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Abbildung: Architekturmuseum der TU Berlin










                                                                                    SCHLANK UND
                Ausstellung „Fliegende Stadt“, Landschaftsstadt Bratislava • Exhibition “Floating city“, Landscape city Bratislava

                mit einem „Grand Prix International d’Urbanisme et d’Archi tecture“ ausgezeichnet, der ihr  KOMPROMISSLOS.
                (und einer Reihe  weiterer Preisträger)  von Louis Kahn übergeben  wird.  Zu diesem
                Zeitpunkt zeigen sich bei ihr, wie sie in einer handschriftlichen Notiz vermerkt, bereits
                Symptome der Lebens mittelvergiftung. „Ja! Das war einer der ergreifendsten Augenblicke
                in meinem Leben“, notiert Merete Mattern in einer Map pe, in der sie ihre prägenden  CHANNEL S UP.
                Begeg nungen in Form eines Lebenslaufs festhält. Die Aufzählung endet mit den Worten:
                „Dank allen großen Meistern, die sich auflehnten + Louis Kahn.“ Nach dieser Serie von
                städtebaulichen  Wettbewerbsbeiträgen entwirft Me re te Mattern das Projekt der
                „Fliegenden Städ te“. Der genaue Zusammenhang lässt sich nicht mehr rekonstruieren,  Channel, der Klassiker unter den Lichtlinien, präsentiert sich
                doch fällt auf, dass die technoiden Gebilde in eine Fotocollage montiert sind, die aus dem
                                                                                    in neuer schlanker Form und mit ungeahnter Power. Die
                Bratislava-Wett bewerb stammt und den Blick von der Burg auf die Donau zeigt. Das fort-
                                                                                    Pendelversion Channel S Up bringt direktes und indirektes
                währende Über arbeiten früherer Zeichnungen und Modell fotos ist in den zahlreichen
                                                                                    Licht in jedes Büro, integriert sich elegant in die Architektur
                Mappen aus dem Nachlass von Merete Mattern, die gegenwärtig noch von ihrem Sohn
                Fabian Zim mer mann auf dem Hof der Familie in Garn point aufbewahrt  werden, als  und überzeugt durch hohe Energieeffizienz. Kompromisslos
                Arbeits prinzip er kenn bar. Zwischen die Zeichnungs kopien und Modellfotos der städtebau-  erfüllt sie dabei alle Normvorgaben für die Arbeits platz-
                lichen Projek te der späten 1960er-Jahre sind immer wieder spätere Entwürfe eingestreut,
                                                                                    beleuchtung. www.regent.ch
                die mutmaßlich Architekturfantasien sind, also keinen konkreten Planungsanlass hatten.
                Es sind oft pflan zenhafte Gebäude, von denen manche in Ton modelliert, fotografiert und
                eingeklebt  wurden. Andere Entwürfe  widmen sich dem ökologischen Umbau ganzer
                Regio nen. In Garnpoint am Chiemsee finden sich aber auch zahlreiche Wachs modelle. Sie
                entstanden aus der Experimen tierfreude heraus, heißes Wachs ins Wasser zu gießen. Die
                Ergebnisse erinnern an die Formfindungsstudien von Frei Otto, mit dem Merete Mattern
                zeitweilig im Austausch stand, oder an aktuelle parametrische Entwurfs verfah ren. Auch
                diese späteren Arbeiten werden immer wieder publiziert. Sie sind allerdings eher in einer
                Nische zu finden als im Zentrum der städtebaulichen Diskussion, in dem Merete Mattern
                mit ihren Entwürfen der 1960er-Jahre einen kurzen, aber kraftvollen Auf tritt hatte.
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