verlags - einen objektiven Blick auf das gesamte Bauschaffen der Zeit. 4.
anstalt gipfelte dann bereits 1925 im Darmstädter Haus von Koch (Bild). Entworfen hatte Dezemberausgabe 1927 widmet. Doch behält die „Innen-Dekoration“
das großzügige Domizil im Stil einer traditionellen Sachlichkeit Fritz August Breuhaus,
Schwierige Jahre Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 geraten auch die Verlagsanstalt Alexander
Koch und ihr Gründer zunehmend in Schwierigkeiten. Die Situation erzwingt
bald eine Fusion mit der Deutschen Verlagsanstalt. Ab dem 1. April 1932
5. residert der Verlag deshalb in Stuttgart. Gleichzeitig übernimmt der einzige Sohn, Alexander jun., die Verlags leitung.
Koch sen. verbleibt in Darmstadt und kümmert sich von hier aus um die redaktionelle Leitung seiner Zeitschriften. Mit
dem Generationenwechsel werden längst überfällige Modernisierungen nachgeholt. Die `Innen-Deko ration´ erhält eine
sachlichere Schrifttype und die Jugendstilgrafiken, die bisher die Heftseiten schmücken, entfallen. Zudem wird die
Titel ge staltung an die neuen Sehgewohnheiten der Moderne angepasst. Der neue Untertitel lautet: `Das behagliche
Heim´. In haltlich bleibt Koch aber der erfolgreichen Linie des Heftes treu. Das Schicksal der Zeitschrift `Deutsche Kunst
und De koration´ ist dagegen weniger glücklich. Noch im Herbst des Jahres 1932 wird Kochs neben der `Innen-Deko ration´ erfolgreichstes
Perio dikum mit der in München verlegten Zeitschrift „Die Kunst“ vereinigt. Trotz aller Neuerungen entspannt sich die finanzielle Situa -
tion kaum. 1935 ist Koch gezwungen, seine private Kunstsammlung zu veräußern. Doch er lässt sich auch davon nicht entmutigen. Bis
zu seinem Tod, am 5. Januar 1939, arbeitet er an der Redaktion seiner „Innen-Dekoration“ weiter. Dabei führt er sein Organ ohne jeden
erkennbaren ideologischen Überbau durch die schwierigen Jahre nach 1933. Natürlich kann sich Koch nicht ge gen eine Veröffentlichung
von Paul Ludwig Troosts Münchner Haus der Kunst (oberes Bild) wehren, das einen ersten offizieller Vor ge schmack auf den kom-
menden Monumentalbaustil gab. Doch darüber hinaus bleibt – trotz Zensur und Gleichschaltung – die in der „Innen-Dekoration“ ver -
tretene Bandbreite und Internationalität bemerkenswert weit gefächert. Während die führenden Köpfe der Avantgarde das Land ver-
lassen, widmet Koch 1934 dem Haus Schminke von Hans Scharoun (unteres Bild) eine komplette Ausgabe der „Innen-Dekoration“. Es
war die einzige Vorkriegsveröffentlichung der organisch geformten Löbauer Fabrikantenvilla in einer deutschen Zeitschrift.
AIT 7/8.2017 • 061