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Entwurf • Design Hammerer Architekten, AT-Ludesch
                                                                              Bauherr • Client Gemeinde Thüringen und Ludesch, AT-6712 Thüringen
                                                                              Standort • Location Obere Werkstraße 5, AT-6712 Thüringen
                                                                                                2:
                                                                              BGF • Floor area beheizt: 970 m ; überbaute Fläche: 2.200 m 2
                                                                              Fotos • Photos Albrecht Imanuel Schnabel, AT-Rankweil
                                                                              Mehr Information auf Seite • More information on page 146







                von • by Annette Weckesser
                R   educe, Reuse, Recycle – diese drei Rs stehen für das ökologische Gewissen der
                    westlichen Konsumgesellschaften. Denn Tatsache ist: Es gibt so viel Müll wie nie!
                Aktive Müllvermeidungsstrategien, Upcycling und Cradle-to-Cradle sollen gegensteuern.
                Beim Sammeln und Trennen von Materialien und Rohstoffen setzen die Wert stoffhöfe
                an. In der Vorarlberger Gemeinde Thüringen schufen Hammerer Architekten mit dem
                Dienstleistungszentrum Blumenegg ein wirtschaftlich-ökologisches Vorzeigeobjekt. Die
                Ludescher Architekten konzipierten das Gebäude, an dem tagtäglich Recycling -
                materialien, Problemstoffe‚ Grünschnitt, Astwerk und Bauschutt deponiert werden, als
                Hommage an den lokalen Mischwald. Denn für den Bauplatz mussten rund 7.000
                Quadratmeter Wald an Ort und Stelle gerodet werden. Als Kompen sationsmaßnahme
                verpflichteten sich die Bauherren, freie Flächen aufzuforsten und Mischwaldkulturen
                wiederherzustellen. Die Architekten ihrerseits forsteten  via Architektur  wieder auf.
                Regionale Baumarten – Tanne, Fichte, Buche, Esche, Kiefer und Zirbe – prägen den lang
                gestreckten Baukörper, nicht nur optisch, sondern auch olfaktorisch. „Der Geruch von
                Holz empfängt einen beim Betreten des Hauses“, erklären die Architekten. Denn neben
                dem nach drei Seiten offenen Wertstoffsammelzentrum sitzen das Bauamt und der
                Bauhof als kompaktes, zweigeschossiges Volumen unter dem großen Dach. Das verwen-  Foyer des Bauamts: Mischwaldmotive auf den Glastüren verweisen auf den gerodeten Baumbestand, ...
                dete Holz durfte laut Ausschreibung aus einem Umkreis von maximal 70 Kilometern
                                                                              ... massive Tannenholzblöcke aus dem Großen Walsertal dienen als Sitzgelegenheiten und Tische.
                stammen. Kurze Wege, regionale Materialien – so lautete die Prämisse. Das Bauhof- und
                Bauamtsgebäude  wurde als Holzriegel konstruktion ausgeführt. Die  Zwischendecke
                besteht aus Brettstapel elementen. Regionale Hölzer – Tanne, Fichte, Zirbe und Ahorn –
                verkleiden die Innenwände des Bauamts. So entstand eine behagliche Atmosphäre, die
                bestens zum naturnahen Standort passt. Im Gegensatz zum Bauamt wurden Böden,
                Wände und Decken im Bauhof aus formaldehydfrei  verleimten, geschliffenen OSB-
                Platten gefertigt. Sämtliche Möbel ließen die Architekten aus unbehandelter Weißtanne
                in Massivholz schreinern. Die Sitzmöbel fertigte ein regionaler  Tischler aus Nuss-,
                Ulmen-, Buchen-, Eichen- und Ahornholz.  Transluzente Folien mit Motiven des
                ursprünglichen Mischwalds bringen frisches Grün auf innen liegende Glastüren und
                -wände. So entstand ein sinnfälliger Bezug zur Natur und ein kräftiger Kontrast zu den
                Holzarten des Innenausbaus.

                Alles unter einem Dach

                Auch die Fassade baut sich selbstredend aus Holz und Holzderivaten auf. Als
                Dämmmaterial dienen Holzfaserplatten; die  Verschalung besteht aus sägerauen
                Tannenbrettern. Insgesamt ist die Hülle so ausgelegt, dass sie dem Passivhaus standard
                                                                              Wände, Decken und Böden des Bauhofs bestehen aus geschliffenen OSB-Platten.
                entspricht. Sämtliche Oberflächen sind naturbelassen. Vor direkter Verwitterung schützt
                die außen liegenden Bauteile das ausladende Flugdach in konstruktiver  Weise.
                Getragen  wird das Leichtdach  von baumartigen Holzstützen, die das Dach optisch
                schweben lassen. Stellplätze für 12 Großcontainer finden unter dem großen, unterfahr-
                baren Schutzdach Platz. Das Tragwerk ist wirtschaftlich optimiert, was die Spannweiten
                und den Materialeinsatz betrifft. So konnte beispielsweise Brettschichtholz anstelle von
                Vollholz verwendet werden. Laut Einschätzung der Architekten sollen die Kosten der
                Holzkonstruktion im  Vergleich  zu einer Stahlkonstruktion rund 15 Prozent niedriger
                liegen. Photovoltaik module decken die gesamte Dachfläche ein. Die Module konnten
                komplett durchdringungsfrei und ohne Gewichtsauflagen montiert werden. Durch diese
                Maßnahme ließ sich das mit 53 Oberlichtern bestückte Dach als Leichtdach ausführen.
                Die Photovoltaikanlage mit ihren 1458 Modulen gilt als eine der größten
                Schrägdachanlagen Österreichs und soll einen simulierten jährlichen Stromertrag von
                rund 310.000 Kilowattstunden erzielen. Dies entspricht einer Stromversorgung von 105
                Einfamilienhaushalten. Energie tanken können die Bewohner der Gemeinden Ludesch
                und Thüringen direkt am DLZ Blumenegg: Für E-Bike-Besitzer gibt es Fahrradständer mit
                einer integrierten Ladestation.



                                                                                                                              AIT 12.2017  •  133
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