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Stefanie Biermann                        Entwurf • Design vrai interior architecture, Frankfurt/Main
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                                                                     Standort • Location Franz-Haniel-Platz 1, Duisburg
                            1979 geboren in Lippstadt 1998–2001 Tischlerlehre 2001–2006 Innen-  Nutzfläche • Floor space 2.875 m 2
                            architekturstudium FH Kaiserslautern 2006–2015 Mitarbeit bei JOI Design,   Fotos • Photos Nina Struve, Hamburg
                            Hamburg ab 2011 als Associate seit 2015 bei vrai als Projektleiterin   Mehr Infos auf Seite • More infos on page 150
 UMBAU DES HANIEL-VERWALTUNGSGEBÄUDES IN DUISBURG VON VRAI INTERIOR ARCHITECTURE





























        Hell und weitläufig präsentiert sich jetzt das Foyer. • The foyer is now bright and spacious.   Kommunikatives Herzstück im Eingangsbereich: die Enkelfähig-Bar • Communicative centrepiece in the entrance



        von • by Stefanie Biermann, vrai interior architecture
        B  ereits im Gründungsjahr 1756 von Haniel & Cie. bildete sich mit der ersten Stadter-  reich ist die große Enkelfähig-Bar in Form des Haniel-A, an der sich die Mitarbeiter aus
                                                                     den verschiedenen Geschäftsfeldern austauschen, Town Hall Meetings stattfinden und die
           weiterung vor der Stadtmauer Ruhrorts die Möglichkeit, für eine Gruppe von frei-
        stehenden Häusern große Parzellen bereitzustellen. Der früheste Neubau fiel in dasselbe   auch Zentrum von Ausstellungen, Vorstellungen von Start-ups oder anderen Events sein
        Jahr: Das 1756 begonnene Wohn- und Packhaus von Jan Willem Noot beherbergt heute   wird. Die Akustik am Arbeitsplatz wird gestalterisch unterstützt durch die verschieden-
        das Firmenmuseum Haniel. In seiner Nachbarschaft ließ Haniel-Generaldirektor Welker   farbigen und unterschiedlich hohen Screen-Paneele, die die Mitarbeiter am Arbeitsplatz
        von 1921 bis 1923 einen umfangreichen Neubau für die Verwaltung des prosperierenden   akustisch gegeneinander abschirmen. In den Abhangdecken am Arbeitsplatz sowie in der
        Unternehmens errichten. Den Entwurf lieferte der dem Traditionalismus verpflichtete   Lochung der Schrankwände in der Town Hall des Erdgeschosses spiegelt sich die Struktur
        Duisburger Architekt Wilhelm Weimann. Der L-förmige Komplex nahm Rücksicht auf das   des Haniel-A wider. Stoffe tragen innerhalb der Besprechungsboxen zusammen mit dem
        Areal des früheren Friedhofs und orientierte sich baulich mit seiner Schmalseite als reprä-  hochflorigen Teppich und der gepolsterten Einbauschrank-/Sitzbankverbindung ebenfalls
        sentative Portalfront zur Hafenstraße. Das blieb 60 Jahre lang so, bis 1983 die Architekten   zur besseren Akustik bei. Über den Meetingtischen in den Räumen, die technisch auch
        Eller+Eller aus Düsseldorf im Zuge durchgreifender Umstrukturierungen des Haniel‘schen   auf hybride Konferenzen ausgelegt sind, befindet sich eine große Leuchte aus Akustikfilz.
        Besitzes eine Umorientierung des Haupteingangs zum neu erschlossenen Franz-Haniel-
        Platz vorsahen. 2010 wurde der Verwaltungsbau schließlich unter Denkmalschutz gestellt.  Verschiedene Farben markieren die einzelnen Geschosse
        Zehn Jahre später beauftragte uns das Familienunternehmen Franz Haniel & Cie. mit
