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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
LEIK OFFICE
IN ROTTWEIL
Entwurf • Design Holger Schalk, Stuttgart
Der Büroausstatter Leik entdeckt an seinem neuen Standort im Neckar-
tal den Reiz des Wandels: Als Rahmen für die Büroräume dient eine
historische Pulverfabrik, deren Gemäuer im neuen Gestaltungskontext
weiter wirken darf. Es erzählt von der Bedeutung der Schwarzpulver-
herstellung in zwei Weltkriegen, vom Leerstand nach der Aufgabe des
Standorts in den 1990er-Jahren und von der Rettung vor dem Verfall.
von • by Ulrike Nicholson, Tübingen
D ie Pulverfabrik in Rottweil hat eine lange Geschichte. Schon im 15. Jahrhundert
wurde hier Schwarzpulver hergestellt. Das enge Tal vor der Stadt war der ideale Ort
dafür – es schirmte neugierige Besucher ab und bot dennoch viel Platz für Magazine und
Produktionsanlagen. Das Neckarwasser eignete sich gut für den Antrieb der Pulvermüh-
len und zum Waschen der Schießbaumwolle. Einst gehörten 250 Gebäude zum Stand-
ort Neckartal. Heute existieren noch 120, von denen 45 unter Denkmalschutz stehen
und weitere 20 als erhaltenswert gelten. Die Denkmalstiftung bekundet zu Recht großes
Interesse an dem spannenden Industriekomplex: Entstanden während eines langen Zeit-
raums, entworfen in entsprechend unterschiedlichen Baustilen, von Architekten und
Ingenieuren mit teilweise bekannten Namen wie Paul Bonatz, Heinrich Henes und Emil
Mörsch. Seit 1993 wird das Areal schrittweise umgenutzt. Über 60 kleinere bis mittelgro-
ße Firmen haben sich in dem Talabschnitt angesiedelt. Im sogenannten Gewächshaus,
einem fünfstöckigen Lagergebäude aus dem 19. Jahrhundert, befindet sich jetzt unter
anderem die neu bezogene Bürofläche des Unternehmens Leik. Die Revitalisierung rettet
ein Gebäude, das jahrzehntelang leer gestanden hatte, vor dem Verfall. Dass es einmal
Symbol für Fortschritt gewesen war, soll erlebbar bleiben. Rund 200 Quadratmeter im
ersten Obergeschoss in eine flexibel nutzbare Arbeitslandschaft zu verwandeln, ohne
dabei zu sehr in den Bestand einzugreifen, war die Aufgabe des Stuttgarter Architekten
Holger Schalk. Er ließ die thermische Gebäudehülle ertüchtigen und unter dem neuen
Fußbodenbelag eine Flächenheizung einbauen. Nur wenige neue Trennwände wurden
eingezogen. Stattdessen gliedern Vorhänge auf variierenden Höhen und in verschiede-
nen Akustikqualitäten die offene Fläche in Zonen für Informationsaustausch und kon-
zentriertes Arbeiten. Vorhänge und Einbauten wurden – wenn möglich – nicht mit dem
Bestand verbunden, alles Neue will Distanz zu Wand und Decke wahren. So finden die
Übergänge zwischen historischem Gemäuer und neuen Farben, Formen und Materialien
eher abrupt statt – wodurch beide Seiten umso mehr an Wirkungskraft gewinnen.
068 • AIT 4.2025