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Entwurf • Design PFP Planungs GmbH, Hamburg
Jörg Friedrich Bauherr • Client Landeshauptstadt Dresden
Standort • Location Kraftwerk Mitte Wettiner Platz 1, Dresden
1951 in Erfurt geboren 1979 Architekturdiplom an der Technischen Universität in Stuttgart 1983 Lehrauftrag Kunsthistorisches Institut an der Universität in Nutzfläche • Floor space 204.910 m 2
Hamburg 1986 Lehrauftrag im Fachbereich Architektur an der Universität in Wuppertal 1986 Gründung des Büros PFP Architekten BDA, Hamburg – Genua Fotos • Photos Ralf Buscher, Hamburg
1988 Professur für Entwerfen an der University of Applied Sciences in Hamburg 1992 Lehrstuhl für Entwerfen und Gebäudelehre an der RWTH Aachen Mehr Information ab Seite • More information on page 162
Ehemalige Maschinenhalle für Dampf-Dynamomaschinen • Former machine hall for steam dynamo generator Heute befindet sich hier die Foyerfläche für Empfänge. • Today, the foyer for reception is located here
D resden kann sich glücklich schätzen: Das ehemalige Kraftwerk Mitte Dresden, eine mächtigen Bühnentürmen und dem gläsernen Probeturm „Schaufenster“ – zusammen.
imposante Industriebrache aus dem 19. Jahrhundert, wurde nun saniert, umgebaut
Die alten Klinker fassaden wurden mit den modernen Materialien Corten stahlblech und
und in einen Kunst-, Kultur- und Kreativstandort verwandelt. Knapp 100 Jahre produzier- weißem Profilglas in bewusste, spannungsvolle Beziehung gesetzt, während die beiden
te das Kraftwerk Mitte – nur einen Steinwurf vom historischen Dresdner Zentrum ent- verklinkerten Bühnentürme Einheit und Kontinuität in der Materialität und Gestaltung
fernt – Energie für die sächsische Landeshauptstadt. Der Industriekomplex gehörte in vie- schaffen. Im rückwärtigen, funktional eindeutig getrennten Backstage-Bereich befinden
lerlei Hinsicht zu den markantesten Punkten in Dresdens Mitte. Das gewaltige Kessel haus sich Probebühnen und -räume, Kantine sowie all die unverzichtbaren vielen spezifischen
mit seinen vier Schornsteinen – im Volksmund auch „Aurora" genannt – prägte mitsamt Theaterfunktionen wie Stimmräume, Masken, Umkleiden, Schnei dereien, Präsenzwerk -
den Funktionsgebäuden die Stadtsilhouette. In den 1990er-Jahren wurde das Kraftwerk stät ten, Lager und Anlieferung – eine eigene Welt für rund 1.300 Zuschauer und 400
durch moderne und umweltfreundlichere Anlagen ersetzt. Übrig blieb ein Industrieareal Mitarbeiter. Neu und überregional beachtet an der neuen Spielstätte ist die Tatsache,
in bester Innenstadtlage, das allmählich verfiel und zum Teil abgerissen wurde. Seit 2008 dass zwei verschiedene Theater – beide beliebte traditionelle Kultur stätten in Dresden –
trieb die Landeshauptstadt die schrittweise Revitalisierung der denkmalgeschützten hier nun in einem gemeinsamen Haus zusammenfinden und somit am Ort der ehema-
Brache voran. Das Herz der Planungen war dabei der Neubau der Staatsoperette Dresden ligen Energieerzeugung neue kulturelle Synergien entwickeln. Eine Abfolge von Frei -
und des Theaters Junge Generation tjg auf dem Gelände. Für die spektakuläre Bau - räumen unterschiedlicher Funktionen und Qualitäten bildet den Rahmen zur Aneignung
aufgabe wurde ein Wettbewerb ausgerufen. des Areals. Sie bieten Raum für den Austausch der Kulturinstitutionen untereinander und
fördern den Kontakt zum Publikum. Dass die Angebote der Theater dabei mehrere
Denkmalgeschütztes Industriegelände als Kulturort Generationen an einem Ort erreichen, ist ein zeitgemäßer und gezielt gesuchter Effekt.
So kann eine neue Mitte Dresdens entstehen, ein Platz für Künstler, Familien, Kinder und
Ausgehend von den Anforderungen der neuen Nutzer sowie den vor Ort aufgefundenen Senioren, Einheimische und Touristen. Für die Intendanz und Verwaltung beider Theater
Strukturen und Qualitäten, haben wir ein inhaltliches und räumliches Konzept zur Trans - wurde dazu ein direkt benachbartes, denkmalgeschütztes Stadthaus aus dem 19. Jahr -
formation des Areals erarbeitet. Zentral erreichbar, den berühmten historischen hundert umfassend saniert und modernisiert. Auch hier haben wir den Kontrast und die
Residenzbauten der Altstadt wie Zwinger, Semperoper und Schloss zugewandt, sollte Einheit von Alt und Neu bewusst gesucht und herausgearbeitet. Als dritter Baustein
unser Entwurf die Geschichte der Kulturstadt Dresden fortsetzen. Die neue Spielstätte wurde in Dresden-Cotta ein neues modernes Werkstattgebäude für beide Institutionen
besteht aus dem sanierten ehemaligen Maschinenhaus und einem Neubau. Die errichtet, um auch hier die Synergieeffekte nutzen zu können. So bietet etwa der 37 auf
Staatsoperette mit 700 Plätzen und die große Bühne des tjg mit 350 Plätzen befinden sich 18 Meter große Malsaal erstmals die Möglichkeit mehrere Bühnenbilder gleichzeitig her-
im Neubau. Die Puppenbühne und die Studiobühne (Black Box) mit jeweils 125 Plätzen zustellen. Daneben sind die Tischlerei, die Deko-Werkstatt, die Farbspritzräume und die
des tjg sowie das Theaterfoyer sind im Erdgeschoss des Altbaus der ehemaligen Vor- und Endmontage in diesem Neubau untergebracht. Das Theaterprojekt wurde unter
Maschinenhalle angeordnet. Die Ausstattung aller vier Bühnen entspricht dem heute Einhaltung des Termin- und Kostenrahmens abgeschlossen und Mitte Dezember 2016
höchsten technischen Standard in Bezug auf Variabilität der Bühnenpodien, der feier lich eröffnet. Der besonderen Erwähnung wert ist zudem die Bereitschaft der
Beleuchtungsausstattung und der akustischen Steuerung. Der an den historischen Staatsoperetten-Mitarbeiter, seit Jahren – und auch noch über Jahre hinweg – bis 2021 auf
Bestand angelagerte Neubau setzt sich aus einem geschlossen gehaltenen Sockel - acht Prozent ihres Einkommens zu verzichten, damit die neue Staatsoperette möglich
bauwerk mit aufgesetzten, in Breite wie in Höhe differenziertem Volumen – den beiden wurde. In diesen Zeiten ein beachtenswerter Bürgersinn!
AIT 5.2017 • 143