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Uwe Bresan


                                     1980 in Dresden geboren  2000–2008 Studium  der Architektur  an der Bauhaus-Universität in Weimar  2005–2006 Freier Mitarbeiter am Deutschen
                                     Architektur museum in Frankfurt/M. seit 2008 Mit arbei ter bei AIT in Stutt gart  seit 2008 Veröffentlichungen zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts
                                     sowie zu queeren Architekturthemen 2015 Dissertation im Fachbereich Architekturgeschichte und Denkmalpflege an der Universität Siegen































                Innen ist Le Trident kaum wiederzuerkennen, nach außen jedoch erscheint das Haus wie vor 90 Jahren. • The interiors of Le Trident can hardly be recognised, but on the outside, the house looks like it has done the last 90 years.



                westlich des Col de l´Esquillon erstreckt, führt ein schmaler Schotterweg, der parallel zur Corniche d'Or verläuft, zum
                Haus. Ein unauffälliges Eisentor markiert am Ende des Weges den Zugang. Von hier winden sich fast drei Dutzend Stu -
                fen den steilen Abhang hinunter. Sie führen auf einen kleinen Vorplatz, von dem aus das Haus betreten wird. Die
                schwe re, hölzerne Tür ist von einem fein profilierten Sandsteinportal gerahmt. In den mittig über der Tür vortretenden
                Schlussstein ist die filigrane Zeichnung eines Dreizacks eingemeißelt, der dem Haus seinen Namen gibt: Le Trident. Die
                drei scharfkantigen Felseninseln des Pointe de l´Esquillon, die unterhalb des Hauses ins Meer ragen, sollen Dierks zu
                der Namenswahl inspiriert haben. Be treten wird das Haus im Obergeschoss. Wie zur Entstehungszeit werden von
                einem schmalen Gang aus mehrere Schlafzimmer und Bäder erschlossen, während die offene Treppenhalle, die von
                einem filigranen Sterngewölbe über spannt wird, in die Hauptwohnräume im Erdgeschoss führt. Linkerhand lagen
                früher die Bibliothek, das Speisezimmer sowie Dierks´ Arbeitszimmer, während sich rechterhand des Treppenabgangs
                der Salon befand. Noch heute wird der Raum von einem großen Kamin aus grauem Sandstein beherrscht. Zwischen
                den Salon und die übrigen Wohnräume des Erdgeschosses legte Dierks eine tiefe und von einem einfachen Kreuzge -
                wölbe überspannte Loggia an, die über drei schmale Fenstertüren aus der Treppenvorhalle heraus betreten wird. Zur
                sich anschließenden großen Terrasse trennte der Architekt den Freisitz durch zwei dünne Säulen ab, die den offenen
                Außenraum noch heute in ein intimes Separee verwandeln. Einen Pool gab es früher nicht, nur ein kleines, flaches
                Wasserbecken saß am Rand der großen Terrasse. Zum Baden musste man über einen schmalen, steinigen und nur not-
                dürftig mit einigen Stufen befestigten Weg zum Meer hinab steigen, wo zwei natürliche Felsbecken zwischen den scharf -
                kantigen Klippen als leidlich komfortable Badeorte dienten. Ein zweiter, nicht weniger beschwerlicher Abstieg führt
                auch heute noch an einen kleinen Sandstrand in einer benachbarten Bucht.

                Der talentierte Mr. Dierks: Le Trident ist Barry Dierks´ geniales Früh- und Hauptwerk  Der Architekt Barry Dierks und ... • Architect Barry Dierks and ...
                                                                                                  ... sein „Manager“ Eric Sawyer • ... his “manager” Eric Sawyer
                Warum sich Dierks ausgerechnet jenes felsige und nur schwer zugängliche Terrain am Pointe de l´Esquillon, das bei
                den Einheimischen als unbebaubar galt, für den Bau seines Hauses aussuchte, dafür gab es vor allem einen Grund –
                und der hieß Eric Sawyer. Er war zehn Jahre älter als Dierks und kam aus England. Beide hatten sich zu Beginn der
                1920er-Jahre in Paris kennen und lieben gelernt. Und auch wenn der Umgang der französischen Gesellschaft mit dem
                Thema Homo sexualität während der Zeit zwischen den Weltkriegen äußerst liberal war, so wussten Dierks und
                Sawyer doch stets um ihre bedrohte  Außenseiterrolle und die strikte Notwendigkeit sich  vor  Anfeindungen und
                Denunziationen zu schüt zen. Das einsame, nur von der Meerseite aus einsehbare Grundstück unterhalb der Corniche
                d´Or war deshalb ideal. Hier konnten Dierks und Sawyer unauffällig und ungestört das Leben leben, dass sie sich
                gemeinsam wünschten – offen, unbeschwert und mit zahlreichen Freunden und Gleichgesinnten. Das Gästebuch ihres
                Hauses, das sich bis heute erhalten hat, erlaubt einen kleinen Einblick ins sorgenfreie Leben in Le Trident. Dierks und
                Sawyer liebten es, die Besucher ihres Hauses zu fotografieren und diese Bilder den Einträgen im Gästebuch zuzuord-
                nen. Neben Familien mitgliedern – vor allem Sawyers Mutter – und einer Reihe von Dierks´ Auftraggebern zeigen viele
                der Fotografien ein zelne Männer oder kleinere Männergruppen, die oft nur mit Badehosen bekleidet auf der Terrasse



                                                                                                                               AIT 3.2017  •  129
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