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Christiane May
1973 in Bielefeld geboren 2001 Architektur-Diplom an der FH Köln
Foto: Thekla Ehling 2001–2013 Mitarbeit in international arbeitenden Innenarchitekturbüros
2014 Bürogründung seit 2016 MAY Architectural Design mit Rolf May
Ob zylindrisch geformte Absorber oder große Kreisausschnitte: Alle Deckenlösungen fungieren gleichzeitig als Design-Element. • Whether cylindrical absorbers or large circular cutouts: all ceiling solutions also function as design elements.
von Menschen mit Sehbehinderungen sicherzustellen. Damit sich die Objekte kont- Installationen berücksichtigt und in Einklang gebracht werden. Um eine bestmögliche
rastreich absetzen, wurden beispielsweise in den Sanitäranlagen schwarze Accessoires Grundlage zur Vermeidung von Kollisionen zu schaffen, wurden von oben nach unten
und Armaturen sowie weiße Keramik vor farbig gefliesten Wänden eingesetzt. Der Höhenkorridore für Elektrotrassen, Klima- und Lüftungsinstallationen und die Akustikbaf-
Gebäudeentwurf setzt sich aus sechs Kuben zusammen – jedem Kubus ist eine Nutzung feln nebst Beleuchtung festgelegt. Dennoch ergab sich eine Vielzahl von geometrischen
zugeordnet: Eingang und Lichthof, Speiseausgabe, Küche, Speisesäle und WC-Anlagen. Zwangspunkten, die durch den Einsatz von verschieden langen Baffeln unter der gestalte-
Die weiße Hülle der Fassade gab den Entwurfsgedanken für die Innenarchitektur vor, rischen Vorgabe der gleichen unteren Höhe gelöst wurden. Insgesamt wurden über 1900
Licht und Leichtigkeit von außen nach innen zu transformieren. Baffeln exakt positioniert. Die Befestigung erfolgt über Stahlseile, die mit Magnethaltern
an Stahlflachprofilen an der Decke befestigt sind. Diese Art der Montage ermöglicht eine
Akustische Lösung: Baffeln, Schlitzplattenabsorber und Vorhänge präzise Justierung in Höhe und Abstand. Die Gestaltung der Akustikdecken ist das Ergeb-
nis einer federführenden Planung der Innenarchitekten, unter Berücksichtigung der bau-
Das Gebäude mit seinen harten Oberflächen, wie den großen Glasflächen der Pfos- physikalischen Vorgaben und der integrierten Fachplanungen der TGA-Planer. Die hohe
ten-Riegel-Fassade und den rohen Betonoberflächen, stellte hohe Anforderungen an Planungsgenauigkeit musste den ausführenden Firmen vor Ort vermittelt werden, in den
die Raumakustik. Insbesondere die Speiseausgabe erwies sich aufgrund des hohen Baubesprechungen wurden sie auf den hohen gestalterischen Anspruch eingestimmt.
Geräuschpegels und der begrenzten Platzverhältnisse als anspruchsvoll. Durch den Ein-
satz verschiedener akustisch wirksamer Flächen und Objekte als Gestaltungselemente Gewerkeübergreifende Zusammenarbeit führt zum Erfolg
wurde diese Anforderungen gekonnt begegnet. Da die fünf Meter hohe Decke aufgrund
der thermischen Bauteilaktivierung der Stahlbetondecken nicht abgehängt werden durfte, In der Praxis führte dies zu einer konstruktiven, gewerkeübergreifenden Zusammen-
wurde mit sichtbaren Installationen gearbeitet. In verschiedenen Bereichen wurden die arbeit bei der Montage. Bei allen Deckenmontagen mussten die vorgeschriebenen
Decken rot oder blau gestaltet. Die darunter liegenden Lüftungskanäle und Elektrotrassen Bohrtiefen eingehalten werden, da die Stahlbetondecken mit thermischer Bauteil-
erhielten Farben aus der gleichen Farbfamilie, jedoch mit feinen Nuancen, sodass sie aktivierung das Gebäude kühlen und heizen. Wesentlich einfacher gestaltete sich
sich von der Decke unterscheiden. Die in einer Ebene darunter hängenden, gleichmäßig die Planung und Ausführung der Akustikwandbekleidungen. Die mit Eichenholz fur-
angeordneten Akustikbaffeln legen sich wie eine Pixelgrafik über die Farbflächen. Die nierten Schlitzplattenabsorber erfüllen in Verbindung mit einer 30 Millimeter star-
Umsetzung des Entwurfs in die Ausführungsplanung wurde zu einem regelrechten Tetris, ken Hinterfüllung aus Mineralwolle zusätzlich schalldämpfende Anforderungen und
das nicht nur innenarchitektonisch gelöst werden musste. Die verschiedenen Räume der sorgen zusammen mit den Baffeln für eine hervorragende Akustik im Gebäude. Die
Kantine wurden in den Berechnungen nach DIN 18041 den Raumgruppen B3 (Räume Berechnungen zur Raumakustik lieferten klare Flächenangaben in Quadratmetern,
zum längerfristigen Verweilen) und B4 (Räume mit Bedarf an Lärmminderung und die dann raumweise gestalterisch und im Detail geplant wurden. Einige dieser Flä-
Raumkomfort) zugeordnet. Die Vorgaben aus den raumakustischen Bemessungen der chen wurden in große raumhohe Einbaumöbel oder Deckenschürzen integriert. Da
Bauphysiker waren maßgeblich und wurden gestalterisch umgesetzt. Im Wesentlichen das Obergeschoss des Mitarbeiterrestaurants auch temporär für Veranstaltungen und
kamen drei verschiedene Materialien zum Einsatz: Akustikbaffeln in zylindrischer Form Vorträge genutzt wird, ergeben sich andere raumakustische Anforderungen als bei der
an den Decken, Schlitzplattenabsorber an den Wandflächen und akustisch wirksame regulären Nutzung als Kantine und Work Space. Hier dient beispielsweise ein Vorhang
Vorhänge. In einzelnen Bereichen wurden zudem Decken- und Wandbekleidungen aus aus schwerem Stoff als raumteilendes Element. Dieser besitzt gleichzeitig zusätzliche
Holzwolle-Akustikplatten eingesetzt. Das sich aus dem Entwurf ergebende gleichmäßi- absorbierende Eigenschaften, die speziell auf die Anforderungen der Veranstaltungen
ge Raster der Akustikbaffeln an den Decken musste bei der Planung der Sichtinstalla- ausgelegt sind. „Mint42 ist nicht nur der Place-to-be für leckeres Essen, sondern auch
tion der Lüftungs- und Klimaanlagen, der offen verlegten Elektrotrassen und weiteren zum Coworking, Netzwerken und Ideenaustausch“, schreibt der Bauherr.
AIT 6.2024 • 119