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Entwurf • Design Conen Sigl Architekt:Innen, CH-Zürich
Bauherr • Client Wogeno Zürich, palmahus ag, CH-Zürich
Standort • Location Zukunftstraße 3-17, CH-Dübendorf
Wohnfläche • Floor space 14.000 m 2
Fotos • Photos Roman Keller, CH-Zürich
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Auch der begrünte Innenhof schafft Raum für die Gemeinschaft. • The green inner courtyard also provides space. Küche innerhalb der flexiblen Stützen-Platten-Struktur • Kitchen within the flexible column-slab structure
ten müssen aktiv neue Rückzugsgebiete für Lebewesen erschlossen werden. Ziel ist es, und tieferen Gebäudeteil des Hauptbaus sind größere Wohnungen angelegt. Im oberen,
Räume zu schaffen, in denen Naturraum und gebauter Raum nebeneinander existieren schmaleren Gebäudekörper befinden sich die kleineren Wohnungen. Im Flügelbau sind
können. Die Diversifizierung von Außenräumen scheint uns wichtig, um einer Vielzahl große Clusterwohnungen angeordnet, die von einer Stiftung gemietet werden, die die-
von Pflanzen und Tieren Lebensorte zu bieten. Aktives Handeln ist bei der Förderung sen Wohnraum Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stellt. Im Kopfbau befinden
von Biodiversität gefragt, insbesondere auch wegen der klimatischen Herausforderungen, sich Einheiten, die sowohl zu gewerblichen Zwecken wie auch als Wohnräume nutzbar
denen wir als Gesellschaft gegenüberstehen. Die Frage nach der Qualität des Lebens sind. Das gesamte Projekt wurde als flexible Stützen-Platten-Struktur entwickelt. Die
und den Wechselwirkungen zwischen lebenden und nicht-lebenden Dingen ist elemen- Grundrisse wurden mit nicht-tragenden Wänden gestaltet, und im Erdgeschoss sind die
tar, wenn wir über Raum sprechen. Wir sehen unsere Arbeit als Lebensraumgestaltung. Räume mit großzügigen Raumhöhen entworfen, sodass sie sowohl als Gewerbe- als
Architektur betrifft nicht nur den gebauten Raum. Es geht immer auch darum, einen auch als Wohnräume genutzt werden können. Die Gebäudestruktur ermöglicht eine
abstrakteren Raum zu verstehen und zu berücksichtigen – etwa den sozialen Raum. Der langfristige Anpassbarkeit an die sich wandelnden Bedürfnisse.
Austausch und die Verbindung vieler unterschiedlicher Ansichten und Lebensweisen ist
wahrscheinlich die Grundlage für eine gerechtere und sozialere Welt. Sich darauf einzu- Schwellenräume für Gartenbauaktivitäten und Veranstaltungen
lassen, ist ein wichtiger Akt bei der Schaffung von Räumen. Inwieweit ist der gebaute
Raum offen, um positive soziale Begegnungen zu schaffen? Wie kann gebauter Raum die Ein weiterer essenzieller Teil sind die gemeinschaftlich genutzten Räume. Diese zielen
Vielfalt fördern? Was sind die Schwellenräume zwischen öffentlich und privat – zwischen darauf ab, eine Umgebung zu schaffen, in der die BewohnerInnen interagieren, zusam-
innen und außen? Wie werden sie formuliert und gestaltet? Was bedeutet das Private menarbeiten und ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln können. Wir betrachten diese
und das Öffentliche für ein Gebäude und wie spiegelt es sich in einem Plan wider? Diese Gemeinschaftsräume als Schwellenräume – Bereiche, die den Übergang von öffent-
Fragen haben uns auch beim Projekt am Hochbord beschäftigt. Die räumliche Antwort lich zu privat bilden und unterschiedliche Grade an Offenheit und Intimität bieten.
wurde über viele Studien, Modelle und Gespräche erarbeitet. Diese Schwellenräume sind Orte, an denen sich die BewohnerInnen einbringen und
das Wohnumfeld mitgestalten können. Ein Hausverein, der sogenannte Hofrat, der
Verglaste Gewächshausstrukturen und räumliche Diversität für die Siedlung gegründet wurde, verwaltet und programmiert diese gemeinschaft-
lichen Räume. Mit dem Konzept des „Non-Finito“ wurde versucht, gewisse Räume
Drei Gebäudeformen umschließen einen gemeinschaftlichen Innenhof: ein vierstöcki- im Planungsprozess nicht überzudefinieren, sondern Interpretationsspielraum in der
ger, markanter Kopfbau, ein abgewinkelter dreistöckiger Flügelbau und ein neunstöcki- Nutzung und Aneignung durch die Bewohnerschaft zuzulassen. Ein Beispiel dafür ist
ges Hauptgebäude. Das Kopfgebäude ist leicht abgedreht, um einen klaren Zugang zum die halböffentliche Dachterrasse des Flügelbaus, die über interne Treppenhäuser und
Innenhof zu schaffen und die FußgängerInnen und RadfahrerInnen zu begrüßen, die eine öffentliche Freitreppe vom Innenhof aus zugänglich ist. Auf dieser umlaufenden
sich auf der Straße entlang der Bahnlinie bewegen. Der niedrigere und schmale Flügel- Ebene können Nachbarschaftsveranstaltungen und gemeinsame Gartenbauaktivitäten
bau begleitet die Bahngleise. Er schützt das Hauptgebäude vor dem Bahnlärm durch stattfinden. Auf dieser Zwischenebene befinden sich auch Musikzimmer und zwei
die auf dem Dach errichteten verglasten Gewächshausstrukturen. Diese bilden gleich- sogenannte Flex-Zimmer, die von den BewohnerInnen zum Beispiel als Atelier oder
zeitig den identitätsstiftenden Teil des Ortes, da sie an die Geschichte der Gärtnerei Gästezimmer bespielt werden können. Diese Räume können individuell gebucht wer-
erinnern. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts sind die Wohnungen in diversen Lay- den. Im Erdgeschoss sind jeweils die Stellen, an denen die FußgängerInnen ankom-
outs und Größen. Die unterschiedlichen Typologien bieten ein vielfältiges Angebot an men, mit öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzungen belegt. So wird der kleine
Wohnformen und erlauben eine breite Durchmischung der Bewohnerschaft. Im unteren Quartiersplatz im Süden von einer Gastronomie-Nutzung im Kopfbau und einer Werk-
AIT 7/8.2024 • 111