Page 13 - AIT0516_Leseprobe
P. 13

Planungs- und Projektbeteiligte



                Entwurf und Realisation Peter Behrens School of Arts (Judith Reitz, Frank Klein-Wiele und Studierende), RWTH Aachen University (Bernadette Heiermann, Nora Müller und Studierende), Georgia Institute of Technology (Daniel Baer -
                lecken, Katherine Wright und Studierende), imagine structure, CS Studio Architects Zusammenarbeit mit Studierenden der University Cape Town und der Detmolder Hochschule für Architektur und Innenarchitektur, Ismail Consulting
                Electrical Engineers (Elektroplanung), Solution Station (Brandschutz), Transsolar Energietechnik (Klimaengineering), Peutz Consult (Akustik), Heribert Weegen (Container), Elias Rubin (Lehm) Sponsoren siehe Register Seite 151.





                von • by Daniel Baerlecken, Bernadette Heiermann und Judith Reitz
                G   uga S´Thebe ist wörtlich übersetzt ein Xhosa Ausdruck für: „Etwas anreichen“.
                    Übersetzen kann man es auch mit: „der Gemeinschaft etwas  zur  Verfügung
                stellen“. Unter dieser Idee entstand in Langa, einem der ältesten Townships Südafrikas,
                nach Ende der Apartheid in den 1990er-Jahren das Kulturzentrum Guga S'Thebe und ist
                seitdem Anziehungspunkt für viele Künstler, Kinder und Jugendliche wie auch interna-
                tionale Touristen. Das Kulturzentrum ist das Herz des urbanen Townships; es fehlte drin-
                gend ein Aufführungsort für Theater, Tanz, Konzerte, Ausstellungen, Unterricht, für die
                Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Guga Children’s  Theater ist nun als
                Erweiterung auf der Südseite des existierenden Kulturzentrums Guga S’Thebe ent-
                standen. Es besteht aus einem rechtwinkligen Baukörper, der durch eine Verdrehung
                zum bestehenden Amphitheater einen annähernd dreieckigen, gefassten Platz erzeugt.
                Dieser ist  zugleich  Vorplatz und  Zuschauerraum für die Außenbühne des neuen
                Theaters. Lage und Verdrehung des Baukörpers richten sich nach einem vorgefundenen,
                zu  Zeiten der Apartheid  informell gewachsenen Fußweg, der die damaligen
                Wohnbaracken mit der Post verband und wichtiger Ort von informellem Austausch war
                und auch heute noch ist. Der Fokus bei Entwurf und Realisierung lag auf der
                Verwendung lokaler, traditioneller und rezyklierter Materialien. In Verbindung mit inno-  In den Containern sind Funktionsräume untergebracht. • Functional rooms are located in the containers.
                vativer Low-Tech-Konstruktionsweise sehen wir ein großes Potenzial für zeitgemäßes,
                kostengünstiges Bauen in Südafrika. Kapstadt mit seinem Seehafen eröffnet die
                Möglichkeit, preiswerte gebrauchte Überseecontainer umzunutzen. Einzelne Container
                                                                              Der Boden des Theaters wurde mit DIY-Zementziegeln ausgelegt. • DIY concrete tiles were installed on the floor.
                finden sich überall in den Townships, werden als Läden und Werkstätten genutzt, da sie
                Sicherheit bieten. Problematisch ist die schlechte Bauphysik von Wand und Decke, die
                zu großer Hitze im Sommer und Kälte im Winter führt. Durch die versetzte Stapelung
                von elf gebrauchten Seecontainern auf zwei Ebenen entsteht im Inneren ein locker
                umschlossener Raum für 200 Personen. In den Containern sind Hinterbühne,
                Überräume, Suppenküche, Regie, Zuschauerbalkon und Tonstudio untergebracht. Im
                Außenraum gibt es eine Außenbühne, Spielflächen und einen Garten. Die Tragstruktur
                lässt sich in zwei Elemente gliedern: ein Dach in Holzbauweise und eine Stahlstruktur
                mit den Seecontainern als  vertikalem Raumabschluss. Die Dachträger liegen auf
                zweigeschossigen Stahlstützen auf, die im Gebäudeinneren vor den Containern ange-
                ordnet sind. Aus den Containern wurden große Öffnungen geschnitten.

                Architektur als soziale Verantwortlichkeit

                Die Stahlstruktur  wurde Hand in Hand mit einem örtlichen Stahlbauer gefertigt.
                Während statisch entscheidende Punkte  von professionellen Schweißern bearbeitet
                wurden, konnten Studierende Aussteifungen, Unterfütterungen und Vorarbeiten leisten.
                Die Struktur des Pultdaches, welches sich zum Vorplatz des Theaters hin öffnet, basiert
                                                                              Fassade aus den Brettern von Obstkisten der lokalen Landwirte • Façade of fruit-crate timber from local farmers
                auf  vor Ort leicht  verfügbaren und kosteneffektiven Nagelplattenbindern, die im
                südafrikanischen Industriebau weit verbreitet sind. Bei einem lokalen Trägerhersteller
                wurden die achtzehn Binder in Handarbeit zusammengesetzt und nach der Lieferung
                vor Ort zu neun Modulen verbunden. Durch die zueinander geneigten Binder wird eine
                repetitive räumliche V-Struktur erzeugt, welche die Hauptansicht des Theaters prägt.
                Das Tragwerk bleibt im Innern sichtbar. Zur Verbesserung des Innenklimas wurden die
                Containerwände mit einer thermischen Hülle aus  vor Ort  vorgefertigten Leicht -
                lehmpaneelen gedämmt. Hierfür  wurden gebrauchte  Transportpaletten  zerlegt und
                daraus  Holzrahmen gefertigt, in  welche das Stroh-Lehm-Gemisch gestampft  wurde.
                Mittels Stahlwinkeln wurden die einzelnen Paneele an den Containern befestigt. Die
                äußere sichtbare Fassadenebene, die den Witterungsschutz bietet und gleichzeitig die
                Identität des Gebäudes generiert, wurde als hinterlüftete Fassade aus wiederverwende-
                ten Brettern von Obstkisten aus der lokalen Landwirtschaft erstellt. Aus der Beschäf-
                tigung mit der Ornamentik traditioneller, ursprünglich aus dem Kongo stammender
                „Shoowa Textilien“ wurde eine Textur entwickelt, in 1:1 Mustern direkt am Bau getestet
                und den unterschiedlichen Ausrichtungen der Fassaden gemäß angepasst. Gemeinsam



                                                                                                                              AIT 5.2016  •  055
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18