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BÜRO UND VERWALTUNG  •  OFFICE BUILDINGS

































           BÜRO IA&W

           IN STUTTGART


           Entwurf • Design Florian Siegel, ia&w, Stuttgart



           Am Stuttgarter Marienplatz treffen Geschichte und Zukunft aufein-
           ander: Dort, wo sich bis vor Kurzem der Leseraum der Christlichen
           Wissenschaft befand, hat sich Florian Siegel sein Innenarchitektur-
           büro ia&w eingerichtet. Mit viel Respekt vor dem Bestand und inspi-
           rierenden Materialkombinationen hat er Platz für gemeinschaftliches
           Arbeiten, kollaborative Prozesse und Büropartys geschaffen.



           von • by Petra Stephan
           P  lace to be, work, meet and make friends“ – so überschreibt Florian Siegel den Ent-
              wurf für sein Innenarchitekturbüro. Der Standort ist denkbar geeignet und die Lage
           am Stuttgarter Hotspot Marienplatz bestechend: Ein erdgeschossiges Ladenlokal im „Hes-
           lacher Schlösschen“ genannten neobarocken Wohn- und Geschäftsgebäude, 1903 nach
           Plänen der Architektenbrüder Emil und Paul Kärn fertiggestellt, fristete als Leseraum der
           Christlichen Wissenschaft ein vernachlässigtes Dasein. Der Stuttgarter Innenarchitekt hat
           das Potenzial erkannt und mithilfe befreundeter Handwerker und Firmen die in die Jahre
           gekommenen Räume gründlich umgekrempelt. Sein Credo lautete: „Alles, was billig reno-
           viert wurde, weicht. Freigelegte Strukturen werden zur Basis und Inspiration für das Neue.
           Was erhalten werden kann, wird bewahrt und aufgewertet, wo nötig, entsteht Neues –
           aber stets mit Respekt vor dem Bestand.“ Und so stand nicht Abreißen auf der To-do-Lis-
           te, sondern Freilegen und nach Bestehendem, Wertigem suchen. Dunkle Eichenrahmen
           von Durchbrüchen wurden neu interpretiert und verchromt; Teppichböden machten
           Platz für Holzdielen; Vinyl und Linoleum mussten dem ursprünglichen Terrazzo weichen;
           abgehängte Decken und Türverkleidungen wurden entfernt – die Räume dadurch luftiger
           und weiter. Das Büro gliedert sich nun in zwei Hauptbereiche. Der vordere Raum ist ein
           flexibler Ort, der sich anpasst: Er dient als Besprechungsraum, als kräftig-blaue Bühne für
           Vorträge oder als Treffpunkt für Netzwerke und kleine Veranstaltungen. Indirektes Licht
           flutet durch eine gezielt gesetzte Wandöffnung über die Decke und schafft eine besondere
           Atmosphäre. Dahinter liegt der klassische Büroraum – ein Ort für konzentriertes, aber
           auch gemeinschaftliches Arbeiten. Ein großer Tisch bietet Platz für kollaborative Prozes-
           se, höhenverstellbare Arbeitsplätze sorgen für Flexibilität und Ergonomie. Hinter einem
           silbernen „Zaubervorhang“ verbergen sich Nebenräume wie Kopierraum, Garderobe und
           das Atelier von Can D Kissling, deren Studio TouchyTouchy gemeinsam mit ia&w die
           Räume neu belebt. Das Büro ist nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Experimentierraum
           für zeitgemäße Gestaltung. Ein Platz zum Sein, zum Entfalten, Treffen und Verbinden.

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