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Foto: Mario Hegewald, Berlin/Stuttgart  Janina Poesch

                                 1979 geboren 1998 Ausbildung zur Bauzeichnerin 2000–2006 Architekturstudium an der Universität Stuttgart 2003–2006 Praktikum/Freie Mitarbeit bei AIT 2006–2008 Volontariat bei AIT seit
                                 2008 Herausgeberin und freie Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen Zukunft, (nachhaltige) Szenografie und (Marken-)Kommunikation im Raum – unter anderem von PLOT, MUSEeN,
                                 BRAND NEW und STOR[I]ES sowie des Brand Experience & Trade Fair Design Annual und des Szenografie-Kompendiums seit 2015 Lehrbeauftragte an diversen Hochschulen in den Bereichen
                                 Innenarchitektur/Szenografie, Kommunikation im Raum und Brand Spaces 2020–2022 Co-Kuratorin bei Raumwelten – Plattform für Szenografie, Architektur und Medien 2023 ADC Future Female
















            Fotos: Christoph Philadelphia, München/Hamburg











             The Elevation of Gravity: Mit einer Tanzperformance macht 1zu33 das Messemotto emotional erlebbar. • The Elevation of Gravity: 1zu33’s dance performance brings the trade-fair motto to life emotionally.




             Emotionale Intelligenz: das Erlebnis im Fokus                CO -Fußabdruck auf ein Minimum reduziert werden. Ökologische Intelligenz bedeutet,
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                                                                          Ressourcen zu schonen und dabei ästhetische und funktionale Ansprüche nicht aus den
             Messen stehen vor der Herausforderung, sich gegenüber digitalen Kanälen behaupten  Augen zu verlieren – vom Bodenbelag bis zur Beleuchtung. Auch wenn sich dadurch
             zu müssen: Die einfache Darbietung von Produkten oder Dienstleistungen verliert an   über Jahre gelernte Ästhetiken verändern, müssen ökologische Verantwortung und Cir-
             Bedeutung, wenn die gleichen Informationen auch online verfügbar sind. Menschen  cular Design mehr als eine Pflicht sein: Sie müssen zum kreativen Motor werden. So
             suchen Inspiration und Zugehörigkeit. Die Zukunft liegt also in realen Erlebnissen: Be-   realisierte Studio Lab La Bla auf der Stockholm Furniture Fair 2024 mit dem „Surface
             sucher wollen in multisensorische Räume eintauchen, die Geschichten erzählen und eine  Club“ eine Inszenierung aus Materialien, die sonst im Abfall gelandet wären: Die Wand-
             emotionale Beziehung zu den AusstellerInnen schaffen – überraschende Inszenierungen,   paneele bestanden aus recycelten Tetra-Pak-Kartons, der Boden wurde mit alten Jeans-
             die involvieren und berühren. Je emotionaler das Erlebnis ist, desto länger bleibt es im   fasern und Weinkorken beschichtet, die Sitzmöbel aus ehemaligen Matratzen gefertigt
             Gedächtnis. So präsentierte sich Gaggenau auf der Milan Design Week 2024 etwa mit  und die Tische mit Staub aus dem Bergbau bedeckt.
             einem Auftritt, der die Sinne mit einer Atmosphäre von Erhabenheit und Sehnsucht nach
             mehr erfüllen sollte: Unter dem Motto „The Elevation of Gravity“ schuf 1zu33 eine kon-  Modulare Intelligenz: Flexibilität als Prinzip
             templative Installation aus zwei Polen, die in starkem Kontrast zueinander standen und
             doch miteinander verbunden waren. Dieses Spannungsfeld wurde durch Musik und Tanz   In Zeiten wachsender Unsicherheit und sich schnell verändernder Anforderungen müs-
             zusätzlich visualisiert und die räumliche Dramatik dadurch emotional erlebbar gemacht.  sen Messestände so flexibel sein wie die Märkte, die sie bedienen. Zukunftsweisendes
                                                                          Messedesign setzt deshalb auf modulare Systeme, die sich an unterschiedliche Stand-
             Soziale Intelligenz: Begegnungen neu denken                  größen, Themen und Zielgruppen anpassen lassen – ohne dabei Abstriche bei Kreati-
                                                                          vität und Wirkung zu machen. Ein Messestand sollte wie ein Baukasten funktionieren:
             Der eigentliche Mehrwert von Messen liegt längst nicht mehr im ausgestellten Produkt-   Einzelne Elemente können neu kombiniert, erweitert oder reduziert werden. So entste-
             katalog, sondern vielmehr in den authentischen Beziehungen, die hier aufgebaut werden –    hen nachhaltige, kosteneffiziente Lösungen, die gleichzeitig kreativen Spielraum bieten.
             mit Marken, ExpertInnen und Gleichgesinnten. Formate, die Networking und Dialog  bottega + ehrhardt architekten gestalteten beispielsweise mit Studio Besau-Marguerre
             ermöglichen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen, müssen daher in Zukunft   für burgbad auf der ISH 2023 einen ressourcenschonenden Messestand, der durch seine
             mehr Gewicht gewinnen: Es gilt, attraktive Räume für Kommunikation und Kollaboration   Leichtigkeit und Klarheit bestach. Im Zentrum des Auftritts stand dabei ein 4,50 Meter
             zu schaffen, denn die Messe wird mehr und mehr zur sozialen Plattform. Wie der „Rea-  hohes Regal, das durch seine Modularität auch in Zukunft flexibel genutzt werden kann.
             ding Room“ auf der Stockholm Furniture Fair 2024 beweist: Formafantasma hat hier nicht
             nur eine offene Bühne für gesellschaftsrelevante Themen, transformatives Wissen sowie  Ökonomische Intelligenz: Mehrwert schaffen
             Zukunftsvisionen geschaffen, sondern auch einen gesprächsfördernden Ort der Begegnung.
                                                                          Schrumpfende Budgets und kleinere Standflächen erhöhen den Druck, kreative Lösun-
             Ökologische Intelligenz: Nachhaltigkeit als oberstes Gebot   gen zu finden, die mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielen. Dabei zeigt
                                                                          sich: Größe ist längst nicht alles. Clevere Low-Budget-Konzepte setzen auf starke visuelle
             Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern eine Grundvoraussetzung für zukunfts-  Akzente, multifunktionale Elemente und präzise Botschaften und können mit originellen
             fähige Messegestaltung: Materialien sollten recycelbar oder sogar biologisch abbaubar   Ideen, interaktiven Installationen oder nachhaltigem Design mindestens genauso viel
             sein, Konstruktionen, Modulbauten und Präsentationsmöbel wiederverwendbar und der   Aufmerksamkeit erregen. Die Kunst, aus wenig viel zu machen, steht künftig im Mittel-

                                                                                                                          AIT 1/2.2025  •  111
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