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Foto: Die Planstelle GmbH, München  Liane Ackermann           Marlene Asenbeck                                             Foto: Die Planstelle GmbH, München


                            2001–2002 Schmidhuber & Partner, München 2002–2005 Team 4, München
                                                                     1990 geboren in Wasserburg 2010–2014 Innenarchitekturstudium HS Rosen-
                                                                     heim (Bachelor) 2014–2017  Innenarchitekturstudium HS  Kaiserslautern
                            seit 2005 Gesellschaftende Geschäftsleitung: Die Planstelle GmbH, München
                            2017–2018 Weiterbildung Change-Management inkl. Projektmanagement
                                                                     (Master) 2016–2017 Praktikum bei AIT seit 2017 Die Planstelle, München


        Arbeitsweisen herausgebildet. Abteilungsübergreifendes Denken in Kompetenzfeldern   len Durchschnitt nur 31 Prozent das Büro als bevorzugten Arbeitsplatz an. Abmietungen
        und crossfunktionales Arbeiten scheinen sich aktuell durchzusetzen. Unternehmen struk-  und Shared-Desk-Konzepte sind oft die ersten Reaktionen der Unternehmen. Dabei stellt
        turieren sich immer mehr in vernetzte Cluster oder Kompetenzfelder. Diese Änderungen   sich die dringliche Frage, warum die Mitarbeitenden wieder ins Büro kommen sollten,
        vollzogen sich in den Arbeitsweisen und im digitalen Raum – der physische Büroraum ist   oder ob Mieten und Unterhalt eingespart werden können. Wie wichtig werden in Zukunft
        noch derselbe wie vor Corona. Das Übertragen auf den Raum steht noch aus. Im Home-  die weichen Faktoren definiert, beispielsweise Identifikation und Bindung von neuen wie
        office hingegen haben es sich viele mittlerweile nach den jeweiligen Möglichkeiten gut   langjährigen Mitarbeitenden? Wie werden sich diese Faktoren langfristig auf Innovations-
        eingerichtet. Einige Angestellte haben die Vorteile der Mobilarbeit, wie Flexibilität, fokus-  kraft, Resilienz und Erfolg auswirken? Und wie viel physischen Begegnungsraum braucht
        siertes Arbeiten, fließende Arbeitszeiten und wegfallendes Pendeln zu schätzen gelernt   es dafür? Umfragen des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
        und möchten diese Freiheiten nicht mehr aufgeben. Bei anderen löst der Gedanke an   setzen Impulse Richtung neue Arbeitswelten: Der Wissensaustausch und die Vernetzung
        starre Hierarchien und ein Großraumbüro Unwohlsein aus, sie schätzen den persönlichen   mit KollegInnen haben während der Corona-Isolation gelitten. Die Ideenentwicklung ent-
        Arbeitsplatz zu Hause. Dabei verschmilzt die Trennung von Privatem und Beruflichen   steht bei den meisten Menschen durch den kreativen Austausch mit KollegInnen oder
        immer mehr. Was für die Einen ein positiver Effekt ist, ist für die Anderen ein Grund,   im Büro am Arbeitsplatz. Aus der Studie Connected Work des Fraunhofer IAO von 2022
        zurück ins Büro zu kommen. Sie wünschen sich eine klare räumliche Trennung von  geht hervor, dass es viele lohnende Tätigkeiten für die Angestellten im Büro gäbe. Dabei
        Erwerbsarbeit und Freizeit oder sehnen sich danach, die Insel Homeoffice zu verlassen,   stehen Zusammenarbeit und Arbeitsvorgänge, die durch die Präsenz im Büro begünstigt
        ihre KollegInnen wieder live zu sehen oder endlich kennenzulernen und die Resonanz   werden, gefolgt von spontanem Austausch und gut ausgestatteten Bereichen für inter-
        aus der Begegnung zu nutzen. Das Empfinden ist hier sehr individuell und begründet  aktive Kollaboration, an erster Stelle. Rückzug ist aber auch nicht zu vernachlässigen,
        sich auch in den unterschiedlichen familiären Hintergründen und Wohnsituationen. Ob   so eine Untersuchung von Steelcase von 2021 zum Thema „Das hybride Zeitalter der
        Mobilarbeit gut funktioniert, hängt auch davon ab, wie viel Berufserfahrung der Einzelne   hybriden Arbeit“. Im Rahmen einer Umfrage wurde hier angegeben, dass Rückzug auch
        hat, ob er oder sie sich mit der Unternehmenskultur identifizieren kann und wie lange   für hybride Meetings und Privatheit ein wichtiger Treiber für die Rückkehr ins Büro ist.
        man im Team eingebunden ist. Einen unserer Kunden dürfen wir hier zitieren, der nach
        dem ersten Corona-Jahr in einem Schulterblick das Resümee zog: „Wenn die Substanz  Das Warum kommt vor dem Was – grundlegende Analyse
        besteht – man sich kennt und erfahren ist –, kann man alles gesund im Remote-Modus
        schaffen und immerhin den Status quo halten. Ohne Substanz und ein physisches Mit-  Für uns Expertinnen stellt sich nach dieser Analyse nicht mehr die Frage, ob ein Büroraum
        einander wird keine Weiterentwicklung eines Unternehmens vorstellbar sein.“ Das Team   benötigt wird, sondern welcher. Diesen Neuanfang nach der Pandemie erkennen wir als
