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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS THEORIE • THEORY
Wenn Gestaltung die Unternehmensbotschaft ist, sollte sich dies in der Büroeinrichtung niederschlagen. • Whenever the design is the company’s message this should be reflected in the office furnishings.
arbeiten, wenn sie sich wohlfühlen. Das sieht man bei den Konzepten der „für den internen Wandel und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern“. Einer
Internetfirmen besonders deutlich, die Experten gern „work life blending“ nennen, derjenigen, die gerade am Wandel vom Durchschnittsbüro zur Erwachsenen -
also das Verschmelzen von Arbeit und Leben: Die Spaß atmosphäre ist der Versuch, spielwiese mitarbeiten, ist Sven Hock. Er war selbst einst Berater und hat dann
den Leuten keinen Grund zu geben, nach Hause zu gehen. Letztendlich laufen alle „Service Partner One“ gegründet. Sein Unternehmen ist eine Mischung aus
Besonderheiten, die Unternehmen anbieten, darauf hinaus: Sie wollen die Leistung Hausmeister, Putzfrau und Essenslieferdienst. Wer bei ihm Kunde ist, bekommt vom
optimieren. Deshalb gibt es die firmeneigene Kinderbetreuung im Erdgeschoss und Kaffee vollauto maten bis zum Kicker alles geliefert, was gerade im Büro vonnöten ist,
das Fitnessangebot unterm Dach. und zahlt am Ende nur eine Rechnung. Hocks Beobachtung: Was Facebook und
Google in Sachen Büro vorgelegt haben, müssen nun nicht nur andere Arbeit geber im
Zusammengang zwischen Büroeinrichtung und Kreativität Valley, sondern auch jene im Vogtland bieten. Angefangen hat Hock mit seinem
Partner und kleinem Team, anfangs haben sie selbst geputzt und Obst ausgefahren.
Zum anderen spielt die Bürogestaltung aber auch für die unmittelbaren Arbeits - Rund zwei Jahre nach der Gründung hat das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter,
ergebnisse eine Rolle: So zeigten Studien des Fraunhofer-Instituts, dass zwischen sieben deutsche Standorte sowie zwei im Ausland. Das liege daran, dass die Firmen
Büroeinrichtung und Kreativität ein Zusammenhang besteht. Dieses Wissen wollen im Kampf um die besten Talente aufrüsten, sagt Hock. „Geld allein reicht heutzutage
die Unternehmen nun nutzen: Während in den 1970er-Jahren der Wandel vom Einzel- nicht mehr – man muss viel mehr bieten.“ Welche Dienstleistungen es über den
zum Großraumbüro eine markante Veränderung brachte und später die Klein - schlichten Arbeitsplatz und das Gehalt hinaus gebe, werde mehr und mehr ein
gruppenbüros angesagt waren, sind die aktuellen Trends komplexer: Viele Firmen Qualitätssiegel für Arbeitgeber.
etablieren sogenannte „Mix Offices“, in denen es flexibel nutzbare Bereiche gibt. Der
Versandhauskonzern Otto etwa hat gerade sein „Collabor8“ vorgestellt: In der höch- Motivation und Zufriedenheit sind nur schwer messbar
sten Etage der Firmenzentrale ist eine Fläche entstanden (Entwurf: Studio Ply,
Hamburg), in der Mitarbeiter mit flexiblen Möbeln und verschiedenen Berei chen jed- Bei Sven Hock hat deshalb die Vielfalt seiner Dienstleistungen deutlich zugenommen.
erzeit das Umfeld kreieren können, das zu ihren aktuellen Anforde rungen passt. Für Anfangs ging es darum, gute Putzdienste bereitzustellen, Schreibblöcke und
zwischendurch gibt es eine Kaffeebar und Schaukelsessel, die von der Decke hängen. Klopapier. Dann kamen Obstkörbe und Kaffee vollautomaten dazu. Als mehrere Kun -
den nachfragten, hat Hock einen Tischkicker in sein Angebot aufgenommen.
Kommunikation, Konzentration und Regeneration Mittlerweile hat er eine Mitarbeiterin, die sich nur um Büropflanzen kümmert – sie
trägt den schönen Titel „Head of Plants“. In einigen Unternehmen komme jetzt mit-
Die höchste Steigerungsform dieser Idee ist das „Total Office“, vor allem propagiert tags und abends ein Caterer, sagt Hock, außerdem gebe es Massagetermine. Immer
vom Internetkonzern Google. Das Büro ist dort ein Ort, wo man isst, Sport treibt, mit öfter fragten ihn Geschäftsführer, welche Innenarchitekten derzeit als besonders inno-
Freunden Bier trinkt und möglicherweise ein paar Stunden schläft. Ob Einzelbüro vativ im Bereich Open Space gelten. Vor allem in den Metropolen sind die Firmen
oder gemischte Zonen, heutzutage ginge es darum, drei Grundbedürfnissen der bereit zum Wandel. Der normale Mittel ständler dagegen sei eher vorsichtig. Das zeigen
Menschen auch am Arbeitsplatz gerecht zu werden, sagt Innenarchitekt Huth: Zahlen: Durchschnittliche Firmen stecken nur ein bis zwei Prozent ihrer Aus gaben in
Kommunikation, Konzentration und Regeneration. Diese Bedürfnisse hätten sich Einrichtung, obwohl Um fragen zeigen, dass viele Büroarbeiter unglücklich mit der
nicht verändert, die Firmen gingen aber damit bewusster um als früher. Mit anderen Gestaltung ihrer Arbeits plätze sind. Inneneinrichter Huth führt die Skepsis darauf
Worten: An der Kaffeemaschine haben sich schon immer alle zum Quatschen getrof- zurück, dass die Bedeu tung der Ein richtung oft unterschätzt wird. Auch, weil der Nut -
fen – heute möchte man das gezielt steuern und baut deshalb eine Coffee-Lounge mit zen abstrakt bleibt: „Motivation und Zufriedenheit lassen sich kurzfristig nur schwer
WLAN. Dabei stehen die Möbel für eine Herangehensweise, die allmählich die messen.“ Selbst wenn Firmen investieren – dass das sofort die Stimmung ver bes sere,
Arbeitswelt verändert. Die fängt zwar beim Filzhocker an, hört da aber nicht auf: kann niemand garan tieren. Auch zwischen schönen Möbeln kann ein häss liches
Neue Besprechungstechniken halten Einzug und Mitarbeiter bekommen Einzel - Arbeits klima herrschen. Ein gut ausgestattetes Büro allein reiche eben nicht, sagt der
coaching. Weniger Hierarchie und Regeln, mehr Kommunikation, Offenheit und Innen architekt: „Wir stellen nur die Bühne. Bespielen müssen die Kunden sie selber.“
Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Angestellten stehen dahinter – und mani festieren
sich im Schaukelsessel. Das moderne Büro, sagt Inneneinrichter Huth, sei ein Symbol Artikel aus der Süddeutschen Zeitung Nr. 87 – mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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