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Achim Geissinger


                                                                          1971 bei Stuttgart geboren 1997 Architektur-Diplom an der Hochschule
                                                                          für Technik Stuttgart 1998–2021 Redakteur der db deutsche bauzeitung
                                                                          seit 2021 als freier Autor und im PR-Bereich tätig seit 2022 im Büro LRO































             Verglasung schließt den vormals offenen Raumübergang. • Glazing now closes the previously open room transition.  Akustisch wirksame Lamellendecke verdeckt Lüftungstechnik • Acoustically effective ceiling conceals ventilation




             den und wirkt so der Erwärmung der Bauteile entgegen. Die Nachtauskühlung ist nun   kaum. Sie fügen sich so selbstverständlich ein, als seien sie bereits Bestandteile des
             automatisiert und in beiden Bauteilen optimiert, vor allem durch zusätzlich eingebaute   Originalentwurfs gewesen. Der Speisesaal wurde zum Flur hin mit großen verglasten
             Lüftungsklappen, damit die kühlere Nachtluft von unten besser nachströmen und die   T30-Rauchschutztüren mit Offenhaltung versehen. Das Raumkontinuum der Mensa
             warme Luft entlang des Oberlichtbands entweichen kann. Ebenso auf Low-Tech-Ebene   blieb somit erhalten, der Saal lässt sich dadurch jetzt aber flexibel und auch unabhän-
             wie die Nutzung des Kamineffekts bewegt sich die Optimierung des Sonnenschutzes:   gig vom Schulbetrieb nutzen. Die Klassenzimmertüren wurden ertüchtigt und sind nun
             Der rote Markisenbehang wurde gegen einen neuen Screen in heller Farbe mit höherem   selbstschließend und rauchdicht. Die flächendeckende Installation von Rauchmeldern,
             Reflexions- und geringerem Transmissionsgrad ausgetauscht. Entgegen dem damaligen   kombiniert mit einer automatischen Brandmeldeanlage, stellt die frühzeitige Alarmie-
             Zeitgeist war die Schule mit vergleichsweise wenig Technik ausgestattet. Mechanische   rung von Nutzern und Feuerwehr sicher.
             Belüftung gibt es nur dort, wo zwingend erforderlich. Gelüftet wird grundsätzlich über
             die Fenster. Deren Öffnungen sind nur so groß dimensioniert, wie es zur Ausnutzung des   Unauffällig gelöst
             Tageslichts tatsächlich nötig ist. Der gemauerte Anteil liegt relativ hoch und führt die Vor-
             teile einer zweischaligen Ziegelfassade gegenüber einer Glasfassade vor Augen: deutlich   Das Schöne am Gebäude sind unter anderem seine Robustheit und die tektonische
             geringere Kosten, höhere Speicherkapazität, weitaus höherer Dämmwert und längere   Ehrlichkeit: außen und innen Sichtmauerwerk und rauer brettgeschalter Sichtbeton,
             Haltbarkeit. Auch nach über 20 Jahren befinden sich die Gebäude noch in einem exzel-  kaum Trockenbau oder verputzte Wände. Dies erschwert allerdings jegliche Nachins-
             lenten Zustand; die hochwertigen und robusten Materialien haben sich bewährt und   tallation für nun sicherheitsrelevante Bauteile. Für die Verkabelung von Rauchmeldern,
             sind seit jeher frei von unangenehmen Ausdünstungen.         Sicherheitsbeleuchtung, Fluchtweg-Piktogrammen, Steuerung der Offenhaltung von
                                                                          Brandschutztüren und das Notfall- und Gefahren-Reaktions-System mussten individuelle
             Brandschutz als Treiber                                      Lösungen gefunden werden. Selbst im direkten Vorher-nachher-Vergleich fallen sie aber
                                                                          kaum ins Gewicht. Die geschickt versteckte Leitungsführung über den Einbauschränken
             Nicht mehr aufrechterhalten ließ sich das überkommene Brandschutzkonzept – unter   an den Flurseiten der Klassenzimmer erleichterte die erforderlichen Nachinstallationen
             anderem waren Zugänglichkeit und Entfluchtung der Obergeschosse als ungenügend   der Haupttrassen für Strom und elektronische Medien enorm. Eine neue Schicht von
             eingestuft worden. Der langgestreckte Bauteil 1 musste in zwei Rauchabschnitte unter-  Abhangdecken in Teilbereichen der Flure trägt Sicherheitsbeleuchtung und Rauchmelder
             teilt werden. Die Abtrennung übernehmen unauffällige Verglasungen mit Rauchschutz-  und ist zudem akustisch wirksam. Zu den vielen Details, die angepasst werden mussten,
             türen; der offene Charakter der großzügigen Flurhalle blieb dadurch erhalten. Zur Kom-  zählen etwa die auf Grundschülergröße umgebauten Sanitärbereiche oder eine zweite,
             pensation wurden fünf zusätzliche Fluchttreppen ergänzt – vier davon außenliegend. Sie   niedrigere Reihe von Garderobenhaken in den Fluren. Gleichzeitig galt es, Brüstungen
             verbessern die Zugänglichkeit der Obergeschosse für die Feuerwehr und bilden zusam-  und Geländer geringfügig zu erhöhen. Deutlichere Eingriffe in die Baustruktur ergaben
             men mit 1,20 Meter breiten Bypass-Türen unabhängige zweite Fluchtwege direkt nach   sich freilich aus der Anpassung an das veränderte Raumprogramm: Die ehemaligen
             draußen. Die neuen Türen erleichtern überdies die gleichzeitige Aufsicht benachbarter   Werkräume wurden für Musik und Kunst adaptiert, die Verwaltung erweitert, das Leh-
             Klassenzimmer. Die beiden Betontreppentürme im Pausenhof stehen im deutlichen   rerzimmer vergrößert, Differenzierungsräume geschaffen, ein Bewegungsraum etabliert,
             Abstand zum Bestandsbau. Zwischen ihnen ist eine Überdachung aufgespannt, die als   … Spuren davon sind so wenig zu sehen wie von der PV-Anlage auf dem Dach (150
             Pausenunterstand und Schattenspender dient und zusammen mit den filigranen Stegen   kWp), der nachgerüsteten Seilsicherung, der Erneuerung der Blitzschutzanlage oder der
             den Außenbereich vor der Mensa räumlich fasst. Auch die straßenseitige Stahltreppe   Umrüstung auf LED. Es stehen noch an: der Rückbau aller Provisorien und die Anpas-
             und die Betontreppe im Norden zum Vorgarten des Bauteils 2 berühren den Bestand   sung des Schulhofs auf die Bedürfnisse der Grundschüler.

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