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Jasmin Jouhar


                                     1976 in Hessen geboren 1997-2005 Studium der Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, Berlin 1999-2000 Mitarbeit Museum
                                     für Moderne Kunst, Frankfurt am Main  2005 Mitarbeit Museum of Modern Art, Department for Architecture and Design, New York
                                     2008-2016 Mitarbeit Redaktion Designlines, Berlin seit 2016 Freie Autorin in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Design

































                Der Mix machts: Im Hofladen trifft neu-alte Architektur auf moderne Regale aus Stahlprofilen und texturiertem Glas. • In the farm shop, new-old architecture meets modern shelves consisting of steel profiles and textured glass.


                gab – eigentlich egal. Storytelling gehört zum Marketing nun mal dazu wie Klappern zum Handwerk. Interessanter
                ist, dass der Monkey seit diesem Jahr in einer neuen Destillerie produziert wird, deren Gebäude die Legende in
                Architektur zu übersetzen scheinen. Genau wie die wild zusammengebastelte Collins-Story besteht die Destillerie
                aus Versatzstücken mit zunächst unkla rer Herkunft. Neu oder alt, original oder nachgeahmt, Schwarzwald oder
                große, weite Welt – Philipp Mainzer hat Räume inszeniert, die perfekt zum Image und zum Produkt passen. Denn
                auch die (geheime) Rezeptur des Gins ver eint schein bar Gegensätzliches: Zitrusfrüchte und asiatische Kräuter mit
                heimischem Quellwasser, Fichtensprossen, Preiselbeeren und Brombeerblättern.

                Storytelling gehört zum Marketing wie Klappern zum Handwerk

                Für Philipp Mainzer ist dieses Projekt nicht der erste hochprozentige Auftrag: Vor einigen Jahren hat er mit seinem
                Büro Christoph Kellers eigene Brennerei, die Stählemühle im Hegau, ausgebaut und Räume für die Destille, für
                Lagerung und Degustation eingerichtet. Man kannte sich noch aus gemeinsamen Frankfurter Zeiten, wo Keller vor
                seiner Landflucht den Kunstbuchverlag Revolver betrieben hatte. „Die Destillerie war ein spannendes Projekt“, erin-
                nert sich Mainzer. „Christoph hat einen hohen Anspruch an alles, was er macht.“ In der Stählemühle setzten Keller
                und Alexander Stein auch den Monkey in die Welt. Aber anders als Kellers experimentelle, vielfach ausgezeichnete  Philipp Mainzer, Jahrgang 1969, Architekt, Designer, Möbelfabrikant
                Obst brände lief der Gin irgendwann in so großen Mengen aus dem Kühlrohr, dass eine eigene Produktionsstätte und
                Platz für den Empfang von Besuchern gebraucht wurde. Ein alter Bauernhof im Dorf Vierundzwanzig Höfe bei
                Loßburg  im  Schwarzwald  sollte  das  neue  Zuhause  des  Affen  werden.  Aber  nach  zwei  Monaten Planen  und
                Entwerfen stellten Bauherr Alexander Stein und Mainzer fest: „Der Hof war nicht tauglich, um ihn mit erschwing -
                lichem Budget in eine funktionierende Destillerie umzubauen.“ Die Bausubstanz war marode, die Räume nicht prak-
                tikabel, in den Stallge bäuden hing der Geruch der Vormieter fest – nicht die richtige Umgebung, um einen High-End-
                Gin zu produzieren, zu präsentieren und zu verkosten. Bis auf einen denkmalgeschützen Kornspeicher aus Natur -
                stein wurde also abgerissen und neu aufgebaut. Ob die Bartender und Gin-Liebhaber, die Monkey 47 regel mäßig ein-
                lädt, merken, dass die Marke älter ist als ihr Sitz? Wohl kaum – das Ensemble erscheint wie ein zwar aufgeräumter,
                aber doch ganz traditioneller Bauernhof. In den Innenräumen setzt sich der Eindruck fort, dass es hier schon seit
                Jahrzehnten so aussehen könnte, von ein paar Auffrischungen mal abgesehen. Seien es Brennerei und Lager mit dem
                Schlachthaus-Charme einer Landmetzgerei oder die holzig-urige Schwarzwaldstube, wo die Gäste essen: Die Räume
                haben genau die Atmosphäre, die man hier auf dem Dorf erwarten würde. Und das war auch das Ziel von Philipp
                Mainzer: „Auf Basis der alten Substanz und auf Basis von Fotos vom ursprünglichen Zustand haben wir den Hof
                rekonstruiert.“ Jedoch nicht als perfekte Kopie. Mainzer ging es eher darum, nachzuempfinden, wie es früher einmal
                war. Dabei habe man sich Stück für Stück vorgetastet. Die Brennerei etwa soll so aussehen, „also ob sich der Bauer
                irgendwann einmal ein Werk stattgebäude auf den Hof gestellt hat“. Die Fliesen sind nicht clean reinweiß, sondern         Foto: Boris Breuer
                gelblich, die Kanten sind mit gebogenen Sonderformaten verkleidet – das ist hygienisch und zugleich schön alt-



                                                                                                                               AIT 9.2016  •  137
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