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Prof. Dr. Susanne Hofmann


                                                                                               1963 geboren 1983-1987 Studium TU und HBK, München 1988-1992 Stu-
                                                                                               dium AA, London 1987-1997 Mitarbeit: G. Spangenberg, Steidle Kiessler,
                                                                                               Alsop Lyall, Sauerbruch Hutton seit 2003 Die Baupiloten, Berlin


































             Fotos: Jan Bitter, Berlin




             Die Räume sollen die Kinder zum Forschen anregen. • The rooms are to inspire children to explore.  Lange Flure öffnen sich zu Bewegungs- und Spielzonen. • Long corridors open up into active play zones.




             blick in die Umgebung der Kita. Im Norden finden sich die Räume der Verwaltung,  sollte beispielsweise ein „Lichtspiel im Zwergenhaus“ geben und „ein geborgener Spa-
             Wirtschaftsräume und ein Kreativraum, sowie die Cafeteria. Auch hier kommt den  ziergang durch das Sonnenlicht“ möglich sein. Ein eigens mit den Kindern durchge-
             Kindern der Ausblick über die weite grüne Fläche der „Fluglärmzone“ des Flughafens  führter Workshop eröffnete Möglichkeiten Ruhezonen, Rückzugsbereiche, aber auch
             Hannover-Langenhagen zugute, vor der sie durch akustische Dämmung geschützt  Erkundungspfade für die Kinder zu entwickeln, die nicht selten in der Doppelnutzung
             sind, die ihnen aber einen inspirierenden Blick ins Grüne und auf die Pferdewiese er-  einiger Möbel aufging. Schrankfächer wurden dabei zu geheimen Durchgangstüren
             möglicht. Die Raumbänder sind gegeneinander so versetzt, dass ihre Struktur von  und die Arbeitstische der Erzieher*innen sind gleichzeitig Kinderhöhlen. Die Kinder
             außen ablesbar ist. Verbunden sind sie über lange Flure, die sich immer wieder in  finden in den Wänden Durchgänge, die den Erwachsenen nicht zugänglich sind. Sie
             größere Spielzonen erweitern. Die Kinder können sich austoben und es ergeben sich  können so ganz eigene geborgene Raumerkundungen anstellen. Farben sind im Ge-
             Spazier-, Rund- und Erkundungswege. Die ganze Kita ist sozusagen ein komplexer Be-  bäude sehr dezent eingesetzt und gut untereinander abgestimmt worden. Sie dienen
             wegungsraum. Obwohl das Haus eine hölzerne Fassade hat, sind seine Außenwände  vorwiegend der Orientierung. Natürliches Licht konnte in dem eingeschossigen Ge-
             massiv aus Stein gebaut. Leicht wirkt dagegen das bewegte hölzerne Dach mit seinem  bäude gezielt geplant werden. Die Oberlichter haben in ihren Laibungen eine Verklei-
             Auf und Ab in der Dachlandschaft, die im Inneren ablesbar ist. Diese Konstruktion  dung aus Farbeffektgläsern (dichroitische Gläser), die die einfallenden Lichtstrahlen je
             ermöglicht außerdem eine Vielzahl an Oberlichtern und Dachfenstern, die buchstäb-  nach Einfallswinkel in unterschiedlichen Farben reflektieren. Dabei lässt sich viel über
             lich Schlaglichter in den Räumen setzen.                      den Stand der Sonne und über das Lichtspektrum lernen. Reflektionen und Spiegelef-
                                                                           fekte liefern auch die Verkleidung von Rohrleitungen, die durch die Flure geführt wer-
             Partizipation als Entwurfsmethode                             den mussten und mit ihrer Ummantelung nun zu Periskopen wurden.

             Wie bei allen Bauprojekten der Baupiloten spielte auch bei dieser Planung die Teil-  Sozial engagiertes und experimentelles Arbeiten
             habe der Nutzerinnen und Nutzer – der Kinder, ihrer Eltern und der Erzieher*innen –
             bei der Planung des Gebäudes eine wichtige Rolle. Denn obwohl wir als Architektin-  Seit ich die Baupiloten 2002 in einer Kooperation mit der TU Berlin gegründet habe, ist
             nen und Architekten das Gebäude letztlich entworfen, geplant und seinen Bau über-  das partizipative Entwerfen Teil unseres architektonischen Konzeptes. Die Baupiloten
             wacht haben, haben die Nutzer und Nutzerinnen ihre Vorstellungen der Welt in die  arbeiteten im Rahmen eines Studienreformprojektes an der Schnittstelle zwischen
             Planung einbringen können, in der sie zukünftig arbeiten und ihren Tag verbringen  Lehre und Praxis. Studierende konnten mit Unterstützung von ausgebildeten Architek-
             sollen. Ergebnis der gemeinsamen Workshops und Beratung für dieses Projekt war der  ten reale Planungsprojekte insbesondere für Schulen und Kitas bearbeiten. Wesentlich
             Anspruch, dass das Licht im Gebäude eine wichtige Rolle spielen sollte. Das Haus  war es dabei, das Wissen, die Erfahrungen und die Wünsche der Nutzerinnen und Nut-
             sollte nicht zu bunt sein, die Kinder aber zum Erforschen ihres Umfeldes anregen. Es  zer direkt in den Entwurfsprozess einzubeziehen, also ihre Expertise für den Entwurf

                                                                                                                           AIT 5.2020  •  107
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