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Entwurf • Design Heim Blaschke Architekten, Stuttgart
                                                                          Bauherr • Client Kath. Kirchengemeinde St. Bonifatius, Metzingen
                                                                          Standort • Location Weiherstraße 15, Riederich
                                                                          Nutzfläche • Floor space 406 m 2
                                                                          Fotos • Photos Jürgen Pollak, Stuttgart
                                                                          Mehr Infos auf Seite • More infos on page 126

















                                                                                                                                      Kunst am Bau: Christine Hecht, IT-Assisi









             Aus dem alten Altar gefertigt: neuer Altar und Ambo • Made from the original altar: new altar and ambo  Für besondere Anlässe öffenbar: Glastüre mit Motiven von Christine Hecht • Glass doors with motifs


             von • by Florian Heim und Anna Blaschke, Stuttgart
             A  llerorten werden Kirchenbauten abgebrochen, umgenutzt, umgebaut, verkleinert oder   Altar, der zu ebener Erde aufgestellt wurde. Durch Entfernen der Bankreihen zugunsten
                                                                          von beweglichen, mit Verbindern gereihten Stühlen – teilweise mit Kniebank – wird der
                an neue Anforderungen angepasst. Selten geschieht die Transformation allerdings so
             grundlegend wie bei St. Johannes in Riederich: Hier schafft die neue Organisation des   Kirchenraum flexibel nutzbar. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Anordnungen lässt sich
             Kirchenraums nicht nur Möglichkeiten für einen zeitgemäßen Gottesdienst, sondern auch   dadurch realisieren und schafft Abwechslung in den liturgischen Feiern. Um die neue
             für vielfältige Angebote der Nutzung, die über die liturgischen Zwecke weit hinaus gehen.   Mitte zu stärken, wurden wesentlichen Elemente wie Tabernakel, Marienaltar, Taufbe-
             Die Kirche St. Johannes Bosco in Riederich wurde 1967 nach den Plänen des Herrenberger   cken und Gedenkort an die Verstobenen an die Ränder beziehungsweise in die Raum-
             Architekten Wilhelm Frank (1925–1992) errichtet und ist den Kirchenpatronen Giovanni  ecken verlagert. Der Eingangsbereich unter der Empore gewann durch den Ausbau der
             Don Bosco und Papst Johannes XXIII gewidmet. Sie ist Teil einer Serie von 25 nahezu  Beichtstühle und des alten Windfangs zusätzlich Platz, sodass mehr Freiraum für einen
             baugleichen Kirchengebäuden, die in den Jahren um 1970 in der Diözese Rottenburg-Stutt-  Marien- und einen Gedenkort entstand. Ein Joch wurde durch eine neue Rückwand abge-
             gart errichtet wurden. Dieser Kirchentypus zeichnet sich durch den Einsatz von Beton-  trennt, um Raum für zwei Seitenkapellen für Taufstein und Tabernakel sowie ein Stuhl-
             fertigteilen aus, gefügt zu einer längsorientierten, zeltartigen Wegekirche mit einem steil  lager zu ermöglichen. Diese Seitenkapellen bieten die Möglichkeit für eine persönliche
             aufragenden Satteldach. Die Kirche St. Johannes Bosco ist Teil der katholischen Kirchenge-  Andacht in kleinen, geschützten Räumen. Teile der bestehenden liturgischen Ausstattung
             meinde Metzingen-Sankt Bonifatius und übernimmt als Filialkirche wichtige pastorale und   (Tabernakel, Taufstein) wurden weiterverwendet.
             seelsorgerische Aufgaben in der Gemeinde Riederich. Dabei bleibt die Kirchengemeinde
             von den allgemeinen Entwicklungen der Religionsgemeinschaften leider nicht verschont:  Erneuerung und Zukunftsperspektiven
             Abnehmende Mitgliederzahlen und eine Überalterung der aktiven Gemeindemitglieder
             führen zu immer weniger und älteren KirchenbesucherInnen. Erhebliche technische Män-  Aus den bestehenden beziehungsweise überformten Teilen des alten Altars setzte der
             gel an der Heizung und der Elektroinstallation trugen dazu bei, dass die Kirche zunehmend   Steinmetz dagegen einen neuen Altar und einen neuen Ambo zusammen. Die alten Fens-
             als wenig attraktiv wahrgenommen wurde. Durch den schwindenden Zuspruch und die   ter mit den Kunstverglasungen integrieren sich unverändert in das neue Raumkonzept,
             baulichen Mängel stand die Zukunft dieses Kirchenstandorts akut in Frage.   im Eingangsbereich ergänzt durch eine neue Kunstverglasung der in Assisi tätigen, aus
                                                                          Böblingen stammenden Künstlerin Christine Hecht. Die übrigen bestehenden Oberflä-
             Aufbruch und Wandel                                          chen, wie beispielsweise die Natursteinwände und die hölzerne Decke, blieben erhalten,
                                                                          die Sichtbetonbinder und die Holzdecke tragen jetzt einen hellen Anstrich. Technisch
             Eine Gruppe von engagierten Gemeindemitgliedern beschloss daher, diesen Veränderun-  wurde die Kirche auf einen aktuellen Stand gebracht, die elektrische Installation und
             gen nicht tatenlos zuzusehen, und wagte mit dem „Riedericher Team“ einen Aufbruch.   die Beleuchtung wurden erneuert. Mit einer elektrischen Fußbodenheizung kann auf die
             Durch eine liturgische-pastorale Neuausrichtung, durch eine technische Instandsetzung  wechselnde Anordnung der Nutzung reagiert werden. Das hatte zur Folge, dass die höl-
             und nicht zuletzt durch eine neue Gestaltung sollte ein Angebot entstehen, das weit über   zernen Bankpodeste ausgebaut werden mussten und die Natursteinböden einem Belag
             die Kirchengemeinde Riederich hinauswirken kann. Neben Gottesdiensten und liturgi-  aus Betonwerkstein wichen. Zudem wurde auf der südlichen Dachfläche eine Photo-
             schen Feiern in kleinem Kreis wollte man auch Konzerte und Theateraufführungen, Aus-  voltaikanlage installiert. Am 24. November 2024 konnte mit der Altarweihe die Kirche
             stellungen und Ähnliches ermöglichen. Durch diese Veränderungen sollten die Kirche   wieder in Betrieb gehen. Mit viel Engagement und Eigenleistung ist es den Mitgliedern
             gestärkt und die Zukunft des Standortes gesichert werden. Für die neuen Nutzungsanfor-  der Kirchengemeinde gelungen, dem Kirchenstandort im Wohngebiet von Riederich eine
             derungen musste der Kirchenraum neu organisiert werden. Hinzu kam der Wunsch der   Zukunft zu geben und das Angebot für ein gesellschaftliches und religiöses Miteinander
             Kirchengemeinde nach einer größeren Nähe zwischen Pfarrer und Gemeindemitgliedern.   sicherzustellen. Das neue Konzept der Kirche richtet sich gezielt auch an junge Menschen
             Den zentralen Punkt der Feierlichkeiten bildet dabei der weiter in die Raummitte gerückte  und bietet diesen attraktiven Entfaltungsraum.

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