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Christoph Stelzer                                            Nadine Frommer


                                     1972 geboren 1996–2001 Architekturstudium an der HfT, Stuttgart 2001–  1975 geboren 1996–2001 Architekturstudium an der HfT, Stuttgart 2003–
                                     2004 Do zent an der HfT, Stuttgart 2001–2008 Projektleiter Liganova, Stutt -  2004 Master an der Bartlett School, London 2004–2008 Projektleiterin Li -
                                     gart 2008 Gründung Dfrost mit Nadine Frommer und Fabian Stelzer  ga  nova, Stuttgart 2008 Gründung Dfrost mit Christoph und Fabian Stelzer




                Magazinen begegnet, von denen man aber kaum etwas weiß. Die Akteure der Social-
                Media-Plattform sind vielmehr wie vertraute Freunde, deren Leben man anhand der
                schönen, quadrati schen Fotos, die sie posten, folgt. Dort erzählen sie, was sie gerade
                tun, lassen sich begleiten – auf Reisen, ins Restaurant und vor allem: beim Shoppen.
                Mode muss damit heute vor allem eines sein: erlebbar! Und damit lebt sie – genau
                wie Instagram – von der Insze nierung. Denn auch die Nutzer der Bilder-App wollen
                sich inspirieren lassen und quer durch kuratierte Momentaufnahmen auf
                Entdeckungsreise gehen. Schließlich postet auf Instagram niemand langweilige Bilder
                und beschwert sich anschließend, dass beispiels weise der Lunch nicht fototauglich
                war. Ganz im Gegenteil: Auf der Foto-Plattform ist Perfektion gefragt. Dadurch hat
                Instagram mit seinem quadratischen Bildformat und seinem visuellen Inhaltsdiktat
                einen ästheti schen  Anspruch formuliert, der inzwischen auch in der Realität als
                gängige Norm eingefordert wird. Denn sehnsuchtsvolle Bildmo mente, die dem insta-
                grameigenen Inhaltsdiktat folgen, lassen sich auch bewusst herbei führen. Damit wird
                Instagram auch für den stationären Handel zunehmend zum Erfolgs faktor. Der Han -
                del steht damit immer mehr vor der Herausforderung, Lifestyle-Welten zu schaffen,
                die dem hohen Anspruch an Design und Ästhetik der Generation Insta gram ge recht
                werden. Es geht um Sehnsüchte und Wunschszenarien.

