Page 31 - AIT0125_Leseprobe
P. 31
Foto: Mario Hegewald, Berlin/Stuttgart Janina Poesch
1979 geboren 1998 Ausbildung zur Bauzeichnerin 2000–2006 Architekturstudium an der Universität Stuttgart 2003–2006 Praktikum/Freie Mitarbeit bei AIT 2006–2008 Volontariat bei AIT seit
2008 Herausgeberin und freie Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen Zukunft, (nachhaltige) Szenografie und (Marken-)Kommunikation im Raum – unter anderem von PLOT, MUSEeN,
BRAND NEW und STOR[I]ES sowie des Brand Experience & Trade Fair Design Annual und des Szenografie-Kompendiums seit 2015 Lehrbeauftragte an diversen Hochschulen in den Bereichen
Innenarchitektur/Szenografie, Kommunikation im Raum und Brand Spaces 2020–2022 Co-Kuratorin bei Raumwelten – Plattform für Szenografie, Architektur und Medien 2023 ADC Future Female
Fotos: Christoph Philadelphia, München/Hamburg
The Elevation of Gravity: Mit einer Tanzperformance macht 1zu33 das Messemotto emotional erlebbar. • The Elevation of Gravity: 1zu33’s dance performance brings the trade-fair motto to life emotionally.
Emotionale Intelligenz: das Erlebnis im Fokus CO -Fußabdruck auf ein Minimum reduziert werden. Ökologische Intelligenz bedeutet,
2
Ressourcen zu schonen und dabei ästhetische und funktionale Ansprüche nicht aus den
Messen stehen vor der Herausforderung, sich gegenüber digitalen Kanälen behaupten Augen zu verlieren – vom Bodenbelag bis zur Beleuchtung. Auch wenn sich dadurch
zu müssen: Die einfache Darbietung von Produkten oder Dienstleistungen verliert an über Jahre gelernte Ästhetiken verändern, müssen ökologische Verantwortung und Cir-
Bedeutung, wenn die gleichen Informationen auch online verfügbar sind. Menschen cular Design mehr als eine Pflicht sein: Sie müssen zum kreativen Motor werden. So
suchen Inspiration und Zugehörigkeit. Die Zukunft liegt also in realen Erlebnissen: Be- realisierte Studio Lab La Bla auf der Stockholm Furniture Fair 2024 mit dem „Surface
sucher wollen in multisensorische Räume eintauchen, die Geschichten erzählen und eine Club“ eine Inszenierung aus Materialien, die sonst im Abfall gelandet wären: Die Wand-
emotionale Beziehung zu den AusstellerInnen schaffen – überraschende Inszenierungen, paneele bestanden aus recycelten Tetra-Pak-Kartons, der Boden wurde mit alten Jeans-
die involvieren und berühren. Je emotionaler das Erlebnis ist, desto länger bleibt es im fasern und Weinkorken beschichtet, die Sitzmöbel aus ehemaligen Matratzen gefertigt
Gedächtnis. So präsentierte sich Gaggenau auf der Milan Design Week 2024 etwa mit und die Tische mit Staub aus dem Bergbau bedeckt.
einem Auftritt, der die Sinne mit einer Atmosphäre von Erhabenheit und Sehnsucht nach
mehr erfüllen sollte: Unter dem Motto „The Elevation of Gravity“ schuf 1zu33 eine kon- Modulare Intelligenz: Flexibilität als Prinzip
templative Installation aus zwei Polen, die in starkem Kontrast zueinander standen und
doch miteinander verbunden waren. Dieses Spannungsfeld wurde durch Musik und Tanz In Zeiten wachsender Unsicherheit und sich schnell verändernder Anforderungen müs-
zusätzlich visualisiert und die räumliche Dramatik dadurch emotional erlebbar gemacht. sen Messestände so flexibel sein wie die Märkte, die sie bedienen. Zukunftsweisendes
Messedesign setzt deshalb auf modulare Systeme, die sich an unterschiedliche Stand-
Soziale Intelligenz: Begegnungen neu denken größen, Themen und Zielgruppen anpassen lassen – ohne dabei Abstriche bei Kreati-
vität und Wirkung zu machen. Ein Messestand sollte wie ein Baukasten funktionieren:
Der eigentliche Mehrwert von Messen liegt längst nicht mehr im ausgestellten Produkt- Einzelne Elemente können neu kombiniert, erweitert oder reduziert werden. So entste-
katalog, sondern vielmehr in den authentischen Beziehungen, die hier aufgebaut werden – hen nachhaltige, kosteneffiziente Lösungen, die gleichzeitig kreativen Spielraum bieten.
mit Marken, ExpertInnen und Gleichgesinnten. Formate, die Networking und Dialog bottega + ehrhardt architekten gestalteten beispielsweise mit Studio Besau-Marguerre
ermöglichen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen, müssen daher in Zukunft für burgbad auf der ISH 2023 einen ressourcenschonenden Messestand, der durch seine
mehr Gewicht gewinnen: Es gilt, attraktive Räume für Kommunikation und Kollaboration Leichtigkeit und Klarheit bestach. Im Zentrum des Auftritts stand dabei ein 4,50 Meter
zu schaffen, denn die Messe wird mehr und mehr zur sozialen Plattform. Wie der „Rea- hohes Regal, das durch seine Modularität auch in Zukunft flexibel genutzt werden kann.
ding Room“ auf der Stockholm Furniture Fair 2024 beweist: Formafantasma hat hier nicht
nur eine offene Bühne für gesellschaftsrelevante Themen, transformatives Wissen sowie Ökonomische Intelligenz: Mehrwert schaffen
Zukunftsvisionen geschaffen, sondern auch einen gesprächsfördernden Ort der Begegnung.
Schrumpfende Budgets und kleinere Standflächen erhöhen den Druck, kreative Lösun-
Ökologische Intelligenz: Nachhaltigkeit als oberstes Gebot gen zu finden, die mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielen. Dabei zeigt
sich: Größe ist längst nicht alles. Clevere Low-Budget-Konzepte setzen auf starke visuelle
Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern eine Grundvoraussetzung für zukunfts- Akzente, multifunktionale Elemente und präzise Botschaften und können mit originellen
fähige Messegestaltung: Materialien sollten recycelbar oder sogar biologisch abbaubar Ideen, interaktiven Installationen oder nachhaltigem Design mindestens genauso viel
sein, Konstruktionen, Modulbauten und Präsentationsmöbel wiederverwendbar und der Aufmerksamkeit erregen. Die Kunst, aus wenig viel zu machen, steht künftig im Mittel-
AIT 1/2.2025 • 111