Page 27 - AIT0325_Leseprobe
P. 27
Entwurf • Design J. Mayer H. und Partner, Berlin
Bauherr • Client privat
Standort • Location Comer See, Italien
Nutzfläche • Floor space 420 m 2
Fotos • Photos David Franck, Ostfildern
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 118
Wohn- und Essbereich: Sonniges Gelb und viel Tageslicht • Living and dining area: sunny yellow and much daylight Die Villa aus dem 18. Jahrhundert wurde außen behutsam saniert. • The villa was carefully renovated.
von • by Annette Weckesser
Ü ppige Vegetation, mildes mediterranes Klima, steile grüne Hänge, glitzerndes Was- Villa fallen von außen kaum ins Auge. Die Fassade wurde behutsam saniert, die ursprüng-
liche Fassadenfarbe beibehalten, Fensterrahmen lediglich farblich angepasst. Neue grüne
ser in changierenden Farben, pastellfarbene Villen ... Landschaft, Chromatik, Dörfer
und Architektur bilden am Comer See ein von Mensch und Natur geschaffenes Gesamt- Fensterläden entsprechen dem regionaltypischen Sonnenschutz. Doch J. Mayer H. wäre
kunstwerk. Kein Wunder, dass es die Deutschen – und bekanntlich auch die Ameri- nicht J. Mayer H., würde er einen Auftrag nicht für Überraschungsmomente nutzen. Farbe
kaner – immer wieder an den Lario zieht. Das berühmte Casino-Hotel Bellagio in Las – wie bereits erwähnt eines der prägnantesten Themen am Comer See – spielt in der
Vegas ist nach dem malerisch auf einer Landzunge gelegenen, wohl schönsten Ort am Neugestaltung dieser Villa eine zentrale Rolle. Über ein monochromes Farbkonzept, wel-
Comer See benannt. Madonna, Lady Gaga oder Brat Pitt urlauben hier. George Clooney ches Boden, Decke, Wände, Fensterrahmen, -laibungen sowie Türen umfasst, erhielt jedes
nennt in Laglio die Villa Oleandra sein Eigen und wurde so zum wohl wirkungsvolls- Zimmer seine eigene Couleur. So entstanden Räume mit gänzlich konträren Atmosphären.
ten Werbebotschafter für den drittgrößten oberitalienischen See. In erster Reihe am Sämtliche vorhandenen Oberflächen, Einbaumöbel und funktionalen Objekte wurden
Wasser steht eine Villa aus dem 18. Jahrhundert, die J. Mayer H. und Partner für eine unter diesen neuen Farben „konserviert“. Der glänzende Lack soll die vielen Spuren und
fünfköpfige Familie up to date brachte. Die Außenmauern der Villa und seiner Boots- Schichten der Zeit hervorheben. Die seeseitigen Räume „baden“ in hellen Farbtönen,
garage reichen bis ins Wasser. Ungewöhnlich ist der polygonale Grundriss mit dem wie die Rosé beziehungsweise Rot getünchten Schlafzimmer mit ihrem fantastischen
zenitalen Oberlicht. 2019 wurde das Anwesen schon einmal „konventionell“ umgebaut, Blick auf den See. Das in sonnigem Gelb erstrahlende Wohn- und Esszimmer ist dank
wie es die Architekten nennen. Ziel von Jürgen Mayer H. und Büropartner Hans Schneider Fenstertüren lichtdurchflutet, was die Wirkung der belebend-heiteren Farben intensiviert
war es, den „besonderen Charakter des Hauses und seines Gartens zurückzugewinnen und vielfältige Lichtreflexe erzeugt. Möbelklassiker, wie die 1951 von Jean Prouvé entwor-
und neue Elemente in einem spannungsvollen Dialog in die historische Struktur zu inte- fenen Fauteuils Direction, gruppieren sich um den Esstisch, während die Endlos-Sitz-
grieren.“ Sanierungen historischer Wohngebäude sind nicht eben jene Bauaufgaben, mit schlange DS-600 aus dem Jahr 1972 das Kaminzimmer mit seinem Marmormosaikboden
denen man J. Mayer H. in Verbindung bringt. Vielmehr ist der sehr erfolgreich im Ausland dominiert. Ursprünglich waren sämtliche Wohnräume mit Deckenfresken geschmückt.
tätige Architekt, der in Stuttgart, der New Yorker Cooper Union und an der Princeton Uni- Erhalten ist nur jenes im ovalen Kaminzimmer, doch der Pariser Künstler Matthieu
versity studiert hat, für seine expressive, skulpturale Architektur bekannt, die Orte ganz Cossé interpretierte die Decken in den beiden Eckräumen des Wohngeschosses als
neu definiert, selbst wenn – oder gerade wenn – es sich um vermeintlich eher unattraktive Referenz an die Historie neu.
Bauaufgaben wie Bushaltestellen, Autobahnraststätten oder Grenzkontrollposten handelt.
Die Architektur des Berliner Büros setzt Zeichen im Stadt- und Landschaftsraum. Metropol Outdoor living: Garten, Grotte, Pool, Bootsanleger ...
Parasol, jene riesige, schattenspendende Holzkonstruktion über der Plaza de la Encarna-
cion in Sevilla, erregte 2011 medial die wohl größte Aufmerksamkeit. Die Außenräume nehmen im Gesamtkonzept eine zentrale Rolle ein. In Anbetracht des mil-
den Klimas dient der Garten als zweites Wohnzimmer und grüne Oase. J. Mayer H. und Part-
Außen behutsam saniert, innen ein Feuerwerk an Farbe ner ließen dieses Refugium unter freiem Himmel unter Beibehaltung vorhandener Elemen-
te komplett neugestalten. Obstbäume und Bananenpflanzen sowie Rankpflanzen wurden
Im privaten Wohnungsbau ermöglichten es J. Mayer H. mutige und solvente Auftraggeber gesetzt, der Pool mit Naturstein aus der Region neu ausgekleidet und mit einer breiten Sitz-
aus dem Umkreis von Stuttgart, aus Berlin und der Nähe von Moskau, mit dem Thema fläche eingefasst. Die grundstückseigene Grotte verfügt nun über Duschen und Umkleiden;
Neubau zu experimentieren. Und auch bei Um- und Erweiterungsbauten konnte der außen gibt es einen Brunnen mit Seerosen und Fischen. Von den Liegestühlen aus genießt die
Berliner Architekt mit schwäbischen Wurzeln bei Kopenhagen und in Norddeutschland Familie einen ungestörten Blick auf den je nach Tages- und Jahreszeit immer wieder anders
eindrückliche Wohnbeispiele realisieren – alle so unterschiedlich wie ihre BauherrInnen. wirkenden See. Und für einen Perspektivwechsel, den Blick vom Wasser aufs Land, bietet
2024 folgte schließlich dieser Auftrag am Comer See. Die Sanierungsmaßnahmen an der sich eine Bootstour ab dem neuen Bootsanleger an.
AIT 3.2025 • 107