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GESUNDHEIT UND WELLNESS • HEALTH AND SPA THEORIE • THEORY
zess wurde angestoßen, in dem auf Basis der zukünftigen Betriebsorganisation das Raum- und Funkti-
onsprogramm erarbeitet wurde. In einem Flächenlayout wurde zusammen mit den Nutzergruppen aller
Fachbereiche eine Bestandsanalyse des Standortes durchgeführt. Sehr früh wurde die L-förmige Verbin-
dung von zwei Stationen zu zukünftig einer Pflegeeinheit vorgeschlagen. Die ersten Vorentwürfe der Ar-
chitekten bestätigten die angestrebte Möglichkeit. Die Nutzer waren umfassend in die einzelnen Schritte
des Planungsprozesses eingebunden, mit dem Ziel, in einer konsentierten Entwurfsplanung Lösungsan-
sätze für die baulichen Herausforderungen der Klinik zu entwickeln. Ein Schwerpunkt war die Optimie-
rung der Pflegestationen und der Patientenzimmer. Durchgängig sollen Zweibettzimmer die Regel sein,
mit neuen Nasszellen, die in Größe und Funktion geriatrischen Konzepten gerecht werden. Der Betten-
bau setzt neue Maßstäbe in Bezug auf medizinische und pflegerische Funktionalität sowie den Patien-
tenkomfort. Ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer mit Bad, das Raumkonzept klug durchdacht, aus-
gestattet mit ansprechendem Designmobiliar. Das gesamte Ambiente sorgt für ein angenehmes und groß-
zügiges Raumgefühl. Fernsehen, Radio, Telefon und Internet sind über ein am Patientenbett montiertes
Tablet leicht zu steuern und individuell bedienbar. Die sogenannte Komfortstation führt diesen Maßstab
Patientenzimmer auf der Komfortstation ... • Patient room on the comfort ward ... weiter, die Zimmer haben Hotelcharakter. Pflegestützpunkte, Gänge, Arbeits- und Medikamentenaufbe-
reitungsräume sind ebenfalls großzügig bemessen und gut durchdacht in ihrer Aufteilung. Markante
... mit Hotelcharakter – auch im Bad. • ... with a hotel look – also in the bathroom. Farb- und Lichtleitsysteme sowie große, gut lesbare Beschriftungen zur besseren Orientierung für Patien-
ten sind zudem Teil des Gesamtkonzeptes eines demenzsensiblen Krankenhauses. Zu diesem Thema
wurde die Planung in dieser frühen Phase besonders detailliert geführt: Demenzsensible Architektur,
das Zusammenspiel von baulicher, sozialer und organisatorischer Umwelt. Die räumliche und situative
Orientierung, das Differenzieren von Umweltreizen sowie die Interpretation visueller Reize war leitend
von der Grundrissplanung bis zur Gestaltung von sämtlichen Bewegungs- und Aufenthaltsbereichen des
Patienten. Die Selbstständigkeit des Patienten soll gefördert werden, um ihm emotionale Sicherheit und
Orientierung zu geben. Die zahlreichen intensiven Abstimmungsrunden mit den medizinischen Fachab-
teilungen wurden bis zum Abschluss der Entwurfsplanung fortgeführt.
Bundesweit einmaliges Erprobungsprogramm: Musterpatientenzimmer
Außerdem kam ein im Klinikverbund einmaliges Erprobungskonzept zum Tragen: Ein vollausgestattetes
Musterpatientenzimmer erlaubte es, Raumplanung, Voraussetzungen für Pflege- und Behandlungsab-
läufe, Hygiene, technische Anschlüsse sowie die Belastbarkeit der Materialien im Echtbetrieb zu erpro-
ben. Es wurde eigens für diese Zwecke im Bestandsgebäude eingebaut, inklusive der technischen Kom-
Neu: Patientenschrank zwischen den Betten • New: patient cabinet between the beds ponenten. Abgebildet werden konnten Aufenthalte von Kurzliegern wie auch Langzeitpatienten nahezu
aller Fachdisziplinen wie Innere Medizin, Geriatrie, Unfall- und Allgemeinchirurgie oder Neurologie. In
mehreren Schritten wurden erste Erkenntnisse aus der Testphase im Musterzimmer ergänzt. Ein wesent-
licher Baustein war die Entscheidung zur Verortung des Patientenschrankes zwischen den Patientenbet-
ten. Das sorgt für kurze Wege in der Pflege und gleichzeitig mehr Privatsphäre, da sich die Schranktüren
als Sichtschutz verwenden lassen. Ein mobiler Innenteil des Patientenschrankes erleichtert die Verlegung
des Patienten auf eine andere Station. Das Beleuchtungskonzept mit unterschiedlicher Lichttechnik
schafft einen Mix aus Wohlfühlatmosphäre, Orientierungs- und Arbeitslicht. Sehr intensiv wurden in der
Entwurfsphase die Wegebeziehungen der Pflegekräfte erörtert im Hinblick auf vermeidbare Verschlep-
pung von Keimen. Ein Ergebnis dieser Planung war die Neuanordnung von drei Handdesinfektionsspen-
dern im Patientenzimmer, die den Goldstandard in der Hygiene ermöglicht. Auch bauliche Aspekte wie
Estrichhöhen, Abflüsse für ein barrierefreies Bad oder Beheizungsvarianten konnten in unterschiedlichen
Ausstattungsstadien des Musterzimmers getestet werden. Ein eigener Stromverbrauchszähler ermög-
lichte die Auswertung ökologischer und ökonomischer Aspekte. Über drei Monate lang wurde das Zim-
mer erprobt, sowohl Patienten als auch Mitarbeiter der verschiedenen Berufsgruppen, die in einem Pa-
tientenzimmer arbeiten müssen, wurden detailliert nach ihren Eindrücken befragt. Die Ergebnisse wur-
Die Dachterrasse erweitert das komfortable Angebot. • Roof terrace: additional comfort den akribisch und systematisch ausgewertet. Die Betriebsorganisation innerhalb einer Station mit bis zu
50 Betten wurde planerisch grundsätzlich neu formuliert. Auch hier war das Ziel, die Wege des Pflege-
personales unbedingt so kurz wie möglich zu gestalten. Ein Lösungsansatz war die dezentrale Anord-
nung der Arbeitsräume rein und unrein innerhalb einer Pflegeeinheit von zehn bis 12 Patientenbetten.
Fortgeführt wurde die Planung der Wegebeziehungen aus Sicht des Patienten. Ausgehend vom Ankom-
men in der Klinik als Besucher, als Patient zur elektiven Aufnahme oder als Notfallpatient wurden die
internen betriebsorganisatorischen Abläufe der neuen Planung in unmittelbarer Abfolge nacheinander
organisiert und neu strukturiert. Elektive Patienten finden zukünftig ihre Aufnahme direkt nach dem
Haupteingang, erste medizinische Untersuchungen werden in interdisziplinär genutzten Untersuchungs-
räumen in direkter Nachbarschaft zum Aufnahmezentrum getätigt. Die einfache und schnelle Orientie-
rung des Patienten ist elementarer Bestandteil der Planung ebenso wie die medizinisch notwendige Se-
lektierung der Patienten nach Dringlichkeit entsprechend ihrem Krankheitsbild. Die notwendige Pla-
nungsdiskussion im Vorentwurfsstadium wurde in mehreren Workshops mit der Ärzteschaft, Ambu-
lanzleitungen und Klinikverwaltung geführt. Patientenvertretungen waren in die teils schwierigen Dis-
kussionen mit einbezogen. Bei Kompromisslösungen war dadurch eine breite Akzeptanz gesichert.
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