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ÖFFENTLICHE BAUTEN • PUBLIC BUILDINGS THEORIE • THEORY



                                                                          von • by Heidrun Muffler, Tuttlingen
                                                                          I  n unseren Augen sind Schulen Orte der Zusammenkunft mit einem offenen, leben-
                                                                            digen Charakter. Sie beherbergen Räume, die zum Denken und zur Fantasie anregen,
                                                                          gleichzeitig aber Behaglichkeit und Geborgenheit ausstrahlen und Platz zur persönli-
                                                                          chen Entfaltung bieten. Gebäude, welche sich den Bedürfnissen ihrer Nutzer anpassen
                                                                          und sich mit ihrer Umgebung sensibel verweben. Die Schule als „Lernhaus“ soll so zu
                                                                          einem charaktervollen Ort werden, an dem sich die Schüler wohlfühlen und den sie als
                                                                         Renderings und Pläne: Muffler Architekten  drei dreigeschossigen Baukörper. Diese liegen an einer gemeinschaftlichen Erschlie-
                                                                          Mikrokosmos „Lebensraum Schule“ wahrnehmen. Ziel ist es, nach Abriss des Bestands,
                                                                          mit dem bestehenden Sportgebäude und der Realschule einen Schulcampus in Oster-
                                                                          burken zu bilden. Eine Besonderheit unseres Entwurfs sehen wir in der Staffelung der

                                                                          ßungsachse, sind jedoch gegeneinander versetzt. Dies hat den Vorteil, dass die Bau-

                                                                          des Ortes integriert. Zudem entstehen dadurch außenräumlich Vor- und Rücksprünge,
                                                                          die kleinere Hofbereiche und Plätze schaffen. Das bestehende GTO hat sehr große Frei-
            Visualisierung des Neubaus: drei gestaffelte Baukörper • Visualization of the new replacement building  masse eine kleinere Maßstäblichkeit erreicht und sich damit besser in die Topografie
                                                                          flächen, außen und innen. Diese lassen Interaktion und Kommunikation zu und sind
                                                                          dienlich für das soziale Miteinander. Leider ist dies heute so nicht mehr zu leisten, denn
            Visualisierung des Innenraums: Lichthof • Visualization of the interior: atrium  es wird in diesem Umfang nicht mehr gefördert. Jede Architektur spricht für die Zeit, in
                                                                          der sie entsteht. Nichtsdestotrotz waren für uns vor allem die offenen Flurzonen ein gro-
                                                                          ßes Anliegen. Hier entstehen Bereiche für den informellen, spontanen Austausch zwi-
                                                                          schen den Schülern. Während der Unterrichtszeit fungieren die Flurzonen als „erwei-
                                                                          terte Klassenzimmer“. Die Flure werden vor allem durch die beiden Lichthöfe großzügig
                                                                          mit Tageslicht versorgt und bieten daher eine hohe Aufenthaltsqualität. Diese beiden
                                                                          Lichthöfe und ein mit Glas überdachter Mehrzweck-Pausen-Aula-Bereich bringen Tages-
                                                                          licht, Grün und eine gute Atmosphäre ins Gebäude. Das Wechselspiel zwischen Licht
                                                                          und Schatten soll ein angenehmes Ambiente als Pendant zur strengeren Thematik des
                                                                          Lernens bieten. Einer der beiden Lichthöfe wurde bewusst dem Großraum Mensa an-
                                                                          gegliedert. Der Luftraum, der alle Geschosse im Baukörper 1 miteinander verbindet,
                                                                          schafft einen Großraum für die Aula. Die oberen, darum herum liegenden Flächen kön-
                                                                          nen an Schlechtwettertagen als Pausenfläche fungieren. Die Erschließung des Gebäudes
                                                                          erfolgt durch die zentrale Verbindungsachse zwischen den Gebäuden sowie weitere
                                                                          Treppenräume und Aufzüge in Baukörper 1 und 3. Nach dem Wettbewerb wurden
                                                                          Raumbezüge neu diskutiert und am Ablauf orientiert. Alle Fachklassen liegen nun auf
                                                                          einer Ebene. Atmosphärisch bewegen sich die Innenräume im Spannungsfeld zwischen
            Längsschnitt • Longitudinal section                           Sichtbeton und Holzpaneelen für die Wände samt integrierten Schließfächern.
                                                                          Vielfältige Freianlagen und Grünflächen

                                                                          Die Freianlagen umfassen eine differenzierte Abfolge unterschiedlich strukturierter Au-
                                                                          ßenräume, die vielfältig nutzbar sind und zur Entspannung der Schüler im Rahmen der
                                                                          Ganztagsschule beitragen sollen. An der Hemsbacher Straße, im Süden, entsteht ein
                                                                          großzügigerVorplatz, während der Nordseite des Gebäudes ein Mensahof vorgelagert ist.
                                                                          Dieser geht in zwei Schulhöfe über, die terrassenartig in das Gelände eingebettet sind.
                                                                          Der obere Schulhof bildet einen großzügigen Aufenthalts- und Bewegungsort und ist ana-
            Lageplan – Park anstelle des Altbaus • Site plan – a park instead of the old building  log zum Mensahof mit einem Baumdach gegliedert. Eine Treppenanlage mit Sitzstufen
                                                                          führt zum unteren Schulhof mit einem Mini-Spielfeld und weiteren Spiel- und Sportan-
                                                                          geboten. An der Westseite des Gebäudes entsteht ein kleiner Atelierhof, der das Unter-
                                                                          richten und Arbeiten im Freien ermöglicht. Der Bereich des Abbruchgebäudes wird als
                                                                          Landschaftspark gestaltet. Er ist Bindeglied zwischen Gymnasium, bestehender Real-
                                                                          schule und Sporthalle. Verschiedene Bäume sollen die Jahreszeiten erlebbar machen. Die
                                                                          Fassade gestaltet sich über alle Klassenbereiche homogen im Wechsel von Holz und Glas.
                                                                          Die Eingangsfassade ist im Sockelbereich komplett verglast. In technischer Hinsicht wird
                                                                          die Schule entsprechend dem neuesten Stand geplant. Mit seiner klaren Haltung folgt der
                                                                          Entwurfvereinfachenden Prinzipien des Bauens, die einen reibungslosen Ablauf gewähr-
                                                                          leisten sollen. Viele Elemente können vorfabriziert werden. Alle konstruktiven Elemente
                                                                          sollen aus dauerhaften, biologisch unbedenklichen und ökologischen Materialien gefer-
                                                                          tigt werden – dies vor allem im Hinblick auf eine nachhaltige Gebäudebewirtschaftung
                                                                          und -unterhaltung. Handwerkliche Qualität, vertraute Materialien mit schönen Fügungen
                                                                          in funktionalen Grundrissen sollen dies unterstützen. Wir Architekten sehen unseren
                                                                          Entwurf aus der gestalterischen Sichtweise, an deren Stelle stets das Prinzip der Ordnung
                                                                          und Klarheit steht. Die neue Schule wird durch Schüler und Lehrer mit Leben erfüllt und
                                                                          "bewohnt" werden. Wir hoffen, dass ein Zusammenspiel von Architektur und Nutzern
                                                                          diesem Schulgebäude seine Einzigartigkeit verleiht und dass sich alle daran erfreuen.

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