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Sanierung • Redevelopment Brückner & Brückner Architekten
Bauherr • Client Erzdiözese München und Freising
Standort • Location Domberg 21, 85354 Freising
Nutzfläche • Floor space 9.525 m 2
Foto: Wilfried Dechau
Fotos • Photos mju-fotografie; André Mühling
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 134
Foto: A chapel for Luke and his scribe Lucius the Cyrene (2022) von James Turrell; André Mühling
In der alten Kapelle strahlt eine Lichtinstallation von James Turrell. • Light installation by James Turrell Sanierungsziel: multifunktionale Räume mit neuester Technik • Multifunctional rooms with the latest technology
Ausblicke – Einblicke – Durchblicke. Gläserne Volumen spielen mit dem Raum und den von • by i am interior.architects, München
Himmelsrichtungen ausgewählte Aussichten in die Landschaft und die Stadt Freising. So D ie neue Schausammlung des Diözesanmuseums in Freising haben wir in Zusam-
Inhalten. Die neue Mehrschiffigkeit nimmt die Melodie des Hauses auf und erlaubt in alle
menarbeit mit Christian Schmid (der goldene Schmid) als künstlerischem Leiter
werden neue Begegnungen und Dialog mit den Menschen, der Kunst und der Umgebung entwickelt; sie präsentiert christliche Kunst aus zwei Jahrtausenden. Nach fast neun
ermöglicht. Die Räume für die Dauer- und Sonderausstellungen, flexibel bespielbar, in sich Jahren Schließung und vier Jahren Bauzeit wurde das Museum nun wieder für Besu-
miteinander verbunden, umfließen den Lichthof und die Gänge. Die neuen Museumsfen- cher geöffnet. Das Konzept des Museums und der Architekten, ein Tageslichtmuse-
ster, gläsern, gleichzeitig maximal zu verschatten und klimatisch optimiert – sitzen in der um zu gestalten, ist maßgeblich für die Innenräume der Ausstellung verantwortlich.
Fassade und holen das Außen nach innen. Ein Dreiklang aus Glas, Holz und Putz entsteht, Dabei überzeugten Brückner & Brückner mit ihrer Idee eines Museums der offenen
ein Spiel aus Transparenz und Transluzenz. Einen Ort des Rückzugs und der Ruhe, der Wände im Wettbewerb. Dieser Grundgedanke wurde bei der Gestaltung der Schau-
Konzentration, der Kontemplation und des Studiums findet der Besucher im hölzernen sammlung immer wieder aufgenommen und mitgedacht. In enger Zusammenarbeit
Leseraum der Bibliothek. Über drei Öffnungen gelangt man auf den großen Stadtbalkon mit den Kuratoren unter der Leitung von Dr. Christoph Kürzeder und Christian Schmid
mit Blick in die Landschaft und auf Weihenstephan. Zurück im Lichthof lädt die Museums- wurde ein Rundgang entlang des Lebens Christi und seiner Begleiter durch die Räume
gastronomie im Sockelgeschoss zu einem Besuch ein. Ein einzigartiger Gastgarten unter konzipiert. Der Besucher wird in den hellen Sälen empfangen und intuitiv durch die
großen Bäumen mit Blick über die Freisinger Altstadt und auf die Alpen schließt sich an. geöffneten Wände und die dadurch entstehenden Weit- und Durchblicke geleitet.
Innen und Außen nehmen dabei ständig Bezug zueinander. Die Blicke in die Stadt
Zeitlose Gestaltung und unsichtbare Technik Freising und den lichtdurchfluteten Innenhof des Museums bleiben durch die offen
gestaltete Ausstellungarchitektur immer möglich. Wiederholung der markanten Bögen
Die räumlichen Fußabdrücke dieses Hauses wurden schon vor 150 Jahren gesetzt. Der der Architektur finden sich auch in der Raumgestaltung und der Objektpräsentation,
Baustein Geschichte wurde aktiviert und hat uns ein Haus geschenkt, das jetzt von Ballast die den Ausstellungsstücken immer auch einen verstärkten Architekturbezug geben.
befreit wieder seine bauzeitlichen Strukturen atmet, dem Neuen aber seinen Raum gibt. Die Sockel der Stelen sind aus demselben Jura wie der Boden und wirken so zugleich
Alles hat sich zu einer neuen, klaren Identität gefügt. Die präzise Struktur schafft Orientie- geerdet und schwebend. Thematisch zu den Kunstwerken, ihrer Farbigkeit und dem
rung und eine funktionale Infrastruktur für das ganze Museum. Die Treppenhäuser inter- historischen Bezug sind die Räume in monochrome Farbwelten gefasst. Der Besucher
pretieren die historische Erschließung neu und entwickeln diese mehrschichtig fort. Räume taucht so immer tiefer in die Historie ein und wird mithilfe von bewusster Akzentuie-
sind sensibel in den Bestand eingefügt, die wertigen Materialien sind die gleichen wie rung durch Licht geleitet. Das bedeutendste Stück der Ausstellung, das Lukasbild, hat
immer schon. Vorbild sind Historie, Handwerk und die weiße Farbigkeit des Dombergs. seinen Platz im Zentrum der Sammlung – ein tief dunkelblauer Raum – genau in der
Das Material kann vor dem Morgen bestehen: Holz, Stein, Eisen, Glas und Putz nehmen das Achse zum Kunstwerk „chapel for Luke“ von James Turrell. Zum Ende hin werden die
Licht auf und lassen die Menschen begreifen. Die Holzdielen und historischen Elemente Räume wieder heller und lichter, ebenso wie der der sich immer ändernde Blick auf
aus vergangenen Jahrhunderten, die transformierten Fassaden erzählen von der Geschich- die Stadt zum Kunstwerk selbst. In enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ent-
te und den Möglichkeiten. Architektur als begehbare und erlebte Geschichte. Befreit von stand eine Dauerausstellung, die bei jedem Besuch neue Aspekte und Wege zulässt,
technischen Zwängen bietet das Museum künftig wunderbare Bedingungen zum Sam- Architektur und Innenarchitektur verschwimmen lässt und die Kunstwerke in ein ganz
meln, Bewahren, Dokumentieren, Präsentieren und Begegnen. Geöffnete Wände treten neues Licht rückt. Die ineinandergreifende Gestaltung in Architektur, Innenarchitektur,
wie immer, nur neu in Dialog mit der religiösen Kunst und Kultur und den Menschen. Grafik und Materialität zeigt den Besuchern ein ganzheitlich gestaltetes Gebäude.
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