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Foto: Ruud Belmans, Co-founder WeWantMore
Entwurf Innenarchitektur • Interior Design WeWantMore, BE-Antwerpen
Entwurf Architektur • Architecture Design Atelier 47 Architects, BE-Durbuy
Bauherr • Client Christian Teunissen, Belgien
Standort • Location Rue de Montainpré 27, BE-Villers-sur-Lesse, Rochefort
Fotos • Photos Frederik Vercruysse, Styn Vanderdeelen, Katoo Peeters
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 134
„Nature morte“ am Empfang: Trockenblumeninstallation • “Nature morte”: dried flower installation Beeren- und Steintöne bestimmen die Lounge. • Berry and stone shades characterise the lounge.
von • by Annette Weckesser
D ie seit der Romantik schwelende Sehnsucht der Deutschen nach dem Wald erlebt Decke ist inspiriert von einer Stimmung, die Waldgängern bestens vertraut ist – nämlich,
jüngst eine Renaissance. In Anbetracht von Innenstädten im Lockdown-Modus und
wie früh morgens das Sonnenlicht durch das Blätterdach des Waldes dringt. Das Inte-
in Ermangelung von Alternativen zieht es viel mehr Menschen als sonst dorthin, wo sich rieur interpretiert in zeitgemäßer Manier die Charakteristiken eines tradierten Jagdho-
Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen. Laut proklamiert oder im Stillen gedacht, flammt tels. Tiere dürfen da selbstredend nicht fehlen. Anstelle der früher üblichen Jagdtro-
dabei immer wieder der Wunsch auf: „Wenn man nur wieder reisen und auch fremde phäen in Form von Tierpräparten greift WeWantMore jedoch auf eigenwillige, mit einem
Natur genießen könnte ...“ Ein Sehnsuchtsort für Waldliebhaber sind auch die belgi- Augenzwinkern realisierte animalische Kunstinstallationen zurück. Diese entstanden in
schen Ardennen. Auf gleicher Höhe wie Frankfurt am Main, nur 360 Kilometer weiter enger Kooperation mit dem niederländischen Designduo Les Deux Garçons. Im Hotel-
westlich, liegt bei Rochefort das Château de Vignée. 2018 erwarb Christian Teunissen restaurant nagen zwei freche Biber ungeniert das Holz des Kuriositätenschrankes an.
das klassische Jagdhotel. Der flämische Unternehmer ließ das 400 Jahre alte Schloss Ein farbenprächtiges Kunstwerk aus fünf Fasanen ziert eine Wand, und dann ist da noch
durch WeWantMore in ein Luxus-Boutique-Hotel voller Lokalkolorit verwandeln. Die Re- das Tete-à-Tete der beiden Rehe in der Bibliothek. Man meint förmlich, die Jäger zur
staurierung und Erweiterung der Bausubstanz übernahm das belgische Atelier 47 Archi- Jagd blasen zu hören. Text und Grafik sind in Anbetracht dieser Symbolik auf ein Mini-
tects. 25 individuelle Zimmer, eine Bar, eine Lounge, ein Private Dining Room, ein bei mum reduziert, um nicht in Konkurrenz zu treten. WeWantMore weiß, wie eindeutiges,
Gault & Millau gelistetes Restaurant, zwei Veranstaltungsräume und ein Spa-Bereich mit unverwechselbares Branding aussehen muss. Das hat das interdisziplinäre Studio nicht
Schwimmbad stehen den Gästen zur Verfügung. Die 3000 Quadratmeter große Anlage zuletzt mit seinem Entwurf für das Brüsseler Le Grand Café bewiesen. Dort dienten Drag
liegt idyllisch am Fluss Lesse und schließt einen geschützten Innenhof ein. Zur Unzeit Queens als gestalterisches Leitthema (AIT 1/2.2021, Forum).
hat das Château de Vignée vor genau einem Jahr eröffnet, denn Corona-bedingt musste
es alsbald wieder schließen. Nun darf es wieder Gäste empfangen. Wie sich WeWant- Erleben mit allen Sinnen
More im wahrsten Sinne des Wortes an das Hotelkonzept herangepirscht hat, erklärt
Ruud Belmans, Mitgründer und Creative Director des Antwerpener Designstudios so: Bei so viel Lokalkolorit verwundert es nicht, dass auch die Küche des Château de Vignée
„Unser Designprozess begann mit einem Gefühl, das wir in der Gestaltung festhalten in der Pflicht der Region steht. Küchenchef Kwinten Boelen, Gault & Millau-Debütant,
wollten. Wir stellten uns vor, wie es sich für einen Jäger anfühlen muss, um fünf Uhr kreiert eine „terroir-inspirierte“ Küche mit heimischen Zutaten aus dem hauseigenen
morgens durch den Wald zu streifen.“ Dementsprechend gibt im Château de Vignée die Gewächshaus und Gemüsegarten. Die korrespondierenden Weine lagern im kreisförmi-
Natur den Ton an, nicht in rustikaler, in Design-affiner Weise. Warme Materialien, auf- gen Weinkeller unter dem Innenhof des Schlosses. Um die Durststrecke während des
einander abgestimmten Farben und Licht sind von den Ardennen inspiriert, von deren Corona-Lockdowns zu überbrücken und einen Vorgeschmack auf das Château de Vallée
Bäumen, Pflanzen, Moosen, Beeren, Blüten, Pilzen, Gewässern und Gesteinen. zu bieten, hat WeWantMore übrigens ein eigenes Format ersonnen. In Kooperation mit
dem belgisch-schwedischen Regisseur Björn Tagemose entstand der Kurzfilm „The
Jagdszenen neu interpretiert Dream“. „Tagemoses Trailer überträgt auf gekonnte Weise die Magie der Fotografien des
Château de Vignée in die Welt der bewegten Bilder und macht es dem Betrachter mög-
Der Bezug zur Natur ist innen allgegenwärtig. Eine von der Decke abgehängte Installa- lich, das Schloss für einen kurzen Moment auf emotionale Weise zu erleben“, so Ruud
tion aus Trockenblumen in der Lobby verweist auf das Werden und Vergehen der Natur. Belmans. Hotels, wie dieses in den belgischen Ardennen, wecken und stillen die Sehn-
Lokale Materialien – heimischer Marmor und Natursteine wie Rouge Belge und Gris sucht am Reisen und Logieren an fremden Orten. Warum dafür um die halbe Welt flie-
d’Ardenne – unterstreichen den Bezug zum Standort. Der Terrazzoboden der Lobby ist gen? Belgien liegt so nah. Im Château de Vignée lässt sich die Lust am Relaxen, die Lust
komplett aus Marmorfragmenten gefertigt, die aus den ehemaligen Hotelzimmern stam- am guten Geschmack – sinnlich, architektonisch und kulinarisch – aufs Angenehmste
men, und die verzweigte, eigens für das Hotel gefertigte Lichtinstallation unter der kombinieren. Von der eingangs erwähnten neuen Waldeslust ganz zu schweigen ...
AIT 6.2021 • 117