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VERKAUF UND PRÄSENTATION •  RETAIL AND PRESENTATION THEORIE • THEORY



























               Im alten, denkmalgeschützten Speichergebäude aus schwerem Naturstein wurde lediglich eine neue, filigrane Stahltreppe installiert. • A new, filigree steel staircase was installed in the old, listed granary built of heavy stone.


               Nur der Kornspeicher im Zentrum ... • Only the granary in the centre ...   modisch. Die Sprossenfenster erfüllen die Anforderungen der aktuellen ENEV und sehen trotzdem aus „wie da -
                                                        mals“. Sie bestehen aus stählernen L-Profilen, wie sie auch bei der Sanierung des Dessauer Bauhaus zum Einsatz
                                                        kamen, die Scheiben werden von einer dicken Kittschicht gehalten. Nicht fehlen durften auch Werkstattleuchten und
                                                        Schalter und Steckdosen aus Bakelit. Der unbestrittene Star: der Destillierapparat, eine blitzende Sonderanfertigung
                                                        mit vier Brennblasen, der auch als Zeitmaschine in einem Steampunk-Film mitspielen könnte.

                                                        Neu-alte Markenarchitektur: Das neue Ensemble wirkt wie ein traditioneller Bauernhof


                                                        Allerdings: „Es sollte kein Disneyland werden, wir wollten nichts faken“, sagt Philipp Mainzer. Wie man das hin-
                                                        bekommt? „Es muss authentisch sein.“ Deswegen hat er mit regionalen Handwerkern zusammengearbeitet und
                                                        auf schwarzwaldtypische Materialien und Methoden gesetzt, etwa bei den Holzfenstern im Haupthaus. „Man findet
                                                        dort Handwerker, die das noch können“. Ein bisschen echte Patina ist auch dabei: Der Steinfußboden in der
                                                        Degustation beispielsweise besteht aus alten Platten, teilweise direkt vom Hof, teilweise von einem anderen. Auch
                                                        die Holzvertäfelung in der Schwarzwaldstube ist eine Zweitverwertung aus Abbruchhäusern. Entscheidend bei
                                                        dem Projekt aber ist – genauso wie bei der Monkey 47-Rezeptur – der richtige Mix. Den Cocktail aus Alt und Neu-
                                                        Alt hat Philipp Mainzer mit einem ordentlichen Schuss Zeitgenossenschaft abgeschmeckt. In die Stube hat er Tische
                                                        und Bänke aus David Chipperfields Möbelkollektion für e15 gestellt, in einer zur Vertäfelung passenden Sonder -
                                                        anfertigung aus gebürstetem und gebeiztem Weichholz. In der Degustation stehen beleuchtete Regale aus grauen
                                                        Stahlprofilen und texturiertem Glas, darin aufgereiht die Apothekerfläschchen mit dem Gin. Die Laboratmosphäre
                                                        signalisiert: Hier wird gearbeitet – oder eher: Hier wird ein Zaubertrank gebraut. Denn das Hantieren mit den
                                                        geheimen Ingredienzien, das Ansetzen und Destillieren der Spirituose inszenieren sie bei Monkey 47 auch ein
                                                        wenig wie eine Geheimwissenschaft für Eingeweihte. Philipp Mainzer macht dagegen kein Geheimnis um sein
               ... des Schwarzwaldhofes ist alt. Alle ... • ... of the farm is old. All ...
                                                        Rezept: Wenn es um Interiors für Verkauf und Produktpräsentationen geht, setzt er ganz auf „Ehrlichkeit“. Das
                                                        Design „muss eine Geschichte erzählen, die ehrlich ist, die einen Hintergrund hat“, sagt er. „Es darf nicht darum
                                                        gehen, nur eine Hülle zu schaffen, in der etwas schick präsentiert wird.“ Bei der Destillerie ist das der Bezug zum
                                                        Schwarzwald,  zur  Tradition  des  Gins  und  seinem  Herstellungsverfahren.  Bei  dem  2015  eröffneten  Laden  der
                                                        Kosmetikkette  Aesop in Frankfurt spielte Mainzer ebenfalls mit Referenzen auf den Ort, unter anderem mit
                                                        „Bembel“-farbenen Bodenfliesen und Anleihen bei der legendären „Frankfurter Küche“. Selbst die Läden für die
                                                        Bekleidungsmarke Closed, von denen er seit 2004 schon eine ganze Reihe geplant hat, geht er jedes Mal neu an,
                                                        Standardisierungen ist nicht. Neben der ehrlichen Geschichte ist ihm auch eine hochwertige Präsentation wichtig.
                                                        Dafür brauche er aber nicht unbedingt wertvolle Materialien wie Marmor oder Messing: „Für e15 haben wir auch
                                                        schon Messestände aus Spanplatte und Plastikfolie gemacht“, erzählt er. „Dahinter stand aber ein kreativ hoch -
                                                        wertiger Anspruch.“

               ... anderen Gebäude entstanden neu. • ... other buildings are new.
                                                        Philipp Mainzers (Geheim-)Rezept: Design muss eine authentische Geschichte erzählen
                                                        Bei Monkey 47 konnte Philipp Mainzer wieder einmal die Vorteile seiner ungewöhnlichen Dreifachrolle ausspielen:
                                                        Wie bereits bei anderen Aufträgen lieferte e15 ja einen Teil der Möbel. Häufig lässt er für Projekte Sonder an -
                                                        fertigungen produzieren oder entwirft sogar gleich einen ganz neuen Stuhl. Umgekehrt konnte er über das
                                                        Möbelgeschäft auch schon mehrfach Bauherren für sein Architekturbüro gewinnen. „e15 ist ein guter Werbeträger
                                                        für die Architektur“, sagt er. Die Erfahrungen in beiden Welten erweisen sich auch als nützlich, wenn andere
                                                        Planer ihre Projekte mit e15-Produkten ausstatten wollen: Da gibt es dann die Planungskompetenz mit dazu. Philipp
                                                        Mainzer, der Meister der Synergien. Und  beim Unterwegssein hat er zwischendurch doch ein wenig Zeit zum
                                                        Entwerfen gefunden. Jedenfalls dürfen wir demnächst mit neuen Möbelentwürfen rechnen – und zwar nicht für
                                                        e15, sondern für andere Hersteller! Aber mehr darf im Moment nicht verraten werden.



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