        der Planstelle beschäftigt sich seit 18 Jahren mit dem Thema Büroraumplanung, von der   echte Chance, die Erkenntnisse aus den letzten Jahren gemeinsam mit einer umfassenden
        Grundlagenermittlung bis zur Umsetzung und der Betreuung der Umzüge. Die Projekter-  Analyse der Bedürfnisse zu einer Empfehlung für eine individuelle Strategie pro Unter-
        fahrung zeigt, dass der Büroarbeitsplatz nicht nur aufgrund der Einzigartigkeit der Firma   nehmensbereich zu entwickeln. Das perfekte Mischverhältnis aus Präsenz und Remote
        und der Nutzer tiefer gehende Betrachtung benötigt, sondern es auch ein emotionales   für jedes neue Projekt herauszufiltern, ist unser Antrieb als planende Changer. Diese
        Thema ist. Die Nähe zu und die Arbeit mit den Menschen macht den Reiz für unsere Spe-  optimale Mischung dann in die dritte Dimension zu übersetzen, ist der Glücksfall für
        zifikation aus. Wir begleiten neben der Planung parallel den Change-Prozess, der mit der   uns changende Planer. Auch wenn es sich zwischendurch anstrengend anfühlt, lohnt es
        Änderung des Arbeitsraums einhergehen muss, um den Raum zu einer Erfolgsgeschichte   sich, im Miteinander – frei nach der 5-Why-Methode – mit der Frage nach dem Warum
        werden zu lassen. Die dichte Verflechtung aus Raum und Mensch ist zu einer Herzensan-  auf den Kern der Motivation zu stoßen und dann das Was abzuleiten. Vor der Ausgestal-
        gelegenheit geworden. Die Addition aus der Individualität des Einzelnen, der Mischung   tung einer Fläche stehen die Bildung eines Gefühls für die NutzerInnen und Verständnis
        aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, Arbeitsweisen und der Firmenkultur ergibt eine   für die Anforderungen des Unternehmens. Für eine grundlegende Analyse, was mit den
        ganz eigene DNA. So funktioniert jede Firma anders. Und im Kern sitzt ein Individuum   neuen Flächen bezweckt werden soll und wie das Unternehmen und seine Mitarbei-
        vor seinem Rechner. Dafür benötigt es im aktuellen Fall keinen Schreibtisch in einem   tenden funktionieren, sind Abfragetools und Beteiligungsprozesse Erfolgsgaranten. Aus
        Büro. Was braucht der Mensch, um wertschöpfend tätig zu werden?   Zahlen und Angaben zu Anwesenheiten, Arbeitsgewohnheiten und Bedürfnissen kön-
                                                                     nen, im Abgleich mit dem Briefing, Projektprämissen gesetzt und geschärft werden. Mit
        Die Herausforderung: Ein Anreiz für die Rückkehr             dieser Basis werden Konzepte und letztendlich Arbeitsräume entwickelt, die nicht nur
                                                                     eine Akzeptanz bei den Mitarbeitenden haben, sondern auch die Arbeitsweisen bestmög-
        Der Mensch muss überall da im Fokus sein, wo Kreativität, Innovation und Voneinander-  lich unterstützen. Gleichzeitig wird dabei ein weiterer Wert vermittelt, der gerade auch
        Lernen ein wesentlicher Teil der Firmen-DNA ist. Für diese nicht planbaren Interaktionen   durch Homeoffice vernachlässigt wird: Direktes Interesse an der Meinung des Einzelnen
        sollten im Büro Räume angeboten werden, die das Miteinander ermöglichen. Trend-  und Wertschätzung für die Eigenheiten der künftigen NutzerInnen der Büroflächen. All
        begriffe wie „New Work“ müssen mit Leben gefüllt werden, um niedrigschwellig die   dies mit einem Büroraum zu schaffen, ist das Ziel eines Beteiligungsprozesses und damit
        Menschen zu verbinden. Für uns Planerinnen liegt ein echter Reiz unseres Schaffens in   ein wichtiger Aspekt im Kontext der Anreize für eine Rückkehr ins Büro. Damit bestä-
        der Nähe zum Menschen und seinen individuellen Bedürfnissen. Arbeitsräume zu ent-  tigt die für uns so wichtige Grundlagenermittlung den echten Mehrwert, der mit einem
        wickeln bedingt eine Grundlagenermittlung, einhergehend mit einer umfassenden Mitar-  physischen Raum generiert wird: Durch das Gehört-Werden der individuellen Bedürf-
        beiterbeteiligung. Wir beginnen mit der grundsätzlichen Frage: Welcher Raum unterstützt   nisse der NutzerInnen erhält die neue Fläche eine Akzeptanz der Mitarbeitenden und
        den jeweiligen Kunden optimal in seiner Arbeitsweise, und wie flexibel muss er ausgebil-  deren Identifikation mit dem Unternehmen. Ein aktuelles Beispiel, wie die Frage nach
        det werden? Blicken wir aktuell in die Bürogebäude unserer Kunden, sehen wir oft trau-  dem Warum zu einem fruchtbaren Ergebnis führen kann, ist ein kürzlich von uns – in
        rigen Leerstand, obwohl die Auflagen nach Covid-19 aufgehoben sind. Der Anreiz, vom   diesem Fall von Franziska Anetseder und Liane Ackermann – fertiggestelltes Projekt in
        Homeoffice zurückzukehren, scheint vielen Menschen zu fehlen. Nach einer Studie von   München. Während der Corona-Jahre aus einer großen Mutterfirma ausgegründet, stand
        Steelcase von 2021 zum Thema „Das neue Zeitalter der hybriden Arbeit“ geben im globa-  ein Medienunternehmen in München genau vor den vorab erläuterten Herausforderun-


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