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Liza Heilmeyer-Birk Entwurf • Design Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Stuttgart
Bauherr • Client Nikolauspflege, Stuttgart
Foto: Andreas Labes, Berlin Stadtplanung, Uni Stuttgart 2005 Bürogründung mit Stephan Birk, Nutzfläche • Floor space 5916 m 2 Foto: Frenzel, Heilmeyer, Birk, Fritz
Standort • Location Am Kräherwald 271, Stuttgart
1975 geboren in Freiburg im Breisgau 2003 Diplom Architektur und
Fotos • Photos Roland Halbe, Stuttgart
Stuttgart seit 2012 Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Stuttgart
seit 2020 Landesvorsitzende BDA Baden-Württemberg
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Der Innenhof vermittelt zwischen zwei Eingangsniveaus ... • The courtyard mediates between two entrance levels ... ... und maximiert die natürlich belichteten Räume. • … and maximizes the naturally lit rooms.
werden. Wirtschaftliche und pädagogische Überlegungen erforderten vielmehr „intelli- Zielsetzungen der Nikolauspflege in eine historisch gewachsene Bebauung und auf ein
gente Lösungen“, um alle Räume intensiv, vielfältig und barrierefrei nutzen zu können. topografisch bewegtes Grundstück machte eine differenzierte Auseinandersetzung mit
Im Sinne eines zukunftsfähigen Schulbaus wurde daher besonderer Wert auf flexible komplexen städtebaulichen und anderen denkmalpflegerischen Rahmenbedingungen
Lernorte gelegt, um auch künftige pädagogische Konzepte umsetzen zu können. erforderlich. Die Gebäudehöhe musste sich gemäß den Vorgaben der Stadt exakt an der
Traufkante des denkmalgeschützten Bestands orientieren. Um dennoch die erforderliche
Komplexe Anforderungen – maßgeschneiderte Innen-/Architektur Geschossigkeit mit ausreichender lichter Raumhöhe zu erreichen, waren schlanke Kons-
truktionen und ein dezentrales Lüftungskonzept ohne große Installationszonen unter der
Das inklusive Schulgebäude mit Sporthalle für blinde, sehbehinderte, mehrfachbehin- Decke notwendig. Die stark begrenzten überbaubaren Flächen und das umfangreiche
derte und taubblinde Kinder sowie für Kinder ohne Sehbeeinträchtigung stellt besondere Raumprogramm verlangten zudem nach einer kompakten Organisation – ergänzt durch
Anforderungen an Architektur und Gestaltung. Die grundlegenden Aspekte der Orientie- einen optimal nutzbaren, barrierefreien Außenraum. Anstatt gegen die herausfordernde
rung und Mobilität bilden die Basis des gesamten Konzepts, damit sich alle Schülerinnen Topografie anzukämpfen, erschien es folgerichtig, diese gezielt zu nutzen. Das Terrain
und Schüler – mit und ohne Sehbeeinträchtigung – selbstständig und sicher fortbewegen ermöglicht die Erschließung des Gebäudekomplexes über mehrere Ebenen und sorgt für
können. Für blinde und sehbehinderte Menschen sind bestimmte bauliche Prinzipien ein Maximum natürlich belichteter Räume. Ein Innenhof erweitert das Raumangebot,
unabdingbar: Eine klare Gesamtstruktur, Räume mit vier rechtwinkligen Wänden, keine schafft zusätzliche Belichtungsflächen und vermittelt nahezu unmerklich zwischen den
Versprünge nach innen oder außen, keine freistehenden Stützen und keine Sitztreppen, zwei Eingangsniveaus. Das große Volumen der Sporthalle konnte in den Hang integriert
etwa wegen der Absturzgefahr für Rollstuhlnutzende. Zudem sind gezielte Maßnahmen werden, so dass sich diese großzügig nach außen öffnet und gleichzeitig eine ebene,
zur visuellen Wahrnehmung erforderlich: Verdunklungsmöglichkeiten, bewusst gesetzte großzügige Pausenfläche auf dem Dach bietet. Im Außenraum wurden bestehende
Kontraste in der Gebäudestruktur, ein erhöhter Blendschutz sowie eine gleichmäßige Mauern und Barrieren zurückgebaut, damit das neue Schulgebäude ringsum barrie-
und flexible Beleuchtung, idealerweise dimmbare Lichtquellen in mehreren Schaltkrei- refrei begeh- und befahrbar ist. Eine rechtwinklige Wegeführung mit Tastkanten und
sen. Ergänzend unterstützen ein visuell und taktil zugängliches Leitsystem sowie Leitli- Handläufen – innen wie außen – erleichtert blinden Menschen die Orientierung und ist
nien, wo erforderlich, die sichere Orientierung. Da viele Kinder zusätzlich eine Körper- ein wesentlicher Beitrag zur gleichberechtigten Teilhabe. Aufgrund des großen Einzugs-
behinderung haben, spielte umfassende Barrierefreiheit nach DIN 18040 eine zentrale gebietes und der speziellen Bedürfnisse erreichen viele Schülerinnen und Schüler das
Rolle: Große Fahrstühle für mehrere Personen mit Begleitung, der Verzicht auf Schwel- Betty-Hirsch-Schulzentrum über einen Fahrdienst. Hierfür musste die Eingangssituation
len, ausreichend Stauraum für Hilfsmittel sowie Fenster in rollstuhlgerechter Höhe sind innerhalb des engen städtebaulichen Gefüges ausreichend Platz bieten. Ein schwebender
essenzielle Bestandteile einer inklusiven, funktionalen und menschenzentrierten Archi- Riegel verbindet den Neubau mit dem Bestandsgebäude, nimmt Fachklassen und Lehr-
tektur. Die Einfügung des Schulneubaus unter Berücksichtigung der zuvor genannten erzimmer auf und schafft zugleich einen witterungsgeschützten Vorbereich. Um allen
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