                Aufgabe ist es, eine Bühne für den Selfie-Lifestyle zu kreieren

                Der Kunde stellt aber nicht nur hohe Anforderungen an die Qualität, sondern auch
                an die Frequenz optischer Eindrücke. So führt die Schnelllebigkeit der sozialen Me -
                dien auch zu einer Beschleunigung der Inszenierungen im Store wie im Fenster. Diese
                Erwar tungshaltung der Kunden an schnelle Wechsel und immer neue Bilder müssen  Auch Wanddekorationen tragen zur „Instagramability“ bei. • Walls also contribute to "instagrammability".
                Store Design und Visual Merchandising heute bedienen. Die Kunst ist also zu erken-
                nen, was die Aufmerksamkeit der Zielgruppe weckt, was ihre derzeitigen Wünsche,
                Träume und Bedürfnisse sind. Die alte, immerwährende Geschichte also! Wenn man  sagen des Selfie, sondern ein Bild, das zahlreiche Informationen zu Store, Marke und
                das herausgefunden hat, sind Instagram-Momente lenkbar. Mit Brand Content, um die  Produkten liefert. Aus Hashtag, Ortsangabe und Bildunterschrift lässt sich weiteres
                richtigen Inhalte zu kreieren, und mit dem entsprechenden Social-Media-Store-Dekor.  wert  volles Hintergrundwissen ziehen. Im Gegensatz zu gezielten und zumeist teuer
                Konkrete Umsetzungs möglichkeiten gibt es genug! Allerdings folgen sie neuen Para -  bezahlten Kooperationen mit Influencern sind diese Fotos authentische Zuge ständ -
                dig men: So hatte früher der Platz für Ware oberste Priorität. Heute dagegen geht es  nisse an die Marke, die auch als solche wahrgenommen werden.
                da rum, den Store als Bühne für den Menschen zu gestalten. Deshalb muss sich vor
                allem die Gewichtung der Retailfläche verändern. Also weg vom reinen Abverkaufs-  Für den Handel ist das Herausforderung und Chance zugleich
                hin zum Imagedenken. Für Aufent haltsqualität bedarf es an Offenheit, Freiflächen
                und Spiel räumen, die als Bühne dienen, auf der sich Kon sumenten (digital) austoben  Am Ende geht es darum, den Store zur Must-visit-Location zu machen. Kunden müs -
                können und dürfen – damit der Selfie-Lifestyle gelebt werden kann! Dieser Weg zum  sen ermutigt  werden, in individuelle Lifestyle-Szenarien mit unverwechselbarer
                mittlerweile sehr erfolgreichen Showroom-Look be dingt  jedoch, dass sich der  Ästhe tik einzutauchen. Shopping wird so zum immersiven Erlebnis. Was dahinter-
                Warendruck verringert. Ein weiterer Ansatz ist die Neugestaltung der Umkleiden.  steckt, ist ein Lifestyle-Aspekt, der Digital Natives offline holt, um sie dann wieder
                Lieber weniger, dafür große und liebevoll gestaltete Wohlfühlräume sollten es sein.  online stattfinden zu lassen.  Vor diesem Hintergrund sollten Storebetreiber ihre
                Schließlich ist die Umkleide der beliebteste Ort, um mit der Ware zu experimen-  gestal terischen Möglichkeiten nutzen, um ein spielerisches und unerwartetes Erleb -
                tieren, um sie zu individuellen Looks zusammenzustellen und mit der Community zu  nis zu schaffen, das Shopper teilen wollen. Visual Merchandising im digitalen Zeit -
                teilen. Nicht zuletzt kommt hier auch das Allein stellungsmerkmal des stationären  alter bedeutet für den stationären Handel, kreativer und schneller zu sein, fordert ihn
                Handels gegenüber Onlineshops zum Tragen. Sprich, die Möglichkeit, dass der Kunde  aber auch heraus, auf  visuelle Trends zu reagieren. Der Lohn sind schnelleres
                alles anfassen und ausprobieren kann. Eine der größten Herausforderungen ist dabei  Feedback und neue Marketingmöglichkeiten. Dabei geht es nicht um Perfektion, aber
                die Beleuchtung. Denn nicht immer be deutet Wohlfühl-Licht, dass dieses auch auf  man muss im stationären Retail die kulturellen Strömungen und aufkommenden
                Fotos gut rüber kommt. Maßgeblich sind dabei die richtige Planung und Kon zen -  Anliegen und Sehnsüchte aufgreifen, sonst verliert man irgendwann den Anschluss
                tration, sodass am Ende schwere Schatten vermieden werden. Findige Storebetreiber  zu seiner Zielgruppe. Die aktuellen Entwicklungen im stationären Handel sind eine
                wissen längst, dass man Instagram-Momente durchaus lenken kann! Im Idealfall  Heraus forderung, aber auch eine riesige Chance. In jedem Fall verlangen sie nach
                entstehen regelrechte Instagram-Paradiese mit gehypten Motiven wie ausgefallenen  einer intensiven Auseinandersetzung mit den Kunden. Oberste Maxime bleibt jedoch,
                Wand dekorationen, kunst  vollen Installationen und ausgewählten  Accessoires.  dass die Gestaltung eines Stores die Marke in allen Facetten widerspiegelt und opti-
                Farblich sortierte Kleider stangen, Spiegel flächen, schicke Außenfassaden und Schau -  mal in Szene setzt. Digitalisierung inbegriffen! Dabei kommt es aber nicht darauf an,
                fenster sind neben coolen Kunstobjekten und zeitgeistigen Loungemöbeln ebenfalls  Räume für Social Media zu designen. Am Ende geht es ausschließlich darum, Räume
                be liebte Foto-Requisiten. Gut gemacht, ist das Resultat nicht einfach nur ein nichts -  für die Entfaltung von Kundenbedürfnissen zu kreieren.

                                                                                                                              AIT 1/2.2019  •  115
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