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Birgit Gebhardt                          Ulrich Blum

                                 1994 Innenarchitekturstudium Hochschule Detmold, Diplom 1996–2001   1998 Architekturstudium HTWG Konstanz, Diplom 1995–2011 Mitarbeit
                                 Redakteurin bei design report 2001–2012 Senior Consultant bei Trend-  bei verschiedenen Büros wie OMA und Gehry Technologies seit 2011
                                 büro und später Geschäftsführerin seit 2012 Trend- und Zukunftsfor-  bei Zaha Hadid Architects als Co-Abteilungsleiter seit 2017 Professur an
                                 scherin sowie Unternehmensberaterin      der Hochschule Münster für Digitales Entwerfen und Konstruieren




























            Rendering: Courtesy of Zaha Hadid Architects                                                                              Abbildung: Courtesy of Zaha Hadid Architects










             Kollaborationsflächen im Infinitus-Plaza in Guangzhou, China • Collaboration spaces, Infinitus Plaza, CH-Guangzhou  Tracking der räumlichen Beziehungsnetzwerke im Büro • Tracking spatial relationship networks in the office




             naturnahe Elemente wie vertikale Gärten, Holzoberflächen oder Wasserelemente in   Außenbereiche für informelle Gespräche und Bewegungspausen. Diese Gestaltungs-
             die Architektur integriert, um eine stressreduzierende und produktivitätsfördernde   elemente erzeugen eine dynamische Raumlandschaft, die nicht nur effizient, sondern
             Umgebung zu schaffen. Die klassische Rechenformel der Bürowelt geht nicht mehr auf:   vor allem erlebbar ist. Zudem wird zunehmend auf hybride Arbeitsformen gesetzt,
             Fläche geteilt durch Headcount plus Desk-Sharing-Quote schafft keine ausgewogene  die sowohl physische als auch digitale Elemente miteinander verknüpfen. Smart-Of-
             Frequenz mehr. Die Nutzung der Immobilie reduzierte sich auf durchschnittlich drei   fice-Technologien können dabei helfen, Arbeitsplätze flexibel zuzuweisen, Raumaus-
             Tage pro Woche, was sich sogar negativ auf die Betriebs- und Nachhaltigkeitsbilanz   lastungen zu optimieren und individuelle Bedürfnisse in Echtzeit zu berücksichtigen.
             auswirkt. Denn ein untergenutztes Gebäude bedeutet nicht nur Leerstand, sondern   Hierzu gehören KI-gestützte Buchungssysteme für Arbeitsplätze und Meetingräume,
             auch eine ineffiziente Ressourcennutzung – von Energieverbrauch bis hin zu den städ-  personalisierte Licht- und Klimasteuerungen sowie Virtual- und Augmented-Reali-
             tebaulichen Auswirkungen auf Mobilität und Infrastruktur.    ty-Anwendungen, die neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Zwei Optionen
                                                                          stehen uns mit KI in der Architektur offen: Schneller weitermachen wie bisher oder es
             Die Transformation der Bürowelt                              grundlegend besser machen. KI-gestützte Planungstools wie „Spacio“ können zwar aus
                                                                          Skizzen 3D-Modelle und Echtzeitanalysen generieren, aber sie tendieren dazu, Unifor-
             Viele Unternehmen haben bereits versucht, durch verpflichtende Präsenztage die   mität zu verstärken, wenn sie nur nach Effizienzparametern optimieren.
             Bürofrequenz zu steigern, doch oft ohne nachhaltigen Erfolg. Der Grund: Mitarbeiten-
             de betrachten das Büro nicht mehr als ihren einzigen Arbeitsort, sondern verknüpfen  Künstliche Intelligenz als Motor für adaptive Architektur
             Homeoffice-Vorteile mit ihrer individuellen Lebenswirklichkeit. Die Zukunft des Büros
             liegt daher nicht in einem „Entweder-oder“, sondern in einem intelligenten „Sowohl-  Die Herausforderung besteht darin, KI nicht als bloße Beschleunigungsmaschine zu
             als-auch“. Der Weg ins Büro muss einen Mehrwert bieten – in Form von sozialem Aus-  nutzen, sondern sie gezielt für die Entwicklung nutzerzentrierter Bürokonzepte einzu-
             tausch, inspirierenden Arbeitsumgebungen und einem Ort, der Kreativität sowie Pro-  setzen. Ein prominentes Beispiel dafür liefert das einst visionäre „Parametric Design“,
             duktivität gleichermaßen fördert. Hier kommt das Konzept der „Office Experience“ ins   das 2008 von Patrik Schumacher – Vordenker des Parametrismus und Partner bei Zaha
             Spiel, das sich an Modellen der „Employee Experience“ aus dem Personalwesen oder   Hadid Architects – auf der Biennale präsentiert wurde, ist längst zu einem praxistaug-
             der „Customer Journey“ im Handel orientiert. Die Architektur muss gezielt Touchpoints   lichen Steuerungsinstrument avanciert. Heute werden damit nicht nur organische
             schaffen, die das Arbeiten im Büro attraktiver machen. Dazu gehören unter anderem   Formen generiert, sondern auch Funktionsabläufe, Wegebeziehungen und Nutzungs-
             offene Kaffeeküchen mit Bartresen als soziale Treffpunkte, Schnittstellenzonen an Weg-  dynamiken analysiert und optimiert. Ulrich Blum, Senior Associate bei Zaha Hadid
             kreuzungen für spontane Begegnungen, flexible Nischen für Meetings und individuelle   Architects – Co-Head von ZHAs Analytics & Insights-Teams und Professor für Digitales
             Rückzugsorte, Lounges und „Silent Areas“ für konzentriertes Arbeiten sowie begrünte   Entwerfen an der Münster School of Architecture – berichtet, dass sich dank neuer

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