Page 137 - AIT0317_E-Paper

Jan Dechow Julia Buschlinger

1981 in Kühlungsborn geboren 1998–2001 Ausbildung als Bauzeichner 2003–2008 Studium der Architektur an der 1982 in Mainz geboren 2003–2004 Studium der Architektur an der TU Darmstadt 2004–2010 Studium der
FH Wiesbaden 2008–2011 Mitarbeit u.a. Studio Arne Quinze, Kortrijk; Baumschlager Eberle, Zürich; Ole Scheeren, Architektur an der FH Wiesbaden 2010–2013 Mitar beit Eisele Staniek Architekten, Darmstadt 2013 Gründung
Peking 2012 selbstständiger Architekt 2013 Gründung MIND Architects Collective, Bischofsheim MIND Architects Collective, Bischofsheim

Der gesamte Innenausbau – Wände, Decken und Einbaumöbel – wurde mit Birkenholz-Multiplexplatten realisiert. • The complete interior fittings were done with birch-wood multiplex panels.

B ischofsheim ist eine 12.000 Einwohner zählende Gemeinde. Auf einem kleinen wurde durch den Ein satz von Brett schicht holzträgern weitestgehend reduziert. Das offe-
Grundstück im eng verdichteten Ortskern sollte ein ökologischer Neubau in Holz -
ne Treppenhaus mit Dach flä chen fenster und Lüftungsklappen ermöglicht wiederum
massivbauweise mit flexibler Nut zung entstehen – aktuell verwenden wir das Haus als eine natürliche und stetige Be lüftung durch den Kamineffekt. In Kom bination mit einer
Büro, später soll es als Ein fami lien haus dienen. Der Nachhaltigkeitsgedanke sollte Wärmepumpe und entsprechenden Spiralkollektoren entstand auch in klimatechni-
aber nicht nur in der flexiblen Grund riss gestal tung zum Ausdruck kommen, sondern scher Hinsicht eine besonders nachhaltige und ökologische Lösung.
sich in allen Be rei chen des Bauens niederschlagen. So entschieden wir uns für die aus-
schließliche und ganzheitliche Verwendung von Holz als Baumaterial für Kons truk tion, Die Holzmassivbauweise überzeugt auch in Statik und Bauphysik
Dämmung, Fassade und Innenausbau. Im ersten Schritt muss ten die komplexen Anfor -
de rungen der Bauherren strukturiert und genauer erörtert sowie die städtebaulichen Die bewusste und ausschließliche Verwendung von Holz als Konstruktions-, Dämm- und
und bauordnungsrechtlichen Vorgaben und deren Poten ziale er mittelt werden. Bin - Oberflächenmaterial innen wie außen entspricht ganz den Leitgedanken von ge bau ter
dend war eine Grenz bebauung bis unmittelbar an das Nachbar ge bäude heran, was Nach hal tigkeit und formaler Schlichtheit. Beide Faktoren sind für unser Büro wichtig und
mit einer Brandwand in Brettsperrholz realisiert werden konnte. Das Leit bild des Ent - begeistern uns. Zudem ist Holz für uns ein traditionelles Material, das schon seit Men -
wurfes be stimmte der Wunsch nach lichtdurchfluteten Raumstrukturen sowie nach of - schengedenken verwendet wird und sich bewährt hat. Schon allein die Haptik des
fenen Raum beziehungen sowohl im Inneren als auch zwischen innen und außen. Materials weckt in uns ein Bewusstsein dafür, mit einem gesunden und natürlichen Ma -
te rial zu arbeiten. Zugleich ist für uns der Werkstoff Holz in allen Be langen ein zukunfts-
Helle und offene Räume in einer nachhaltigen Konstruktionsweise weisender Baustoff. Vorgefertigte Bauteile, präzise Montage und die Mini mierung von
Fehlerquellen gehören dabei zu Aspekten, die die moderne Holz architektur für uns at -
Für das Äußere suchten wir eine Form, die weder abstrakt erscheint noch um Aufmerk - trak tiv machen. Gleichzeitig begeistert uns, dass bei der Planung moderner Holzbauten
samkeit ringt und sich im urbanen Kontext eingliedert. Zudem sollte das Gebäude ein nach wie vor die handwerkliche Bearbei tung und uralte Zimmermannstraditionen von
un auffälliges, schlichtes und in seiner Materialität re du ziertes Gewand erhalten. Rea - Bedeutung sind. Zwangsläufig ergibt sich dadurch eine enge und intensive Zusam -
lisiert werden konnte dies mit einer hinterlüfteten Fassade aus 30 Zentimeter breiten, menarbeit mit Herstellern und Gewerken bereits in der Planungs phase, die sich letztlich
unbehandelten Dougla sien bohlen auf einem Wandaufbau aus Holzweich faserdäm - als sehr viel positiver und vor allem effektiver als bei konventionellen Bauweisen er weist.
mung und einer tragenden Schicht aus Brettsperrholz. Attika und Fensterbleche liegen Dies sorgt auch für einen schnellen Bauprozess, was gerade für Bauherren ein großer
fachgerecht versteckt hinter der Holz fassade, wodurch die schlichte Erscheinung unter- Vorteil ist. Nicht zuletzt sind es auch bauphysikalische Vorteile, die der Holz massivbau
stützt wird. Auch im Innenraum entspricht die ganzheitliche Ausführung der Wand- und mit sich bringt – so zum Beispiel im Hinblick auf den Brandschutz. Brand wände sind
Deckenbekleidungen sowie der Einbau möbel aus unbehandelten Birkenholz-Multiplex - ohne großen Aufwand und ohne andere Ma te rialkomponenten herstellbar. Ganz klar ist
plat ten dem reduzierten Ma terial konzept. Den genannten baurechtlichen Vorgaben auch der statische Faktor einer der Punkte, die den Holzmassivbau attraktiv und bedeut-
kommt der Erschließungskern mit seiner über drei Geschosse reichenden Biblio theks - sam machen. Dem gegenüber stehen die leicht höheren Kosten – etwa im Ver gleich zur
wand nach. Er schließt mit der Brandwand unmittelbar an den Nachbar bau an. Rück - Stän derbauweise. Durch eine gute Vorplanung, den hohen Vor fer ti gungs grad und ihre
wärtig verspringt das Ge bäude wiederum und bildet einen privaten, ge schützten Innen - außerordentlichen statischen und bauphysikalischen Eigen schaften kann die
hof, der bereits bei Eintritt in das Gebäude durch die bodentiefen Fens ter einsehbar ist. Holzmassiv bau weise jedoch durchaus überzeugen und – eine ganzheitliche Betrachtung
Hier werden auch die statischen Möglichkeiten des modernen Holz baus deutlich. Nur vorausgesetzt – als kosteneffiziente Bauweise gelten. Im Vergleich zur Stän derbauweise
wenige filigrane Stützen und statisch wirksame Wandteile erzeugen eine in ihrer Offen - entfällt etwa der Aufwand für eine zusätzliche Installationsebene zur luftdichten Montage
heit beeindruckende Raumgeometrie. Auch der Anteil von notwendigen Stahl bau teilen von Kabeln, Hohlraumdosen und Rohren, was letztlich Zeit und Geld spart.

AIT 3.2017 • 137