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Entwurf • Design BeL Bernhardt und Leeser Sozietät für Architektur
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                                                                              Standort • Location Gumprechtstraße 12a, Köln
                                                                              Nutzfläche • Floor space 335 m 2
                                                                              Fotos • Photos fotografieSCHAULIN, Hamburg
                                                                              Mehr Information ab Seite • More information on page 150





                von • by Kristina Raderschad
                A   nne-Julchen Bernhardt und Jörg Leeser haben sich mit ihrem Planungsbüro BeL
                    Sozietät für Architektur längst einen Namen für den undogmatischen Umgang mit
                Raum und Oberflächen gemacht. Ob gläsernes Penthouse auf einem Wolkenkratzer
                aus den 1970er-Jahren (siehe AIT 10.2016) oder kleines Arbeiterhaus in einer Nach -
                kriegssiedlung – ihre gekonnten Eingriffe in bestehende Strukturen respektieren stets
                die Geschichte eines Gebäudes und denken diese sensibel weiter. Bei ihrem jüngsten
                Wohnprojekt legten sie die Material- und Zeitschichten einer Kunst schmiede in Kölns
                ehemaligem Arbeiterviertel Ehrenfeld frei. Im Hinterhof eines Dreifensterhauses ver-
                wandelten sie das denkmalgeschützte Torgebäude und die dahinter liegende Werk -
                halle, in der einst Kunstschmied Carl Wyland an seinen prämierten Werken für Archi -
                tektur und Bildhauerei arbeitete, in ein zeitgemäßes Zuhause mit 335 Quadrat metern
                Wohnfläche, einen Ort zum Leben und Arbeiten für ein junges Paar mit Kind.
                Vorhandenes weitergedacht


                „Es ist immer spannend, sich mit etwas, das schon da ist, auseinander zu setzen,“ so
                Anne-Julchen Bernhardt. „Einem Gebäude nur eine neue Ebene hinzuzufügen, nicht
                alles neu zu machen – das bedeutet auch, sich als Architekt und Entwerfer selbst zu -
                rückzunehmen und Vorgefundenes behutsam weiterzuschreiben.“ Dinge nicht zu be -
                reinigen, stattdessen im Kontext  weiterzudenken und damit die Komplexität einer
                Struktur, eines Raumes noch zu steigern: Diese für das Architektenduo typische Vor -
                gehensweise ist in Zeiten von Immobilien- und Raumknappheit in Innenstädten, wo
                alles an Bestand ertüchtigt und zu Wohnraum ausgebaut wird, was nur geht, aktueller
                denn je. Und lässt sich im Falle der sanierten Schmiede Baujahr 1902 aufs Schönste in
                der neuen Küche – dem ehemaligen Duschraum der Angestellten – ablesen. Hier sind
                alle Zeitschichten sichtbar: Die vorgefundenen hellblauen Dusch raum fliesen, die nach
                Schätzung der Architekten aus den 1950er Jahren stammen, wurden gereinigt, dazu
                erzeugen die geschlämmten Backsteinwände, eine kunstgeschmiedete Kellertür und
                ein ergänztes großformatiges Aluminiumfenster sowie die eigens entworfene und vom
                Schreiner maßgefertigte Schichtstoffküche einen Raum  von großer erzählerischer
                Dichte. Die Farben der  Einbaumöbel – Beigegrau für die raumhohe Arbeits- und
                Schrankzeile, Grüngrau für die freistehende Kochinsel – erzeugen zusammen mit den
                vorgefundenen himmelblauen Fliesen einen wohnlichen, freundlichen Dreiklang. „Die  In der Küche lassen sich die Zeitschichten besonders gut ablesen. • The layers of time can be read especially well.
                Farben, die wir im Innenraum neu ergänzen, müssen eine Selbst ver ständlichkeit im
                Gesamtkonzept haben,“ erklärt Anne-Julchen Bernhardt. „Also mit  Vorgefundenem
                harmonisch mithalten, ohne laut oder kreischend bunt zu sein.“ Außen waren die
                alten Fensterrahmen grün gestrichen, mit einer typischen Industrie- und Rost schutz far -
                                                                              Wo früher geduscht wurde geht es heute kulinarisch zu. • Showers were taken, culinary delights are prepared.
                be, die in Köln häufig im Stadtbild auftaucht – etwa als Schutz an strich der Rhein brü -
                cken. Diesen hellen Grünton haben die Architekten Kölner Brückengrün ge tauft und es
                auch im Innenraum übernommen, beispielsweise in der Kü chen insel.

                Rückzugsort und multifunktionale Wohnhalle

                Im Obergschoss des Torhauses, wo in den ehemaligen Büro- und Zeichen räumen des
                Kunstschmiedes  zwei Schlafräume und ein Badezimmer Platz fanden, setzten die
                Gestalter das gleiche Graugrün als monochromen Anstrich  auf Böden,  Wän den,
                Decken,  Treppe und Ge länder ein. Der einheitliche Anstrich fasst die einzelnen
                Elemente optisch zusammen und lässt die recht kleinen Räume großzügiger wirken.
                Ebenso wie im Obergeschoss befinden sich in dem, mit Tageslicht belichteten Unter -
                geschoss neben Stauraum, Werk statt und Waschküche mit einem Hamam und einem
                großzügigen Lesezimmer Bereiche für den Rückzug. Die ehemalige Werkhalle, ein 9
                mal 27 Meter großer stützenloser Raum, der von einem sechsjochigen Holzsheddach
                mit Oberlichtern überspannt wird, entwickelten die Ar chitekten im Zuge des Umbaus
                zum loftartigen „Universalraum“, einer  Wohnhalle mit  vielseitigem Nutzen  weiter.


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