        einer Bedarfsermittlung durch Umfragen und Interviews in den einzelnen Unternehmens-  Das Lichtkonzept besteht aus einer gewissen Grundbeleuchtung, gepaart mit atmosphä-
        bereichen, und in den folgenden zwei Jahren, von 2020 bis 2022, durften wir auf dem  rischer Beleuchtung. Eine Besonderheit ist das „gesprengte“ Haniel-A von Noneon, das
        Enkelfähig-Campus das neue Head Office für die Mitarbeiter von Haniel gestalten.   sich im Vertical Hub in Teilen über verschiedene Höhen fortsetzt und zu einem direkten
                                                                     Lichtobjekt verschmilzt, wenn man darunter steht und geradewegs nach oben blickt.
        Nach dem Umbau: 92 Arbeitsplätze auf 2875 Quadratmetern      Für den öffentlichen Bereich im Erdgeschoss ist eine Kombination aus Eichenparkettbo-
                                                                     den und anthrazitfarbenem Gussboden eingesetzt worden. Der Parkettboden findet sich
        In dem 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäude, in dem es bis zum Umbau nur  außerdem im Open Space um den Vertical Hub wieder. Für die Arbeitsplätze wurde ein
        Einzel- und Doppelbüros sowie einen abgetrennten Vorstandsbereich gab, wurde nun   anthrazitfarbener Teppich verwendet, der die jeweilige Geschossfarbe in Form von Spren-
        durch eine großzügige Entkernung und einen Durchbruch durch alle Etagen – dem „Ver-  keln aufgreift, die sich zu den verschiedenen Besprechungs-, Lounge- und Meetingboxen
        tical Hub“, eine ganz neue Art der Zusammenarbeit geschaffen. Nach der Erneuerung   hin verdichten. Innerhalb der Boxen liegt ein hochfloriger Teppich, in dem die Unifarben
        der Lüftungs- und Heizungsanlage sowie der gesamten Elektrik sollten großzügige, offe-  der jeweiligen vier Geschossfarben vorkommen. Um eine generelle visuelle Offenheit zu
        ne Arbeitsbereiche durch eine Vielzahl von kleinen Besprechungsräumen, Telefonboxen   gewährleisten, bestehen die verschiedenen Boxen fast alle aus Glaswänden. Diese sind
        oder auch Community Areas zoniert werden. Auf vier Geschossen und 2875 Quadratme-  individuell je nach Bedarf durch farbige Vorhänge nach außen hin abzuschirmen. Bei der
        tern wurden dadurch 92 Arbeitsplätze geschaffen. Es gibt 40 Rückzugsräume, die sich  Möbelauswahl wurde auf nachhaltiges Design geachtet: So ist zum Beispiel die Sitzschale
        in Lounges mit Sesseln, in Meetingräume mit hohen oder niedrigen Sitzen, in flexibel   des Nuez Loung BIO komplett kompostierbar und biologisch abbaubar. Alle Mitarbeiter
        möblierten Exercise Rooms, speziell ausgestattete Record Studios oder auch in kleinere   haben potenziell einen eigenen Arbeitsplatz – diesen können sie sich allerdings jeden Tag
        Telefonboxen aufteilen und den Mitarbeitern eine große Flexibilität bieten. Rund um den   aufs Neue aussuchen. Diese Flexibilität ist auch in Bezug auf die verschiedenen Arbeits-
        Vertical Hub, der die verschiedenen Bereiche geschossübergreifend miteinander verbin-  boxen gewährleistet: Je nach Bedarf können diese von den Mitarbeitenden reserviert und
        det, gibt es auf jeder Etage einen großzügigen Community Bereich, der in Wohnzimmer-  aufgesucht werden. Durch die hybride Arbeitsweise ist einiges an Technik in den Meeting-
        Atmosphäre zum Austausch oder zum Arbeiten einlädt. Das Herzstück im Eingangsbe-  räumen erforderlich, damit den Remote-Arbeitenden kein Nachteil entsteht.


                                                                                                                     AIT 10.2023  •  139
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