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VERKAUF UND PRÄSENTATION  •  RETAIL AND PRESENTATION THEORIE • THEORY

              CARACOLES








               Espacio Continuo: Cristobal Palma und Pedro Alonso erforschen einen besonderen Bautyp chilenischer Shoppingmalls
               Espacio Continuo: Cristobal Palma and Pedro Alonso did research on a specific building type of Chilean shopping malls




















































               Caracol Unión Latino Americana in Santiago, 1979, von • by José Sepúlveda, Eugenio Orellana   Caracol Centro in Temuco, 1980, von • by Carlos Prieto Correa


               In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Chile ein spe zieller Typus C  ristobal Palmas Fotoserie Espacio Continuo dokumentiert eine Vielzahl recht pa ra -
                                                                                dox aussehender Gebäude, die in Chile gemeinhin als Schnecken (Caracoles) be -
               von Shoppingmalls. Statt Passagen mit hori zon ta len und beiderseits  zeich net werden. In ihrer Gesamtheit betrachtet, bilden die Aufnahmen der insgesamt
               von Geschäften  begleiteten Laufwegen,  wie sie in Eu ro pa üblich  46 Bau ten aus Santiago und 17 anderen chilenischen Städten eine Art Taxo nomie, die
               sind, entstan den hier sogenannte Caracoles, Schne ck en, in de nen  un serem paranoiden Bedürfnis, Genea logien und Klassifi ka tionen zu konstruieren, ent -
               sich die Läden spiralförmig um ein zen trales Atrium verteilen. Es pa -  spricht. Bis her wurden die Gebäude, die jeder möglichen Regel zu wi der sprechen schei -
               cio Conti nuo, endloser Raum, hat der Fotograf Cris to bal Palma seine  nen, von der Architekturgeschichte weitestgehend ignoriert. Sie sind keinem bekannten
               Dokumentation der Caracoles ge nannt. In seinem begleitenden Text  archi tektoni schen Kanon zugehörig und selbst die Namen ihrer Archi tek ten sind bis
               versucht Pedro Alonso die Bedeutung des Typs herauszuarbeiten.  heute vielfach unbekannt. Sie erschienen erstmals um die Mitte der 1970er-Jahre und
                                                                             breiteten sich im folgenden Jahrzehnt aus. Man könnte sie also zeitlich der Postmoderne
               In the 1970s, a special type of shopping mall developed in Chile.  zuordnen. Genauso gut könnte man sie aber auch mo dern nennen. Dies gilt vor allem,
               Instead of arcades with horizontal walkways and stores on eit-  wenn wir sie als eine Nachwirkung des berühm ten, spiralförmigen Museums in New
               her side, as they are customary in Europe, here so called Cara -  York gelten lassen wollen, das 1959 mit genau dem Vermögen er richtet wurde, das die
               coles, snails, originated where the stores are distributed in the  Familie Gug genheim zu Beginn des  Jahr hunderts durch die  Aus beu tung der
               shape of a spiral around a central atrium. Espacio Continuo, end-  Bodenschätze der chilenischen Atacama-Wüste verdient hatte. Verdient also durch einen
               less space, is how photographer Cristobal Palma entitled his do -  Vor gang, der selbst topografische Spiralen – große schraubenförmige Krater und gewun-
               cu mentation of the Caracoles. In his accompanying text, Pedro  dene  Abraum berge – hervorbrachte! Genau betrachtet, sind die  von der Familie
               Alonso tries to analyse the significance of the type.         Guggenheim gestif teten und weltweit gefeierten Monu mente – das kunstvolle Gebäude
                                                                             Frank Lloyd Wrights an der Fifth Avenue in New York, Frank O. Gehrys mit Titan verklei-



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