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Entwurf • Design Renner Hainke Wirth Zirn Architekten, Hamburg
                                                                           Bauherr • Client die developer, Bad Nauheim
                                                                           Standort • Location Gustav-Heinemann-Ufer 136-138, Köln-Bayenthal
                                                                           Mietfläche • Floor space 2.600 m 2
                                                                           Fotos • Photos Jochen Stüber, Hamburg
                                                                           Mehr Infos auf Seite • More infos on page 134






























             Vom Eingang führt die zweiläufige Treppe in die Beletage. • A two-flight staircase leads to the Beletage.   Einer von vielen prächtigen Sälen: der Mahagonisaal • One of many splendid halls: the Mahogany Hall



             von • by Stefan Wirth für RHWZ Architekten, Hamburg
             E   mil von Oppenheim hatte 1905 ein äußerst großzügig geschnittenes Grundstück  staltungshaus. In den 1960ern und 1970ern wurden auf dem Gelände zwei Bürogebäude
                                                                           errichtet. Das Rheinische Studieninstitut für kommunale Verwaltung zog 1982 ein. Nach
                 weitab am südlichen Rheinufer, am „Oberländer Ufer“, dem heutigen „Gustav-Hei-
             nemann-Ufer“, von der Boden-Aktiengesellschaft Bayenthal erworben. In der direkten  dem Umzug des Instituts im Jahr 2009 konnte die Villa für einzelne Veranstaltungen ge-
              Nachbarschaft entstand zur damaligen Zeit die noble Villenkolonie Marienburg. Also ein  mietet werden. Als eines der ersten Events gilt das Casting für „Deutschland sucht den
              Ort in Köln, an dem man sich weltstädtisch präsentieren konnte. Mit der Absicht einer  Superstar“. Nach dem Verkauf des 12.300-Quadratmeter-Grundstücks an die die devel-
             Repräsentanz wandte er sich an einen der renommiertesten Architekten großbürgerlicher  oper Projektentwicklung GmbH mit der Absicht, zwischen dem Gustav-Heinemann-Ufer
             und adliger Bauprojekte internationalen Formates, Charles-Frédéric Mewès (1858–1914),  und der Alteburger Straße einen attraktiven Bürostandort zu entwickeln, verhandelte
             der in Köln eine von mehreren international agierenden Filialen unterhielt. Der schloss-  2009 das Stadtplanungsamt mit den Investoren einen städtebaulichen Realisierungswett-
             artige Neorokoko-Bau mit geschwungener Freitreppe, Rheinblick und Festsaal wurde von  bewerb mit hochbaulichem Vertiefungsteil, aus dem Renner Hainke Wirth Zirn Architek-
             1906 bis 1908 von den Architekturschülern der École des Beaux-Arts errichtet. Mewès  ten mit RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten als Gewinner hervorgingen. Kern-
             hatte in Paris, London und Madrid die Ritz-Hotels gebaut und eingerichtet, die in der da-  aufgabe des Wettbewerbs war die Findung einer städtebaulich und denkmalpflegerisch
             maligen Zeit als Ikonen des guten Lebens und beispielhafter Architektur gehandelt wur-  verträglichen Lösung, die eine Einbindung der denkmalgeschützten Villa, der Parkanlage
             den. Später baute er neben Hotels und Privatvillen auch Luxusdampfer aus, die für eine  sowie der Einfriedung entlang der Rheinuferstraße in einen städtebaulichen Gesamtplan
             standesgemäße Bewirtschaftung großer Gesellschaften, also für eine Art „Festarchitek-  so implementiert, dass sie Grundlage für den Bebauungsplan werden kann.
             tur“ bekannt waren. Das Grundstück am Kölner Flussufer hat eine Rheinfront von 100
             Meter Länge und reicht in der Tiefe fast 140 Meter bis hin zur Alteburger Straße. Die Villa  Kulturträchtiger Altbau wieder fit für die Zukunft
             steht mittig an der Frontseite auf T-förmigem Grundriss, hat zum Rhein eine Breite von
             30 Meter und entwickelt sich 40 Meter tief in einen ehemals englischen Park hinein.   In der Villa des Bankiers Oppenheim sollten fortan elf luxuriöse Wohnungen realisiert
                                                                           werden, alle ausgestattet auf einem sehr gehobenen Standard. Der kulturträchtige Altbau
             Vom Palais über NSDAP-Kreishaus zum ADAC-Clubhaus             wurde unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes durch den Umbau für die nächsten
                                                                           Generationen fit gemacht und bietet den Bewohnern heute sehr viel und ganz besonde-
             Der Bau der Villa verschlang seinerzeit zwei Millionen Mark (heute wären das zirka 12  ren Luxus. Durch die neue Dachgestaltung wurden ein ausgewogenes Baumassenverhält-
             Millionen Euro), und man kann das Gebäude wohl am besten verstehen, wenn man sie  nis zu den hinteren Neubauten und eine Alleinstellung des Palais zum Rhein hin erreicht.
             als Sehnsuchtsort ihres Besitzers begreift, der Paris und London in Gestalt der großen in-  Der zweigeschossige Dachaufbau des Palais hat dabei eine flächige, möglichst homogene
             ternationalen Gesellschaftsbühnen an den Rhein holt. Es bedurfte dafür anscheinend kei-  Erscheinung erhalten und ist mit horizontal durchlaufenden Lamellenprofilen gestaltet.
             ner ästhetischen Neuorientierung. Oppenheim war das Leben und Wirtschaften in den  Die stark horizontal gegliederte Lamellenkonstruktion folgt der Kubatur des historischen
             französischen Häusern gewohnt, die die Familie in Köln ihr Eigen nannte. So wurden  Mansarddaches. Die Aufstockung ist auf einer massiven Betondecke mit einem zentralen
             ganze Raumsequenzen wie das zentrale Oberlicht der Villa Oppenheim oder die orna-  Loch auf den soliden Mauerwerkswänden des 1. Obergeschosses gegründet. Der glas-
             mentreichen Verzierungen des Kamingesimses aus dem Ritz in London übernommen.  überdachte Lichthof versorgt den Zentralsaal der Beletage mit Tageslicht. Alle anderen
             1944 wurde die Villa als Kreishaus der NSDAP bombensicher ausgebaut. Zu dieser Zeit  Etagen haben keinen Zugang zu dem denkmalgeschützten Lichthof, dessen Stahlkon-
             wurde die winkelförmig angelegte Remise an der Alteburger Straße, die als Orangerie ge-  struktion noch von Gustav Eiffel herrührt. Um die bautechnisch sehr anspruchsvolle Auf-
             dient hatte, abgerissen. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Rheinische Musik-  stockung möglichst leicht zu konstruieren, ist das Dach als Stahlbau mit höchsten Schall-
             schule in das Haus, das zuvor mit einem veränderten Dach, ohne die ursprüngliche Kup-  schutzanforderungen konzipiert worden. Vom Straßenverkehr, den Schubschiffen und
             pel, wieder hergerichtet wurde. Ab 1956 nutzte der ADAC die Villa als Club- und Veran-  der Straßenbahn ist in den Wohnungen mit modernster Technik nichts zu hören.

                                                                                                                           AIT 7/8.2021  •  117
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